Campus-Web Bewertung: 3,5/5
   
 

   
 

   
Die Neuverfilmung von Die Vorstadtkrokodile kann man aus zwei Perspektiven beurteilen. Und man sollte es auch, denn ganz gleich aus welcher Sicht der Film beschrieben wird, eine Partei könnte eine kleine Enttäuschung erleben. Da gibt es auf der einen Seite die Sicht der Kinder, die ihre Helden zum ersten Mal auf der Leinwand sehen, auf der anderen Seite ist da die Rezeption der Erwachsenen, die mit der ersten Verfilmung in den 70er Jahren aufgewachsen sind.

Sie Story ist natürlich in beiden Varianten die selbe: Es geht um die Bande der Vorstadtkrokodile. Nach einer haarscharf bestandenen Mutprobe wird der kleine Hannes zu Beginn des Filmes als neues Mitglied aufgenommen. Das er bei der waghalsigen Kletteraktion nicht ums Leben kam, hat er einzig dem querschnittsgelähmten Kai zu verdanken, der in letzter Sekunde einen Notruf absetzt. Kai ist neu in der Stadt und möchte nichts lieber, als auch ein Krokodil werden. Doch im Rollstuhl hat er keine Chance. Wie gut, dass er in der Nacht Zeuge eines Diebstahls wird und beobachten kann, wo die Diebe ihre Beute verstecken. Mit diesen Informationen bringt er Hannes dazu, ihn zu den Treffen der Bande mitzunehmen. Es beginnt eine abenteuerliche Suche nach den Dieben. Zwischen gefährlichen Situationen entwickeln sich Freundschaften und werden Vorurteile überwunden.

Es fällt schwer zuzugeben, inzwischen einer Altersklasse anzugehören, die sagt: Wie reden denn bloß die Kinder heutzutage? Genau das hat man früher selbst zu hören bekommen. Beim Schreiben des Drehbuchs überließ Autor und Regisseur Christian Ditter jedoch nichts dem Zufall. Er suchte den Kontakt zu Teenagern und besprach das Drehbuch in Schulklassen während des Deutschunterrichts. Hier sammelte er Kritik und Anregungen. Offenbar sagen Kinder in der Tat Dinge wie: "Vielleicht waren es auch die Talibans aus dem Ghetto, diese Zigeuner", während sie über die Diebstähle spekulieren. Oder: "Geile Location, wie die Ruinen in Athen", beim inspizieren des neuen Bandenhauses. Ganz klar, die Dialoge sind auf cool getrimmt. Manchmal möchte man dabei einfach nur genervt die Augen rollen, aber natürlich sind auch wunderbar schlagfertige Lacher das Resultat. Zum Beispiel, wenn Krokodil Jorgo (Javidan Imani) sich bei der Polizei um Kopf und Kragen redet: "Was? Notruf? 'Tschuldigung, ich bin Ausländer, hab mich verwählt."
Die Vorstadtkrokodile, D 2009

Verleih: Constantin Film
Genre: Kinderabenteuer
Regie: Christian Ditter
Darsteller: Nick Romeo Reimann, Fabian Halbig,
Leonie Tepe, Manuel Steitz, Jacob Matschenz,
Axel Stein, Oktay Özdemir, Maria Schrader,
Smudo, Nora Tschirner
Kinostart: 26. 03.2009

An Jorgo zeigt sich zudem einer der bezeichnenden Unterschiede zum ersten Film. Wo Ausländerintegration in den 70ern noch ein strittiges und schwieriges Thema war - Stichwort "Makkaronis", ist im aktuellen Film ein Grieche in der Bande. Hier wird der Film der Buchvorlage nicht ganz gerecht, da nicht ganz klar wird, warum ein Grieche akzeptiert wird, die Albaner aber nicht. Die Differenzierung ist zu schwammig.

Doch das ist nebensächlich angesichts der Action, dem Familienleben und der Freundschaft unter den Krokodilen, die eindeutig im Vordergrund stehen. Auch wenn die jungen Darsteller teilweise jeglichen Klischees entsprechen – top-modern mit Sonnenbrille, Handy, Skateboard und Kopfhörern – und die Actionsequenzen auf Indiana Jones'sche Maßstäbe hochgeschraubt werden - die Emotionalität geht darin nicht vollständig unter. Dazu trägt maßgeblich die gut gecastete Schauspieler-Riege bei. Mit der Auswahl seiner Hauptdarsteller Nick Romeo Reimann als Hannes und Fabian Halbig als Kai hat Christian Ditter ein feines Gespür bewiesen. Nicht nur im Zusammenspiel überzeugen sie, auch die schwierigeren Familienszenen kommen sympathisch rüber. Unter der Erwachsenen Darstellern zeigt Nora Tschirner als Hannes Mutter zur angenehmen Abwechslung, dass es auch ohne große Klappe geht und Smudo gibt den jung gebliebenen Familienvater.

Eine Entdeckung in der Besetzung als Fiesling ist Jakob Matschenz, der Franks älteren Bruder Dennis spielt. Er begeht mit seinen zwei Freunden die Diebstähle. Wo Matschenz sonst eher die ruhigen und sensiblen Charaktere mimte, wird er hier vor der Kamera zum ungehobelten, aggressiven und unberechenbaren Taugenichts.

Für Kinder ist der Film Abenteuer pur und bietet alles was das Herz begehrt: Action, Spannung, coole Musik, Verfolgungsjagden, Humor und sogar ein bisschen Liebe. Schade ist nur, dass Christian Ditter über das Ziel hinaus schießt. Der Witz ist zu plakativ, die Action zu unglaubwürdig. Dadurch verliert der Film viel an natürlichem Esprit. Warum müssen die Polizisten begriffsstutzig und die Jungs der Gaunerbande strohdumm sein?

Hier macht Die Vorstadtkrokodile Abstriche hinsichtlich Realitätsnähe und dem eigentlichen Ernst des Themas, das in der Buchvorlage von Max von der Grün herausgearbeitet wurde. Über das Popcorn-Kinoerlebnis hinaus wäre mit ein bisschen weniger Klamauk mehr zu erreichen gewesen. Der Widerspruch zwischen einer einerseits abgeklärten und erfahrenen Jugend zu diesen weltfremden Szenen ist leider nicht ganz nachvollziehbar. Und das kommt nicht nur aus dem Mund eines älteren Zuschauers, dem der Ton von Kindersprache nicht mehr vertraut ist.

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