Hin und wieder mischt sich unter das bewährte Kinoprogramm aus Komödien mit stumpfsinnigem Humor, halbherzigen Remakes und der nächsten Fortsetzung irgendeiner Comicverfilmung ein Film wie "mother!". Er weiß sowohl Cineasten als auch gelegentliche Kinogänger zu provozieren. Der Regisseur Darren Aronofsky fügt seiner rasanten und kontroversen Filmografie eine weitere Kontroverse hinzu. Sein neuester Film ist ein düsteres Werk über Schuld, Gewalt und Gier, das sich weit abseits von jeglichen Genrekonvention bewegt und sich dessen absolut bewusst ist. Es ist ihm zugleich aber auch herzlich egal.

Von der Gier des Menschen

mother!
Verleih: Paramount Pictures Germany
Genre: Thriller
Darsteller: Jennifer Lawrence, Javier Bardem, Michelle Pfeiffer, Ed Harris
Regie: Darren Aronofsky
Filmlaufzeit: 122Min.
Aronofsky interessiert das Drastische, das Schockierende. Im Zentrum seines Werks steht eine vernichtende Kritik am Menschsein selbst. Gier und Hunger sind treibende Motivatoren des Wesens, das sich hemmungslos und eigennützig an der Großzügigkeit Gottes und der Reinheit der Natur vergeht. Es ist ein absurdes Unternehmen, aber dieser Mensch, er kann nicht anders. Es liegt geradezu in seinem Wesen. Warum das so ist, weiß der Film nur in Ansätzen zu beantworten. Aus dem allegorischen Plot liest sich Vieles, auch eine Gotteskritik. Zum Plot selbst: Der Zuschauer erlebt den Film aus Sicht von Mutter Natur, grandios personifiziert von Jennifer Lawrence. Sie lebt zurückgezogen mit ihrem Mann (Javier Bardem), einem erfolglosen Dichter - im Abspann als "Him" bezeichnet - in einem riesigen, oktagonförmigen Haus fernab der Zivilisation. Während sie mit viel Liebe zum Detail das Haus renoviert, versucht sich ihr Gatte aus seiner Schreibblockade zu manövrieren, was ihm keineswegs gelingt. Eines Abends steht ein unbekannter Mann (Ed Harris) vor ihrer Tür und bittet um Einlass. Der Dichter freut sich über Gesellschaft und lässt ihn trotz der skeptischen Haltung seiner Frau im gemeinsamen Heim übernachten. Zu allem Überdruss taucht am nächsten Tag auch noch die Frau des Unbekannten (Michelle Pfeiffer) auf und bringt das einstige Idyll der Protagonistin vollständig ins Wanken.

Ein höllischer Trip inner- und außerhalb des Kinosaals

Von hier an entwickelt Aronofsky einen höllischen Trip voll biblischer Referenzen und allegorischer Spielereien. Es ist seine persönliche Abrechnung mit dem untragbaren Verhalten des Menschen gegenüber seinem Ursprung - mit seiner Gier und seinem unstillbaren Hunger zerstört dieser Mutter Natur. Wie der Mensch dem Haus, das repräsentativ für die Erde steht, allmählich das Leben raubt, weiß Aronofsky ebenfalls in einem surrealistisch anmutenden und grotesken Bild einzufangen; das Herz des Hauses, zu Anfang noch in Takt, wird allmählich von einem Tumor befallen. Es mag kaum verwundern, dass der Regisseur zur Konstruktion seiner Handlung auf die Geschichte der Genesis zurückgreift. Auch wenn der Film andere Deutungen zulässt, bestätigt sich diese Intention des Regisseurs spätestens, wenn der Abspann über die Leinwand rollt und das Wispern im Kinosaal ansteigt. Aronofsky will seinem Publikum die unschöne Wahrheit entgegenschleudern und einem brennenden Gefühl des Zorns Ausdruck verleihen. Um es für den Zuschauer nachvollziehbar zu machen, konzipiert er teilweise abstoßende, teilweise erschütternde Bilder, die auch über den Kinobesuch selbst hinaus im Gedächtnis bleiben.

Zwiegespaltene Gefühle

Mit "mother!" - das Ausrufezeichen ist mehr als angebracht - hat Aronofsky ein schockierendes, kontroverses Werk geschaffen, bei dem die Intention des Filmschaffenden in der Brutalität seiner Bilder enthalten ist . Und gerade weil die Sprache des Films unumgängliche Provokation ist, verwundert es keinesfalls, dass das Publikum bei den Filmfestspielen in Venedig mit gemischten Gefühlen den Saal verließ. Das Werk fordert eine Reaktion seines Publikums.



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