Diesmal begaben sich gleich zwei campus-web Redakteure (Anita und Dimitrios) auf die Reise zum mehrfach Oscar-Prämierten (bester Film, beste Drehbuchadaption, bester männlicher Nebendarsteller) und neuestem Streich der Coen-Brüder. Doch bevor euch jeder sein persönliches Voting für diesen Film verrät erst einmal ein paar Fakten:

„No Country for Old Men“ ist die filmische Umsetzung einer der erfolg- und gesellschaftlich einflussreichsten Romane von Pulitzer-Preisträger Cormac McCarthy. Literaturvorlage und Film weisen gleichermaßen die Struktur eines metaphysischen Westerns auf. Die Charaktere wirken wie Schattierungen von Gut und Böse. Eigentlich ist aber kaum etwas eindeutig dies oder eindeutig das – sehr typisch für die Coens. Vieles kommt immer wieder anders als erwartet und viele lange Einstellungen mit wenigen Schnitten bauen eine enorme Spannung auf, die dem Zuschauer einiges abverlangt.

Die Story spielt in den 80er Jahren in einer verlassenen Gegend in Texas nahe der mexikanischen Grenze. Wo früher gewaltige Viehherden grasten, treffen sich heute Drogen-Barone, um ihre Geschäfte abzuwickeln. Manche dieser Transaktionen enden jedoch in einem Desaster, bei dem sich die „Handelspartner“ zum Schluss alle gegenseitig massakrieren. Über solch ein Szenario stolpert der Protagonist Josh Brolin (Llewellyn Moss). Eigentlich auf der Antilopen-Jagd, entdeckt er zunächst ein paar Trucks, die inmitten der Einöde parken und beim Blick durchs Fernglas einen Haufen kugelzerfetzter Körper am Boden. Statt Fersengeld zu geben und schnellstmöglich den Sheriff zu verständigen, zieht ihn eine unsichtbare Kraft zu der Stätte des Grauens. Einer der Männer, allesamt Mexikaner, lebt sogar noch und bittet um Wasser.

Moss untersucht die Wagen, findet auf einer der Ladeflächen eine große Menge Drogen. Dort wo Drogen sind muss auch Geld sein denkt er sich. Doch davon keine Spur. Die Rechnung geht so nicht auf. Einer der Männer muss sich mit dem Geld davon geschleppt haben. Moss sucht nach einer Fährte, findet diese und macht sich an die Verfolgung. Und tatsächlich, unter einem der wenigen Schatten spendenden Bäume in dieser Steppenlandschaft, findet sich ein weiterer Toter. Der Mann hatte sich schwer verletzt, mit samt einem großen schwarzen Koffer, vom Ort des Massakers fort geschleppt und sich zum Sterben niedergelegt.

Moss nimmt den Koffer an sich. Träumt für sich und seine Frau von einer besseren Zukunft. Dieses Geld aber gehört einem Verbrechersyndikat und dieses will nicht einfach darauf verzichten. Der psychopathische Killer Javier Bardem (Anton Chigurh) heftet sich an Moss Fersen. Es entwickelt sich ein mörderisches Duell zwischen den beiden, indem Moss seinem überlegenen Kontrahenten lange Zeit Paroli bieten kann.

Eine merkwürdige Rolle in diesem Katz und Maus Spiel kommt Tommy Lee Jones (Sheriff Bell) zu. Desillusioniert und von jahrzehntenlangen Kämpfen mit Verbrechern, zermürbt und müde, ist er sowohl Killer, Koffer und dem untergetauchten Moss auf der Spur. Bemüht sich um die Entwirrung dieses Dramas und will, da er im Herzen natürlich ein Guter ist, Moss helfen heil aus dieser Sache herauszukommen. Irgendwie fehlt ihm aber der richtige Drive oder das richtige Timing. Vielleicht möchte er aber einfach nur noch die wenige Zeit bis zum Ruhestand gesund und lebendig überstehen. Jedenfalls ist er meist entweder am falschen Ort oder zum falschen Zeitpunkt am Schauplatz des Geschehens.

Hiermit sei auch genug über den Film verraten. Schließlich wollen wir euch Appetit machen und nicht die ganze Handlung enthüllen. Hier also unsere Votings:

Voting 1, Anita:

Die Brüder Coen schaffen es in diesem Film mal wieder ein absolutes Meisterwerk mit einem Minimum an Effekten, banalen Dialogen und einer kaltblütigen Story zu schaffen. Die blutrünstige Geschichte ist zwar absolut präsent, läuft aber durch die Ruhe der Darsteller irgendwie nur nebenher. Statt aufgestylter Möchtegern-Actionfigur ist ein White-Trash Bewohner eines Wohnwagenparks in Texas in der Hauptrolle. Das wirkt unpoliert und nicht aufgesetzt. Genau das scheint das Erfolgskonzept der Beiden zu sein und macht den Charme ihrer Filme aus.
Dieses belanglose Drumherum im Kontrast zu absoluter Härte und Gewalt berührt den Zuschauer. Während einem in einigen Szenen durch die gewaltreichen Darstellungen das Popcorn im Halse stecken bleibt, gibt es aber auch wieder genügend, in denen man trotz der Härte über den trockenen und dunklen Humor der Coens schmunzeln muss.
No Country For Old Men ist nichts für schwache Nerven. Filmliebhaber der etwas härteren Gangart können hier aber definitiv auf ihre Kosten kommen. Vor allem die, die nicht nur auf Story und genug Action achten, sondern auch auf eine gelungene szenische Darstellung großen Wert legen. Denn darin sind die Coens auf jeden Fall Meister. Nach diesem Film kann man nicht einfach nach Hause gehen und sich entspannen. Dafür wirkt der Streifen zu lange nach. Mein persönliches Voting: 5 von 5 Sternen



Voting 2, Dimitrios:

Ich bin kein Experte für die Arbeit der Coens, Fargo fand ich recht gut und Tommy Lee Jones sehe ich mir immer wieder gerne an. Also war ich gespannt was No Country For Old Men zu bieten haben würde. Vielleicht ist dies bereits die falsche Einstellung bei Filmen der Coens. Anderseits, ich mag auch Western. Insbesondere die alten John Ford Schinken. Und wenn einer lange schnittarme Einstellungen zu inszenieren wusste, dann der.
Irgendwie aber nimmt das hier keine Fahrt auf. Die Figuren sind zwar alles andere als eindimensional – sehr schön eigentlich – aber worauf läuft es hinaus? Vieles bleibt trotz der zugrunde liegenden Komplexität unbeantwortet.
Ein anderes Element des Films ist die Gewaltdarstellung. Ohne Schnörkel sehr real und unterschwellig stets präsent. Das wirkt sehr verstörend. Als Zuschauer hat man wenig an das man sich festhalten kann. Weder die Charaktere eignen sich gut zur Identifikation noch hat die Handlung selbst die Struktur dafür. Herausragend ist auf jeden Fall die Figur des Killers.
Javier Bardem liefert hier eine brillante Leistung ab. Eine Figur, die einem durchaus in seinen Träumen heimsuchen kann.
Trotzdem, am Ende bin ich etwas enttäuscht. Es gibt keinen moralischen Apell, keine Botschaft und keine eindeutige Aussage. Lediglich viel offene Fragen. Und das was ich am Western-Genre immer so gemocht habe, bleibt mir zum Schluss auch verwährt. Das erzähle ich euch aber nicht. Überzeugt euch selber. Mein persönliches Voting: 3 von 5 Sternen.




Film-Facts:
Titel: No Country For Old Men
Darsteller: Tommy Lee Jones, Josh Brolin, Javier Bardem, Kelly Macdonald, Woody Harrelson
Genre: Thriller, 122 Minuten
Verleih: Buena Vista Film
Regie und Drehbuch: Joel und Ethan Coen

Artikel drucken