Campus-Web Bewertung: 5/5
   
 

   
 

   
Juhu! Alle Jahre wieder findet in acht deutschen Großstädten, darunter auch Köln, das Fantasy Film Fest (kurz: FFF) statt. Dabei werden den Filmfans in entsprechenden Multiplex-Kinos rund 100 Filme präsentiert, die nicht unbedingt etwas mit "Fantasy" am Hut haben müssen. Neben einer Menge an (trashigen bis grandiosen) Horrorfilmen finden sich auch Thriller, Animes, Martial-Arts-Filme oder abgedrehte Komödien im Programm wieder, außerdem sind die Veranstalter bemüht, jedes Jahr ganz spezielle Genre-Klassiker auszugraben und sie - oft als Deutschland-Premiere - auf die große Leinwand zu bringen. Auch dieses Jahr liest sich das Programm viel versprechend und als Fan hat man durchaus die Qual der Wahl, welchen der Filme man sich denn nun auch angucken soll.

Meine erste Wahl fiel auf The Midnight Meat Train, die neueste Verfilmung einer Clive Barker - Kurzgeschichte: Der künstlerisch ambitionierte Fotograph Leon Kauffman befasst sich mit den dunklen und hässlichen Schattenseiten des Großstadtlebens im "Big Apple" New York. Eine bekannte Galeristin begutachtet seine Werke und macht Leon die Offerte, seine Fotos in ihrer Galerie zu präsentieren, wenn es ihm gelänge, noch härtere und morbidere Fotos zu schießen. Motiviert macht sich Leon an die Arbeit und durchstreift allnächtlich die heruntergekommenen Gegenden seiner Stadt auf der Suche nach Motiven.
Auch ein anderer Bewohner New Yorks geht speziell nachts seiner Arbeit sehr engagiert nach: Ein wortkarger, bulliger Mann im Anzug - hauptberuflich Schlachter - lauert Passagieren in leeren Bahnwaggons auf, erschlägt sie mit einer Art Hammer, entfernt alle Haare von den Körpern der Leichen und hängt sie im zum Schlachthaus umfunktionierten Waggon an Fleischerhaken nebeneinander auf. Dann verschwindet der "Midnight Meat Train" in der Dunkelheit des U-Bahn-Tunnels.
Eines Nachts treffen die beiden Nachtschwärmer aufeinander und Leon, der von den Morden gehört hat, ist sich sofort sicher, dass er den Täter entdeckt hat. Ein gefährliches Katz- und Maus-Spiel zwischen den beiden Männern beginnt.

Eine sehr gute Wahl - dieser Film! Der japanische Regisseur Ryuhei Kitamura (Azumi, Versus, Godzilla - Final Wars) hat es geschafft, Clive Barkers Kult-Kurzgeschichte, "Der Mitternachts-Fleischzug" (aus dessen "Ersten Buch des Blutes"), angemessen und sehr ansprechend als Film umzusetzen. Man findet sich als Genre-Kenner sehr schnell in der vertrauten Welt des "Erwachsenen-Horrors" Clive Barkers wieder: Alles ist richtig schön heruntergekommen und dreckig, die Sonne scheint nie, die wenigsten Menschen dieser Welt sind Sympathieträger. Selbst das Polizeirevier ist absolut verdreckt und dunkel. Und die Polizistin, an die sich Leon Hilfe suchend wendet, ist definitiv von Beginn an mehr als verdächtig. Teenagerproblematiken oder auflockernden Humor gibt es in der Welt des Clive Barker übrigens auch nicht. Ryuhei Kitamuras Verfilmung versprüht dieselbe Atmosphäre wie die literarische Vorlage. Außer Clive Barker selbst - er führte Regie bei Hellraiser, Nightbreed und Lord of Illusions - ist es, mit Ausnahme von Bernard Rose (Candyman´s Fluch) bisher keinem Regisseur so gut wie Kitamura gelungen, Barkers Horrorgeschichten filmisch zu adaptieren.

The Midnight Meat Train, USA 2008
Verleih: Universal Pictures
Genre: Horror/Mystery
Laufzeit: 85 min
Regie: Ryuhei Kitamura
Darsteller: Bradley Cooper, Leslie Bibb,
Vinnie Jones, Brooke Shields,Roger Bart,
Peter Jacobson
Deutscher Kinostart: nicht bekannt

Ein weiterer Pluspunkt sind die Darsteller: Bradley Cooper, der den Protagonisten Leon verkörpert, macht seine Sache ordentlich, bloß am Ende könnte man meinen, dass er der Rolle doch nicht so ganz gewachsen ist. Leslie Bibb kann als Leons Freundin nur einigermaßen überzeugen, dafür ist Vinnie Jones als Schlachter allerdings einmalig gut. Topdarstellung, Vinnie! Langsam mausert sich der privat anscheinend sehr sympathische Brite zu einem der ganz großen Bösewichtsmimen Hollywoods. Schon in The Condemned - Die Todeskandidaten war Vinnie ein richtig fieses Arschloch, seine Darstellung als Mitternachtszug-Schlachter ist nur noch böse, bedrohlich und eiskalt - Einen Großteil seiner Spannung hat der Film alleine Vinnie Jones zu verdanken. In Nebenrollen sind Brooke Shields und Roger Bart (einer der Killer aus Hostel 2) zu bewundern, außerdem auch Sam Raimis kleiner Bruder Ted Raimi, der einen schön blutigen Tod stirbt. Wo wir bei den Splattereffekten wären! Ein für Horrorfans nicht ganz unwesentlicher Aspekt. Die Buchvorlage ist zwar deutlich expliziter, Splatterfans kommen trotzdem voll auf ihre Kosten. Kitamura hat nämlich einige Todesszenen sehr innovativ inszeniert. Gleich zweimal darf der Zuschauer Mordszenen aus der Sicht des Opfers mitverfolgen. Wer also schon immer wissen wollte, wie es aussieht, wenn man selber ausblutet oder wenn man geköpft wird, sollte diesen Film nicht verpassen. Blut gibt’s reichlich zu sehen und einige härtere Szenen wurden vom FFF-Publikum mit spontanem Jubel honoriert.

The Midnight Meat Train ist ein echter Knaller und erfüllt alle Voraussetzungen, um mal ein Horrorklassiker zu werden. Obwohl die Story für die Verfilmung etwas gestreckt, um Nebenpersonen bereichert und etwas entschärft wurde, kann der Film auch Kenner der Buchvorlage noch begeistern und spannend unterhalten. Mit Sicherheit laufen beim FFF nicht viele Filme diese Kalibers und wer noch die Möglichkeit hat, den Film in einer anderen Stadt im Rahmen dieses Festivals zu sehen, sollte die Gelegtheit nutzen, bevor sich die deutsche Zensur über den Film hermacht. Auf dem FFF laufen alle Filme übrigens in der ungeschnittenen Originalfassung, gegebenenfalls (z.B. bei asiatischen Filmen) mit englischen Untertiteln.

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