campus-web Bewertung: 3,5/5
   
 

Die Männer WG im Dauerclinch
   
 

Der fiese Lord Blackwood
   
Sherlock Holmes gehört zu den bekanntesten Figuren der Literatur- und Filmgeschichte und ist der wohl berühmteste Detektiv aller Zeiten. Ende des 19. Jahrhunderts erfand Sir Arthur Conan Doyle das Genie mit der außergewöhnlichen Beobachtungsgabe und einem unschlagbaren Kombinationsvermögen. Gemeinsam mit seinem guten alten Freund Dr. Watson löste Sherlock Holmes jeden noch so knifflig scheinenden Fall. Unzählige Male kam das Duo auch im Kino zum Einsatz. Christopher Lee, Bazil Rathbone, Jeremy Brett – der für viele der beste "Film-Holmes" ist und sogar Ufa-Star Hans Albers schlüpften in den Trenchcoat mit dem prägnanten Deerstalker-Hut und begaben sich von der Londoner Baker Street aus auf Verbrecherjagd.

Regisseur Guy Ritchie (Snatch – Schweine und Diamanten; Bube, Dame, König, grAs) hat schon im letzten Jahr mit Rock´n´Rolla bewiesen, dass er immer noch ein Händchen für gute Filme hat. Mit der Inszenierung eines eher historischen Stoffs begibt er sich mit Sherlock Holmes filmisch auf neue Pfade. Das Drehbuch basiert auf verschiedenen Holmes-Erzählungen und das merkt man dem Film an – die Handlung ist ein Puzzle, das auch Holmes nur schwer zusammensetzen kann.

London in den 1890er Jahren: der mysteriöse Lord Blackwood (Marc Strong: Der Mann der niemals lebte, Rock´n´Rolla) treibt sein Unwesen in der Stadt. Im letzten Moment können Sherlock Holmes (Robert Downey Jr.: Iron Man, Tropic Thunder) und Dr. Watson (Jude Law: Hautnah, Das Kabinett des Dr. Parnassus) den Hexenmeister von einem fünften Ritualmord abhalten – wie immer sind sie dabei Scotland Yard eine Nasenlänge voraus. Doch der Galgen scheint den Lord nicht sonderlich zu erschrecken. Er bittet Holmes kurz vor seiner Hinrichtung zu sich und verspricht ihm die Wiederauferstehung. Dabei plant er nichts geringeres als die Übernahme der Weltherrschaft. Und tatsächlich: Lord Blackwood scheint nach seinem Tod mächtiger denn je zu sein – mysteriöse, unerklärliche Geschehnisse halten London in Atem. Eine Herausforderung für Holmes, dem Hokuspokus ein Ende zu bereiten und die dunklen Machenschaften des fiesen Lords als simplen Zauber zu enttarnen.
Sherlock Holmes
(Sherlock Holmes) USA 2009

Verleih: Warner
Genre: Abenteuer/Action
Filmlaufzeit: 128 Minuten
Regie: Guy Ritchie
Darsteller: Robert Downey Jr., Jude Law,
Marc Strong, Rachel McAdams, Eddie Marsan
Kinostart: 28.01.2010


Eins steht fest: noch nie war Sherlock Holmes so sexy, so tiefgründig, so zwiespältig. Holmes Opium-Sucht und seine zahlreichen Neurosen wurden schon öfter in Verfilmungen thematisiert, doch dermaßen verloddert und depressiv hat man ihn noch nicht gesehen. Robert Downey Jr. passt ausgezeichnet in die Rolle des zerrissenen Meisterdetektivs, der sich vom Leben völlig verabschiedet, sollte ihn nicht gerade ein kniffliger Fall herausfordern. Seine Gefühle zeigt er nur selten – ein Ventil dafür sucht er bei Zweikämpfen in den Londoner Spelunken, Mann gegen Mann. Jude Law als Dr. John Watson ist endlich mehr als der trottlige Sidekick Holmes` und darf hier auch mal selbst agieren und nicht nur das überragende Genie seines Partners kommentieren und bewundern.

Holmes und Watson leben in einer typischen Männer-WG und benehmen sich wie ein altes Ehepaar. Sie können nicht mit und nicht ohne einander. Nicht nur einmal ist es Watson, der Holmes aus einer brenzligen Situation befreit und immer wieder darf auch der gute Doktor die Fäuste sprechen lassen. Regelmäßig gipfelt der Zickenkrieg des eingespielten Duos in süffisanten und äußerst amüsanten Wortgefechten. Und wie in jeder echten Männerfreundschaft sind Frauen da eher störend. So kann sich Holmes nur schwer mit Watsons Verlobten Mary Morstan (Kelly Reilly) abfinden, während der äußerst skeptisch das plötzliche Auftauchen von Holmes Dauer-Affäre Irene Adler (Rachel McAdams: State of play, Die Frau des Zeitreisenden) beäugt.

Marc Strong als Bösewicht Lord Blackwood kann erneut seine starke und geheimnisvolle Aura unter Beweis stellen - darf sein Potential aber nicht ganz ausschöpfen. Dazu ist Lord Blackwood zu klischeehaft, zu kantenlos. Seine Figur erinnert mit ihrem Lederumhang und dem hypnotisierenden Blick stark an den "Ur-Dracula" Bela Lugosi, ist dabei aber nicht ganz so unheimlich - vielleicht liegts am Farbfilm. Lugosi gabs nur in schwarz-weiß.

Der neue Sherlock Holmes lebt von seinen überzeugenden und vielschichtigen Figuren, einem beeindruckenden Setdesign und reichlich Action. Doch all das kann nicht über die holprige Dramaturgie hinwegtäuschen. Die Story wirkt allzu hanebüchen und wenn Holmes in bester CSI-Manier Beweisstücke und Indizien untersucht, um dann zu endlos langen Erklärungen anzusetzen, wünscht man sich den guten alten "Hund von Baskerville" zurück. Die Auflösung wirkt an den Haaren herbeigezogen und enttäuscht. Fans des "alten" Holmes werden sich nur schwer mit dieser Neuinterpretation arrangieren können – Regisseur Guy Ritchie erfindet den Detektiv neu und drückt dem Film seinen Stempel auf. Ritchies Handschrift ist insbesondere in den Kampfszenen unverkennbar. Mit extremen Zooms, Slow Motions und Stills inszeniert er die körperbetonten Kampfszenen, in denen Holmes auch seine Kenntnisse asiatischer Kampfkunst zeigen kann.

Während in klassischen Holmes-Filmen die Baker Street als gutbürgerliches Viertel erscheint, zeigt Guy Ritchie das London des ausgehenden 19. Jahrhunderts als schmutzigen Moloch. Die Straßen gleichen eher Sümpfen und halb zerfallene Gebäude bestimmen das Stadtbild, in dem sich die Fortschritte der Technik erst langsam zeigen – spektakulär ist die erst halbfertige Tower-Bridge, auf der es dann auch zum finalen Kampf zwischen Holmes und dem dunklen Lord kommt.

Sherlock Holmes ist gutes Unterhaltungskino mit hervorragenden Hauptakteuren und schönen Schauwerten, krankt aber besonders in der zweiten Hälfte an seiner zusammen geschusterten Geschichte, die hier und da zu Längen führt. In den USA avancierte Sherlock Holmes schnell zum Kassenschlager und so darf man wohl schon auf eine Fortsetzung gespannt sein.


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