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Es gibt neues aus dem Hause Disney: Wall-E, natürlich wieder ein Animationsfilm. Ein bemerkenswerter Film. Empfehlenswert, nicht nur wegen seiner genialen Optik, seinen charmanten "Hauptdarstellern", seiner Musik, seinem Sound. Viel mehr wegen seiner erschütternden Botschaft. Erschütternd ist aber wohl viel mehr, dass diese im Land seiner Herkunft, den USA, wahrscheinlich gar nicht wahrgenommen wird. Die Erde ist ein unbewohnbarer Planet geworden. Wir schreiben das Jahr 2700. Kein Mensch, fast kein Lebewesen befindet sich mehr auf ihr. Lediglich ein einsamer, kleiner Müllroboter, Wall-E, verrichtet wahrscheinlich seit Jahrhunderten seinen ewig gleichen Dienst, stapelt gigantische Wolkenkratzer von Metall, Abfällen, Verrottetem und Weggeworfenem. Dafür wurde er programmiert, dies ist seine Bestimmung (denkt er - das kann er zum Teil). Zurückgelassen auf dem Planeten Erde, der einzige "Überlebende" aller Müllroboter. Ein E.T. aus Metall. Sein einziger Freund: eine kleine Kakerlake (diese Viecher überleben alles). Eines Tages taucht ein Raumschiff auf und hinterlässt eine kleine, lupenrein weiße Drone. Sie wurde ausgesandt, um nach Pflanzen zu suchen. Sauerstoffproduzierendem Leben. Und sie findet eine, entdeckt von Wall-E. Ein kleines grünes Etwas, das inmitten der verfallenen Hochhäuser, heruntergekommen Strassenzügen, in einer ganz in Gelb-Braun gehaltenen Szenerie wie der Erlöser wirkt. Das Zeichen, dass auf der Erde wieder Leben gedeihen kann. Die Drone schickt eine Botschaft an das Raumschiff, welches zurückkehrt um sie wieder an Bord zu nehmen. Wall-E springt auf und wird, als kleiner, mechanischer Roboter zum Retter der "Mensch"heit. Diese fristet auf einer gigantischen Raumstation im All ihr tristes Dasein. "There is enough space in space!" verkündet B'n'L (By and Large), der Megakonzern, der hier alles am Laufen hält. Für die verbliebenen Menschen. Menschen? Verkümmerte Knochen, aufgedunsene Körper, unfähig zur Bewegung, getragen von fliegenden Sesseln, stets ein Becher mit trinkbarem Essen in der Hand und ein Bildschirm vor der Nase, über den sie mit den neben ihnen fliegenden Nachbarn kommunizieren. Weiterhin unterhalten von riesigen Leinwänden, auf denen Werbung und anderes Geriesel läuft. Eine ganz und gar sterile, durchgestylte Welt. Irgendwie kommt einem das plötzlich fast ein wenig bekannt vor... Es stellt sich heraus, dass die Mission, das Pflänzchen als Zeichen der wieder zum Leben erweckten Erde an Bord zu holen, von den zahlreichen Robotern und Maschinen an Bord der Raumstation boykottiert werden soll. Dies gilt es zu verhindern, und so setzen Wall-E, EVE (so heißt die Drone, sie ist natürlich "weiblich"), und der aus dem Dusel der Menschheit herausgerissene fette Captain der Raumstation alles daran, das Pflänzchen seiner Bestimmung zuzuführen. Gelingt es, es in einen dafür vorgesehenen Zylinder zu verfrachten, in dem es am Leben gehalten werden kann, so nimmt die Raumstation Kurs auf die Erde, um sie wieder zu bevölkern. Es gelingt natürlich, und damit nimmt man sicher nicht zuviel vorweg, und Wall-E und EVE erleben eine Romanze allzu menschlicher Ausprägung. Das ganze klingt sicher etwas abstrus, vielleicht kitschig, aber der Film ist schlicht herzzereissend an manchen Stellen, außerordentlich sympathisch und ungewöhnlich aufrüttelnd. Vielleicht habe ich als Gastkritiker ihn aber auch nur so intensiv erlebt, weil mir während eines Besuchs der Vereinigten Staaten unweigerlich Parallelen aufgefallen sind, die augenscheinlicher nicht hätten werden können, als dort, wo ich den Film gesehen habe: In einer riesigen Mall im Norden von Dallas. Wall-E - Der letzte räumt die Erde auf (Wall-E), USA 2008 Verleih: Buena Vista Genre: Animationsfilm/Komödie Filmlaufzeit: 98 min Regie: Andrew Stanton Deutsche Sprecher: Timmo Niesner, Luise Helm, Bernhard Völger, Markus Maria Profitlich Kinostart: 25.09.2008 Malls. Gigantische, sterile, von Menschenhand geschaffene Lebenszentren, die Amerikanern offenbar das geben sollen, was sie von Natur aus nicht haben können. Stadtzentren, Orte der Zusammenkunft, des Aufeinandertreffens, des Einkaufens, Flanierens, Essens, Trinkens, Unterhaltenwerdens. Bei uns nennt man das gerne mal "Altstadt", "Südstadt", "Fußgängerzone", oder auch mal "Marktplatz". Ich trete also aus dem Kino, fahre die Rolltreppe herunter (es gibt keine Treppe, außer der am Notausgang!), und stehe da und muss erneut sehen, was mir soeben im animierten Film vor Augen geführt wurde. Eine automatisierte, klimatisierte, bequeme Welt für entfremdete Menschen, die sich von Natur und Herkunft so sehr entfernt haben, dass sie an einem verzaubernden, Mozarts Türkischen Marsch innig spielenden jungen Mann einfach so vorbeilaufen ohne Notiz von ihm zu nehmen, mit einem 1-Liter-Styroportrinkbehälter in der Hand, in dem sich mit Sicherheit kein naturbelassener, frischgepresster Orangensaft befindet, auf der Suche nach dem nächsten Starbucks, in dem sie diesen Becher entsorgen können, um sich den nächsten zu schnappen, in den sie sich eisgekühlte Venti Latte mit Mocha und Karamell füllen lassen. Diese Menschen sind dick, sie haben teilweise Mühe, sich zu bewegen. Es fehlt nicht mehr viel, das sage ich Euch. Bedauerlich. Bedauerlich, dass der Film sie lediglich unterhalten haben wird, anstatt sie zum Nachdenken anzuregen. Aber was soll man tun? Außer in seinen klimatisierten Wagen zu steigen, um 500 Meter nach Hause zu fahren. Weil zugegebenermaßen draußen um 21:30 Uhr immer noch unerträgliche 39.4 Grad Celsius herrschen, wie mein Gefährt mir mitteilt. Wie soll man es da auch aushalten, ohne sich eine künstliche Welt zu schaffen, die einem alles bietet was man braucht. Hm. Wirklich alles? Genießt was ihr habt, meine lieben europäischen Freunde! Info: Tobias Göbel studierte Kommunikationsforschung und Phonetik an der Uni Bonn und arbeitet seit 2003 als Projektmanager für die Firma VoiceObjects. Während einer Geschäftsreise in die Vereinigten Staaten betätigte er sich als Gastredakteur für campus-web.de und schaute sich für euch schon mal den neuen Disney-Hit an.
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