campus-web Bewertung: 3/5
   
 

   
 

   
Avatare haben derzeit regelrecht Hochkonjunktur. Bei James Camerons gleichnamigen und visuell bahnbrechenden Sci-Fi-Abenteuer sind das gezüchtete, riesige, blaue Humanoide, in die das Bewusstsein eines Menschen transferiert wird. Beim kürzlich angelaufenen Actionkracher Gamer, werden reale Menschen von Spielern ferngesteuert, ähnlich Figuren, die man heute aus Computer-Adventures und den sogenannten Ego-Shooters kennt. Wirklich neu sind diese Motive nicht: Schon Anfang der 80er tauchte ein realer Mensch im Kult-Klassiker Tron, dessen Neuauflage (Tron: Legacy) bevor steht, in eine künstliche Realität ein. Und die Matrix-Trilogie Ende der 90er beförderte die Idee des Mensch-in-Maschine gleich auf eine ganz neue Ebene. Im Subtext dieser Filme steht aber oft trivial das Motiv des Durchbrechens der Beschränkungen des eigenen Ichs im Mittelpunkt – mögen sich auch die Gründe erzählerisch unterscheiden.

Ganz egal welche Perspektive bei diesen Geschichten nun auch angewendet wird, auf irgendeiner Ebene bewegt man sich immer in einer virtuellen Realität – wichtig einfach, noch zu wissen was real und was es nicht mehr ist. Mitunter fällt das manch einem nicht einmal leicht, wenn er sich im heutigen world-wide-web aufhält. Vielleicht möchte man dort aber auch gar nicht immer man selbst sein. Soziologen sprechen von der Möglichkeit des Internets, die linerare Kontinuität des eigenen Seins zu durchbrechen: gleichzeitig sich in New York als Gehirnchirurg und in Peking als Bildhauer auszugeben; somit an mehreren Orten und zugleich das zu sein, was man vorgeben möchte.

Surrogates stellt dieses Motiv auf den Kopf. In einer nicht mehr allzu fernen Zukunft sitzen die Menschen zu Hause und fernsteuern ein androidisches Abbild. Im Prinzip muss dieses attraktive, ewig Junge, nie ermüdende und fast verschleißfreie Ich nicht einmal der realen Vorlage entsprechen. Es ist eine idealisierte Manifestation, bei der selbst der Wechsel des Geschlechts möglich ist. In solch einer Welt lebt und Arbeitet FBI-Agent Greer (Bruce Willis), der in einer höchst merkwürdigen Mordserie ermittelt. Natürlich nicht physisch; auch er bedient sich eines ferngesteuerten Androidendoubles. Normalerweise ist das Leben durch den Körper dieses Doubles völlig sicher. Selbst wenn dieser zerstört werden sollte, während ein Mensch mit ihr verbunden ist, passiert dem User nichts. Jemand hat aber einen Weg gefunden, den User zu töten, indem er das Double zerstört. Für die Lösung dieses Rätsels wird Agent Greer sogar gezwungen, sein reales Ich voll einzusetzen; nicht gerade ungefährlich, wenn der echte Körper schon lange nicht mehr in Gebrauch war.
Surrogates
(The Surrogates) USA 2009


Verleih: Walt Disney
Genre: Action / Sci-Fi
Filmlaufzeit: 88 min
Regie: Jonathan Mostow
Darsteller: Bruce Willis, Ving Rhames,
Rosamund Pike, Rhada Mitchell
Kinostart: 21.01.2010


Die Sozialkritik in Surrogates ist nicht gerade unterschwellig oder muss erst kompliziert entschlüsselt werden. Wieder mal hat die Menschheit ihr Schicksal der Technologie anvertraut und das rächt sich. Mit dem Motiv der Abgabe der Verantwortung an die Technik, aber auch vom Design her, erinnert der Film stark an I Robot. Allerdings wecken die endlosen Produktionsstätten der Androidenkörper auch einige Terminator-Assoziationen. Die Story ist kurzweilig und eingängig; vielschichtige Komplexität sucht man vergebens und die eingeflochtene Ehedrama-Ebene (die Eheleute Greer begegnen sich nur noch als Kunstwesen) ist nicht der Rede wert. Nicht die gesamte Menschheit befindet sich aber auf diesem Doubletrip: Wie mit jeder Hochtechnologie, ist die Crux auch mit dieser, dass sie eher eine Sache für Privilegierte ist. Es gibt sogar Menschen, die solch ein Leben prinzipiell ablehnen – manche wagen sogar als Aktivisten und Technologie-Verächter Front gegen diese Entwicklung zu machen und landen prompt im Ghetto. Damit wartet Surrogates sogar mit einer kleinen stilistischen Anleihe auf, die am Rande an District 9 erinnert.

Eines muss man Bruce Willis lassen: Immer wenn man die Actionikone der 80er und 90er Jahre nicht mehr ganz auf der Rechnung hat, überrascht er: Nachdem er dem Krawallgenre den Rücken kehrte, folgten Abstecher ins Charakterfach wie in Sixth Sense und Unbreakable. Und als dann schon gar niemand mehr daran dachte, er würde nochmal mit einem Top-Actionfilm durchstarten und es gäbe kein viertes Stirb-Langsam-Sequel, bewies Willis wie solch ein gereifter Herr ein paar Terroristen immer noch in den Allerwertesten treten kann.

Mit Surrogates hat sich sich der Hollywood-Mime nicht sonderlich mit Ruhm bekleckert, aber definitiv auch nichts falsch gemacht. Der Streifen ist gut durchdacht und unterhält ohne Längen, auch wenn nichts wirklich neu ist. Handwerklich wird sich ebenso keine Blöße gegeben und die Effekte wirken auf der Höhe der Zeit. Damit, sowie seinem Touch Gesellschaftskritik, prädestiniert sich der Streifen für einen Kumpel-Kinoabend mit einen anschließenden guten Gespräch bei einem leckeren Bierchen und ganz ohne Androidendouble.


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