Campus-Web Wertung: 3,5/5
   
 

   
 

   
Selbst Murmeltiere sind nach den ersten Filmminuten überzeugt – Indiana Jones (Harrison Ford) schafft es trotz seines inzwischen fortgeschrittenen Alters immer noch ohne weiteres, seine Umwelt ins Chaos zu stürzen. Erst entkommt er unter den Augen der wachsamen Nager ganz im Stile James Bonds einer Truppe Säbel- und Maschinengewehr schwingender Russen, die in Area 51 eingebrochen sind, dann mit Hilfe eines Kühlschranks einer Atomexplosion, an der Caddyshack-Platzwart Carl Spackler seine wahre Freude gehabt hätte. Wenn ein Film schon so bombastisch beginnt, ist ja eigentlich klar, was den Zuschauer erwartet: viel Action und eine äußerst unter- beziehungsweise in diesem Fall außerirdische Handlung.

Denn die Russen unter Führung der eiskalten Parapsychologin Irina Spalko (Cate Blanchett) stehlen aus dem bekanntesten Geheimversteck der USA einen magnetischen Alien-Kristallschädel, der die Macht der verschollenen Stadt Akador birgt. Hilfe erhalten sie dabei von Indys altem Freund Mac (Ray Winstone), der allerdings nur an einem interessiert ist: Gold. Denn laut der Legende ist Akador, das legendäre El Dorado, vollständig aus dem Edelmetall erbaut.

Zurück am Marshall College trifft der Vorruheständler Jones auf den jungen Marlon-Brando-Verschnitt Mutt (Shia LaBeouf), der ihn um Hilfe bittet: ihr gemeinsamer Bekannter Professor Oxley (John Hurt) und Mutts Mutter Marion Ravenwood (Karen Allen; Indy-Fans kennen sie aus Jäger des verlorenen Schatzes) werden von den Bösewichten bedroht, um ihnen bei der Suche nach der goldenen Stadt zu helfen. Irgendwie gelang es Oxley, mit dem Kristallschädel zu entkommen und diesen zu verstecken. Wo, kann natürlich nur Indy herausfinden. Also geht’s los, auf ins Abenteuer – das ab diesem Zeitpunkt leider immer mehr in eine Senioren-Variante von Tomb Raider abdriftet. Während die Rätsel, die die Schatzsucher zu lösen haben, wie gewohnt zwar technisch raffiniert aber intellektuell belanglos sind, nimmt die Handlung einen mystischen Touch an, der an eine Mischung aus Akte X und E.T. erinnert. Der Kristallschädel hat bereits Oxley hypnotisiert und versucht dasselbe nun bei Indy. Sein Befehl lautet, ihn nach Akador zu bringen (wo doch sowieso alle hinwollen), von wo aus er nach Hause telefonieren kann. Immerhin handelt es sich bei dem Besitzer des Schädels um ein transdimensionales Wesen, das zusammen mit ein paar Artgenossen für sämtliche kulturellen Errungenschaften der frühen Zivilisationen verantwortlich ist. Sonst wäre die Menschheit wohl dumm geblieben. Ist das auch ohne Kristallschädel verständlich?

Gut, zugegeben – der neue Indiana Jones unterhält.
Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels (Indiana Jones and the kingdom of the crystal skull)
USA 2008

Verleih: UIP
Genre: Abenteuer
Laufzeit: 122 min
Regie: Steven Spielberg
Darsteller: Harrison Ford, Cate Blanchett, Karen Allen, Shia LaBeouf, Ray Winstone, John Hurt
Kinostart: 22.05.2008
Dies liegt jedoch mehr an verschiedenen gut gemachten Gags, Anspielungen auf das Alter des Star-Archäologen und grandiosen Landschaftsaufnahmen als an einer gelungenen Story. Wenn Indy im Treibsand versinkt und Mutt ihm eine dicke fette Schlange als Rettungsseil zuwirft, muss man einfach nur grinsen. Oder wenn Mutt in Tarzan-Manier zusammen mit einer Horde Affen, die ihn spontan als Anführer akzeptiert haben, durch den Urwald schwingt, während ähnliche Bemühungen Indys mit Hilfe seiner Peitsche eher schief gehen. Die Selbstironie der Filmcrew ist an solchen Stellen unübersehbar. Auch die Szenen am College machen einfach Spaß, erwecken George Lucas und Steven Spielberg dort doch die wunderbare Welt der 50er mit einer Leichtigkeit zum Leben, die bedauern lässt, dass die gesamte zweite Hälfte des Films (natürlich) im Urwald spielt. In dem mit Action-Szenen dominierten Teil sind schauspielerische Glanzleistungen nur spärlich gesät. Harrison Ford spielt den gealterten Abenteurer souverän wie immer, bietet aber ebenso wie Cate Blanchett als (leider nicht durchgeknallte) russische Pseudo-Wissenschaftlerin keine großen Überraschungen. Auch die anderen Darsteller liefern eine solide Arbeit ab – mit Ausnahme von John Hurt. Der britische Mime überzeugt als (diesmal wirklich durchgeknallter) Irrer, der als einziger den Weg nach Akador kennt und erst gegen Ende der Reise wieder in die Normalität zurückkehrt.

Letztlich ist es schade, dass George Lucas und Jeff Nathanson ihre Finger nicht aus der Kiste mit den Alien-Zutaten lassen konnten. Sonst hätte Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels ein wirklicher Knüller werden können. Fans werden sich von diesen Worten mit Sicherheit nicht entmutigen lassen, ebenso wie alle Anhänger von Lara Croft und Jack T. Colton (Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten). Bei allen anderen müssen wohl die hypnotischen Kräfte des Kristallschädels ihren Dienst tun – das Niveau von Indiana Jones und der letzte Kreuzzug erreicht der Nachfolger nämlich leider nicht.

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