„Die Chroniken von Narnia“, in den 50er Jahren von C.S. Lewis verfasst, gelten als Inbegriff religiös geprägter Jugendfantasyliteratur. Dementsprechende Erwartungen kamen auch wieder hoch, als 2005 der erste Teil, „The Lion, the Witch and the Wardrobe“, in einer bombastischen Verfilmung in die Kinos kam. Jetzt aber schlagen die Antiklerikalen zurück! Denn Philip Pullmans berühmte Trilogie „His Dark Materials“, vom Autor selbst als Gegensatz zu den Narnia-Romanen geschaffen, setzt nun ebenfalls zur Eroberung der Leinwand an – und im Gegensatz zu dem eher seichten Kinderspektakel „the Lion, the Witch and the Wardrobe“ überzeugt „Der goldene Kompass“ auf ganzer Linie.

Schon die dem Film zugrunde liegende Geschichte ist so hervorragend, dass nicht nur Kinder, sondern auch viele Erwachsene die Bücher Pullmans verschlangen und auch noch immer verschlingen. In einer Welt ähnlich der unseren existieren die Seelen der Menschen außerhalb des Körpers und nehmen die Form eines Tieres an, eines so genannten Daimons, der weitestgehend eigenständig agieren kann. Die junge Lyra, Heldin der Trilogie, wächst als Waise in einem College nahe London auf und ahnt nichts von dem ihr von Hexen prophezeiten Schicksal. Als jedoch zwei Freunde von ihr verschwinden und sie in die Fänge der ebenso schönen wie bösartigen Miss Coulter gerät, beginnt ihre Reise, die am Ende des ersten Teils in den eisigen Weiten des Nordpols endet.

Regisseur Chris Weitz las „Der goldene Kompass“ während seinen Dreharbeiten an “About a Boy” und war sofort begeistert von dem anspruchsvollen und metaphysisch aufgeladenen Inhalt. Dies merkt man dem Film auch an, denn alle Einstellungen sprühen vor Lebendigkeit und Faszination. Ähnliches gilt für die Darsteller, allen voran Dakota Blue Richards, die als Lyra Belacqua selbst gestandenen Schauspielern wie Daniel Craig („Lord Asriel“) und einer wirklich umwerfenden Nicole Kidman („Miss Coulter“) regelmäßig die Show stiehlt. Rebellisch, selbstbewusst und unglaublich neugierig – all diese Charakteristika der Protagonistin wirken nur sehr selten gespielt.

Als essentieller Gegenpart zu Lyra in „der goldene Kompass“ tritt Nicole Kidman auf, und auch sie begeistert. Nie verliert sie die Fassung, nie wird sie böse, und doch strahlt sie auch auf der Leinwand eine eisige Aura aus die durch ihren Daimon, einen sadistischen goldenen Affen, widergespiegelt wird. Dennoch kann sich Lyra der Anziehungskraft von Miss Coulter nicht entziehen. Dieses Wechselspiel kommt im Film hervorragend zur Geltung und ist ein weiterer Grund für ein Lob in Richtung der Crew.

Auf ihren Reisen findet Lyra diverse Verbündete – die Hexe Serafina Pekkala (Eva Green, „Casino Royale“), den Ballonfahrer Lee Scoresby (Sam Elliott, „Ghost Rider“) und den Panzerbären Iorek Byrnison. Und da ja in eine Filmkritik nicht nur Lob hineingehört: die Fluganimationen der Hexen und das Laufen des Bären wirken stellenweise etwas holperig. Einen größeren Kritikpunkt gibt es in der Hinsicht leider auch nicht. Denn auch in den Nebenrollen stimmt die schauspielerische Leistung weitestgehend – Eva Green wirkt zwar etwas blass, Sam Elliott jedoch ist die Idealbesetzung für seine Rolle. Knurrig, warmherzig, in Ehren ergraut.

Ein besonderes Lob verdient, trotz der eben genannten Kritik, der Bereich „Special Effects“. Nicht nur die Stadtbilder sind umwerfend geworden, sondern insbesondere die Wandlungsfähigkeit der Daimonen. In einem Augenblick Vogel, dann Frettchen, dann wieder Wildkatze – hin und her geht es, ohne dass die Transformation unnatürlich aussieht. So macht Kino Spaß.

Nun gilt es noch eine Befürchtung zu zerstreuen, die bei einer Literaturverfilmung immer entsteht: die zu große Entfernung von der Vorlage. Natürlich musste gekürzt und sogar umgeschrieben werden: so taucht der Gypter-Junge Billy Costa viel früher wieder auf, andere Figuren wie der Schamane Grumman dagegen gar nicht. Die Qualität der Geschichte ist dadurch nicht vermindert worden; im Großen und Ganzen kann die Verfilmung als sehr gelungen gelten. Einziges Manko: man merkt dem Film deutlich an, dass er Teil einer Trilogie ist, denn das Ende ist noch offener als jenes beim zweiten Teil von „Fluch der Karibik“. Insofern ist „Der Goldene Kompass“ für Menschen, die nach einem abgeschlossenen Film ohne offene Fragen suchen, nicht geeignet. Für die Fans der Pullman-Romane ist er jedoch ein absolutes Muss – für Fantasy-Begeisterte im Allgemeinen natürlich auch. Der zweite Teil kommt schon noch…
Campus-Web Bewertung: 4/5


Kinostart: 06.12.07

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