Campus-Web Bewertung: 3/5
   
 

   
 

   
Irgendwie ist er einfach im falschen Leben aufgewacht. Campino, Sänger und Frontmann der Chaoten-Punkband "Die Toten Hosen", mimt Finn, einen erfolgreichen und stilbewussten Starfotografen, der mit seinem hippen Leben nicht so recht warm werden will. Außen ist er kreativ, angesagt und erfolgreich, innen orientierungslos und gleichgültig. "Alles ist nur Oberfläche", lehrt er die Studenten an der Kunstakademie. Schlaflosigkeit und der Lärm der Großstadt haben den Punker in seiner Seele geknebelt. "Ich hab so eine Sehnsucht, dass sich was verändert", sinniert er als stiller Romantiker, "am besten alles." Und weil er sich so leblos fühlt, ist er aufs Leben draußen angewiesen. Mit seiner Fotokamera hält er es ständig fest und sobald er allein ist, saugt er den Puls der Musik durch seine Kopfhörer ein wie Medizin.

Doch eines Tages packt ihn eine merkwürdige Obsession: das nächste Modeshooting verschiebt er kurzerhand in die nordsizilianische Stadt Palermo – warum, kann er selbst nur ahnen. Als "Mutter aller Häfen" steht Palermo nämlich für den "Hafen", in den jedes Leben einläuft: den Tod. Und auch "Shooting" ist in Palermo doppeldeutig. Denn nach seiner Fotosession wird Finn von einem mysteriösen Bogenschützen verfolgt, den er zufällig fotografiert hatte. Der aber ist niemand anderes als Gevatter Tod persönlich. Finn jagt ihn ab sofort in seiner Traumwelt durch M.C.-Escher-Treppenhäuser, die italienische Altstadt und einsame Kais. Unterwegs verliebt er sich noch in die Restauratorin Flavia (Giovanna Mezzogiorno), bevor er schließlich dem Sensenmann gegenübertritt.
Palermo Shooting (The Palermo Shooting), Deutschland 2008
Verleih: Senator
Genre: Drama
Filmlaufzeit: 124 min
Regie: Wim Wenders
Darsteller: Campino, Dennis Hopper, Giovanna
Mezzogiorno, Gerhard Gutberlet
Kinostart: 20.11.2008


Regisseur Wim Wenders ließ schon eine ganz besondere Ironie für seine Hauptrolle walten. Campino, der einst in fröhlichster Saufmanier ins Mikro grölte, "Einer für alle, alle für einen, / wenn einer fort ist, wer wird denn gleich weinen? / Einmal trifft's jeden, ärger dich nicht, / so geht's im Leben, du oder ich", schlägt sich hier mit barocken Vergänglichkeitsthemen herum und mit Weisheiten, wie: "Die Angst vor dem Leben ist die Angst vor dem Tod". Mitten in einem komplexen und skurrilen Geflecht aus Künstlerporträt und Existenzfragen wird das Idol aller Deutschpunker einsam und verlassen ausgesetzt. Ob Campino das mit seinem "Arsenal" aus höchstens zweieinhalb Gesichtsausdrücken auch schauspielerisch packt, ist dabei fast schon egal. Finn muss nämlich ein distanzierter Sonderling sein, um sich mit dem Tod anzulegen. Der wiederum gefällt sich am Schluss sogar als Kulturkritiker, wenn er den Verlust von Wirklichkeit im Zeitalter digitaler Medien beklagt. Das ist leider ebenso dick aufgetragen wie viele der bedeutungsschwangeren Dialoge. Die Stärke des Films besteht weniger in seiner Moral, als vielmehr im atemlosen Pendeln zwischen farbenfroher Realität und düster-beklemmender Traumwelt. Erst an dem Punkt, wo beides ineinander verschwimmt, erzählt der Film seine ganz persönliche Story: eine Geschichte, so unwirklich, dass sie sich nicht mehr nacherzählen lässt.

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