campus-web Bewertung: 3/5
   
 

Die kleine Waris flieht vor der Zwangsheirat...
   
 

und wird in London vom Starfotograf entdeckt.
   
Die Geschichte klingt wie die typische "Cinderella-Story": ein junges Mädchen flieht vor der Zwangsheirat mit einem viel älteren Mann quer durch die Wüste, gelangt über Umwege nach London, schlägt sich dort mit Gelegenheitsjobs durch, wird zufällig von einem Starfotografen entdeckt und steigt zum gefeierten Supermodel auf. Doch dieser Traum von Ruhm und Reichtum hat einen bitteren Beigeschmack, zumindest für Waris Dirie. Sie lebt mit einer grausamen Wahrheit. Als dreijähriges Kind wurde sie Opfer von Genitalverstümmelung, einem furchtbaren Ritual, das bis heute täglich 6.000 Mädchen erdulden müssen.

Supermodel, Menschenrechtlerin und ehemalige UN-Sonderbotschafterin Waris Dirie war die erste Frau, die offen über ihr Schicksal berichtete und so der Welt die Augen öffnete. Ihre 1998 erschienene Autobiographie Wüstenblume avancierte zum Bestseller. Wenn ein Buch es in die Bestsellerlisten schafft, dauert es meist nicht lang, bis es für die große Leinwand adaptiert wird. Die deutsch-amerikanische Regisseurin Sherry Hormann hat aus Waris Diries Autobiographie ein massenkompatibles Melodram mit einer bezaubernd natürlichen Hauptdarstellerin geschaffen und verpackt das berührende und erschütternde Schicksal, dass so viele Frauen mit Waris Dirie teilen, in schöne, zum Teil traumähnliche Bilder, gewürzt mit einer Prise Romantik und Melancholie. Wüstenblume wirkt so leichtfüßig, so stringent erzählt und spart sich die grausame Wahrheit nahezu bis zum Schluss auf. Und damit diese schwere Kost nicht zu schwer verdaulich ist, unterhält der Film mit komödiantischen Einlagen, die besonders der überdrehten Sally Hawkins als Waris Freundin Marilyn zu verdanken sind, die ja schon in Happy go lucky eine herrlich schräge Vorstellung gab, die sie hier zu parodieren scheint.

Wüstenblume ist solide Kinounterhaltung, dass ein breites Spektrum an Emotionen bietet und dabei auch mal übers Ziel hinausschießt. Die dezent eingeflochtene Liebesgeschichte zwischen Waris und dem New Yorker "Jackson" wird zwar nur angedeutet, doch die wenigen Szenen sind melodramatischer und zuckersüßer als in jeder Telenovela. Dabei würde der Film auch ohne sie auskommen. Liya Kebede trägt den Film mit ihrer Ausstrahlung und natürlicher Zurückhaltung. Überzeugend entwickelt sie sich vom Entlein zum Schwarm, vom schüchternen Mädchen zur starken Frau, die für ihre Überzeugungen kämpft.
Wüstenblume
(Desert Flower), D/GB/Ö 2008

Verleih: Majestic
Genre: Drama
Filmlaufzeit: 129 Minuten
Regie: Sherry Hormann
Drehbuch: Sherry Hormann nach der Autobiographie von Waris Dirie
Musik: Martin Todsharow (Soundtrack erschienen bei Sony Music)
Darsteller: Liya Kebede, Sally Hawkins, Craig Parkinson, Meera Syal,
Timothy Spall, Soraya Omar-Scego, Anthony Mackie
Kinostart: 24.09.2009


Der Soundtrack des deutschen Komponisten Martin Todsharow (Hilde, Phantomschmerz) untermalt die großen Bilder mal mit dezenten Streichern, leichten Piano-Stücken und emotionalen Instrumentierungen, die zum Teil an die Afrika-Motive Niki Reisers in Nirgendwo in Afrika oder Die weiße Massai erinnern. So trägt der Soundtrack die kleine Waris mit bombastischen Klängen durch die somalische Wüste, verstärkt den unendlichen Eindruck der weiten Panoramaaufnahmen. Der klassische Score wird abgerundet durch Joy Denalanes "Stranger in this Land" und eine Coverversion des Roxy-Music-Klassikers "Let´s stick together". Wer nach dem Kinobesuch den Film noch einmal akustisch Revue passieren lassen möchte, ist mit dem Soundtrack gut beraten. Chronologisch folgt er Waris´ Reise durch die Wüste, ihre Anfänge in London, begegnet Sally und Jackson und stellt sich dem unvergesslichen Schmerz.

Wüstenblume erinnert an ein wichtiges Thema, rüttelt auf und allein deshalb ist er sehenswert, auch wenn ihm etwas weniger kommerzielle Dramatik und allzu aufpolierte Bilder gut getan hätten. Ein Pflichtfilm für alle angehenden "Next Top Models", der an der Oberfläche kratzt und den Glauben aufrecht erhält, dass Träume wahr werden können.

Waris Dirie kämpft weiter gegen die Verstümmelung von Frauen mit ihrer eigenen Stiftung. Hier gehts zur Homepage

Offizielle Seite zum Film

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