Campus-Web Bewertung: 4/5
   
 

   
 

   
Seit Wochen beherrscht der "Dunkle Ritter" bereits die Medien. Jeden Tag eine neue Meldung über Rekorde an den Kinokassen, immer mehr Legenden und Mythen um die Entstehung des Films und natürlich um das mysteriöse, viel zu frühe Ableben Heath Ledgers werden erschaffen. Ein nie gesehener Hype wächst von Tag zu Tag, die Erwartungen könnten kaum größer sein. Endlich können sich auch die deutschen Kinozuschauer selbst ein Bild davon machen, ob The Dark Knight wirklich DIE beste Comicverfilmung aller Zeiten ist.

Christopher Nolan setzt seinen in Batman Begins eingeschlagenen Weg konsequent fort und serviert eingefleischten Comicfans einen deutlich dunkleren und ernsthaften Film, der sich von den üblichen Genrevertretern visuell und inhaltlich deutlich abhebt.

The Dark Knight beginnt dort, wo Batman Begins aufgehört hat: Batman alias Bruce Wayne (Christian Bale) fühlt sich zwar weiterhin dazu berufen, Gotham vom Verbrechen zu befreien, wird aber zunehmend des Jagens müde und hofft, in dem neuen Staatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckhart) einen würdigen Nachfolger zu finden, dem es gelingen wird, Recht und Ordnung zu bewahren, ohne dabei gesetzliche Grenzen überschreiten zu müssen. So könnte Batman das Fledermauskostüm ausziehen und wieder ganz Bruce Wayne sein, ein "normales" Leben führen, am besten an der Seite seiner großen Liebe Rachel Dawes (Maggie Gyllenhaal), die aber unglücklicherweise gerade mit Harvey Dent liiert ist. Doch niemand hat in Gotham mit dem Joker (Heath Ledger) gerechnet – ein Verbrecher von einem ganz neuen Kaliber, der weder Skrupel noch Moral kennt und dabei nur ein einziges Ziel vor Augen hat: Gotham City ins absolute Chaos zu stürzen. Sein auserwählter Lieblingsfeind ist kein anderer als Batman, den er immer wieder herausfordert. Der gerät dabei immer mehr an seine emotionalen und moralischen Grenzen. Der Joker ist ein Feind, der seinesgleichen sucht: unberechenbar, eiskalt und dabei hochintelligent. Er kennt keine Regeln, keine Angst, keinen Schmerz, überrascht mit ausgeklügelten "sozialen Experimenten" und genießt es, zu manipulieren und zu betrügen. Er ist "DAS BÖSE" schlechthin.

Doch wer meint, hier nur ein Duell zwischen dem Joker und Batman zu sehen, der hat sich getäuscht. Die Handlung des Films ist äußerst komplex. Nolan, der gemeinsam mit seinem Bruder Jonathan das Drehbuch verfasste, zeichnet hier ein vielschichtiges Bild des Amerikas von heute, das vom Terrorismus traumatisiert nach Wegen aus dem Chaos sucht und dabei immer wieder Grenzen überschreitet und sich oft am Rande von Legalität und ethisch Vertretbarem bewegt. Offensichtliche Parallelen zu Ground Zero zeigt schon das offizielle Filmplakat, auf dem der dunkle Ritter vor einem Turm steht, in dem das an Flugzeugflügel erinnernde Fledermauszeichen brenn. Nolan trifft mit seiner Geschichte scheinbar mitten ins verwundete Herz der amerikanischen Nation und lässt seinen traurigen Helden nach Wegen aus dem Chaos suchen und ihn dabei immer wieder scheitern.
The Dark Knight, USA 2008
Verleih: Warner
Genre: Comicverfilmung
Laufzeit: 152 min
Regie: Christopher Nolan
Darsteller: Christian Bale, Heath Ledger, Aaron
Eckhart, Gary Oldman, Maggie Gyllenhaal,
Michael Caine, Morgan Freeman, Eric Roberts
Kinostart: 21.08.2008


Nolan pfeift auf Hollywood-übliche Strickmuster und beweist Mut, indem er eine Hauptfigur sterben lässt und auch sonst einige Überraschungen bereithält. The Dark Knight überzeugt mit perfekt choreographierten Actionszenen, kühler Optik und jeder Menge neuen Spielereien. Heißeste neue Erfindung ist Batmans "Batpod", dass wohl jedes Männerherz höher schlagen lassen wird. Zudem wartet der Film mit einer Besetzung auf, die ihresgleichen sucht, auch wenn nicht alle der Top-Darsteller ihr ganzes Potential zeigen können. So sind die Auftritte von Waynes Mentor Lucius Fox (Morgan Freeman) und Butler Alfred (Michael Caine) viel zu kurz geraten und auch Maggie Gyllenhaal als Rachel Dawes, (die Katie Holmes gegenüber eine deutliche Verbesserung ist), bleibt auf die Rolle der starken, aber auch verzweifelten Frau zwischen zwei Männern reduziert. Selbst Christian Bale hätte man etwas mehr Präsenz gewünscht, doch sie alle stehen mehr oder weniger im Schatten des Jokers, was jetzt keine Wertung der Schauspielkunst sein soll.

So wie der Joker Gotham City mit Chaos überzieht, beherrscht Ledgers Spiel den gesamten Film. Die bizarre Clownsschminke, die die schrecklichen Narben verdecken und damit grausame Erinnerungen übertünchen soll, lässt nur wenig Mimik zu. So agiert Ledger umso mehr mit großen Gesten, die fast an die übertrieben theatralischen Darstellungen der Stummfilmzeit erinnern. Trotz aller Boshaftigkeit und Grausamkeit gelingt es ihm, dem Zuschauer ein Lachen abzuringen und ruft sogar einen kleinen Hauch von Mitleid hervor. Ledgers Darstellung des Jokers führte zu immer wilderen Spekulationen, er habe sich zu sehr mit der Rolle des absolut Bösen identifiziert und das nicht verkraftet. Viele sehen darin den wahren Grund für sein viel zu frühes Ableben und der Oscar ist ihm wohl sicher. Ob nun wirklich aufgrund der schauspielerischen Leistung, wobei außer Frage steht, dass Ledger einer der besten Schauspieler seiner Generation war, oder doch mehr aufgrund der tragischen Ereignisse, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben.

Nolan, der zu den innovativsten Regisseuren überhaupt zählt, hat mit The Dark Knight gute Kinounterhaltung geschaffen, die Action mit Tiefgang verbindet und jede Menge Spielraum für Interpretationen bietet. Dennoch ist er dabei wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen. Trotz zahlreicher Handlungsstränge, jeder Menge Hauptfiguren und Batmans Ausflug ins für ihn äußerst exotische Hongkong hat der Film mit einer Gesamtspielzeit von 152 Minuten durchaus seine Längen. Dabei wünschte man sich einige Nebenhandlungen durchaus ausfühlicher und manche charakterlichen Entwicklungen noch intensiver. Nolans Ideen hätten locker für zwei Filme gereicht. Insgesamt ist The Dark Knight aber ein lohnender Kinogenuss, was neben der unschlagbar guten Darstellerriege auch an dem hervorragenden Soundtrack liegt, der immer wieder trotz sommerlicher Temperaturen für Gänsehautmomente sorgt. Im Gegensatz zum comic-typischen kraftvollen Gewummer von Comic-Soundtrack-Spezialist Danny Elfman finden Hans Zimmer und James Newton Howard deutlich zurückhaltendere Töne, die die jeweiligen Stimmungen und Situationen perfekt unterstreichen.

Es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass der fiese Joker bei den deutschen Fans ähnliche Begeisterungsstürme hervorrufen wird wie in den Staaten. Und so bleibt uns allen schon mal die Vorfreude auf Batman a la Nolan Teil 3.

Lest auch unseren Kommentar zum Kinostart.

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