Kritik zum zweiten Teil des (über)ambitionierten Fantasy-Epos aus Russland - Kinostart: 20. September 2007.
Als 2004 der dritte Teil von „Lord of the Rings“ fast überall auf Platz eins der Kinocharts landete, gab es in Russland einen anderen Spitzenreiter: „Wächter der Nacht“. Dieses Fantasy-Spektakel, basierend auf der gleichnamigen Tetralogie von Sergei Lukjanenko, wurde zum bislang erfolgreichsten russischen Film aller Zeiten und schaffte durch FOX auch den Sprung in den europäischen Markt. Nun folgt mit „Wächter des Tages“ der zweite Teil – verwirrend und voller Skurrilitäten wie sein Vorgänger.
Die Handlung ist schnell erzählt: weiterhin sorgt ein unsicherer Pakt für die Balance zwischen den Mächten des Lichts und der Finsternis, bewahrt durch die dunklen Wächter des Tages und die hellen Wächter der Nacht. Doch der Friede ist bedroht. Beide Seiten haben einen „Großen Anderen“ gefunden, einen Champion mit ungeheurer Macht, und wie schon im ersten Teil findet sich Anton Gorodetsky, ein Angehöriger der Nachtwache, zwischen den Fronten wieder. Während sein Sohn Yegor, wie „Wächter der Nacht“ zeigte, sich auf die Seite der Finsternis geschlagen hat und nun von deren Anführer Zavulon ausgebildet wird, ist seine Geliebte Svetlana die Hoffnung des Lichts. Ein Zusammentreffen der beiden Gegenspieler hätte jedoch fatale Folgen: der Pakt würde gebrochen, ein Krieg ausbrechen. Als Anton von den Wächtern des Tages des Mordes an zwei Geschöpfen der Dunkelheit beschuldigt wird und die Dinge sich immer weiter zum Schlechten entwickeln, kann nur noch die mystische Kreide des Schicksals helfen – doch die ging vor Jahrhunderten verloren.
Man will der Story ja eine gewisse Originalität nicht abstreiten: auf jeden Fall ist ein anbetungswürdiges Stück Kreide etwas Neues im Korpus der Phantastik, und dank einer beschränkten Anzahl an Grundmustern ist auch der ewige Kampf zwischen Licht und Finsternis als Thema eines weiteren Filmepos durchaus entschuldbar. Leider fehlt jedoch, mehr noch als im ersten Teil, eine wirklich bahnbrechende Idee, um den Zuschauer tiefer in den Bann der Geschichte zu ziehen. Alles bleibt an der Oberfläche, häufig mit aufgezwungener Komik oder gnadenlos überzogenen Klischees belastet, so etwa der Körpertausch von Anton und seiner Kollegin Olga, um die Spürhunde der dunklen Seite zu verwirren. Besonders entsetzlich: eine Liebesszene zwischen Anton (immer noch im Körper von Olga) und Svetlana unter der Dusche, die spontan und völlig ohne Grund in eine Paradies-Szenerie a la Bollywood versetzt wird. Das ist Kitsch pur – nur eben im falschen Film.
Zu der durchwachsenen Story gesellt sich eine anstrengende experimentelle und oft auch unnötig hektische Kameraführung. Besonders in den wenigen Kampfszenen wechseln sich die Schnitte in Sekundenbruchteilen ab und erzeugen eine Bildkakophonie, die kaum zu bewältigen ist. (Warnung: das Betrachten dieser Szenen kann zu epileptischen Anfällen führen). Während es sicherlich erfreulich ist, dass inzwischen auch in Russland Filme für das internationale Publikum gemacht werden, verstärken die unkonventionellen Einstellungen und Wechsel viel zu oft nur die Verwirrung über den Sinn des auf der Leinwand Dargestellten. Weniger wäre hier mehr gewesen.
Dass Regisseur Timur Bekmambetov auch anders kann – soviel Gutes muss schon gesagt werden – beweist er in ein paar Szenen eindrucksvoll genug. So etwa, als Alisa, die Geliebte von Zavulon, voller Wut über den Mord an einer Freundin mit ihrem Auto von einer Brücke springt, um dann an der Glasfassade eines Hochhauskomplexes entlangzufahren und in Zavulons Appartment zu landen. Selbst James Bond würde bei dieser Aktion die Kinnlade herunterfallen. Zusammen mit hervorragend gewählten Perspektiven sowohl von außen als auch aus dem Inneren des Gebäudes zeigt diese kurze Sequenz das Potenzial der russischen Filmemacher. Dennoch rettet dies leider nicht den gesamten Film. Fans des ersten Teils mögen ihn sich trotzdem anschauen wollen, ansonsten lassen sich die paar Euro Eintrittsgeld besser investieren.
Darsteller: Konstantin Khabensky, Galina Tyunina, Vladimir Menshov, Viktor Verzhbitsky.
Kinostart in Deutschland: 20. September 2007.