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Wie sieht der perfekte Weltuntergang für das Kino aus? Die Antwort: gar nicht. Denn wenn es nichts mehr zu sehen gibt, dann ist der Kinofilm so ziemlich am Ende seiner Möglichkeiten angelangt. "Perfect Sense" bedroht die Welt, den Zuschauer und sich selbst nun mit genau dieser Aussicht: Gibt es die Dinge noch, wenn sie niemand mehr wahrnehmen kann? Dabei fängt alles recht harmlos an: Einzelne Menschen leiden unvermittelt unter Anfällen großer Trauer, danach verlieren sie ihren Geruchssinn. Die Wissenschaft kann die Vorfälle nicht erklären auch nicht die Seuchenexpertin Susan (Eva Green "Casino Royale", "Die Träumer"), die in einem Labor im schottischen Glasgow arbeitet. Sie selbst erkrankt, als sie gerade mit dem Koch Michael (Ewan McGregor "Trainspotting", "Star Wars Episode I III") anbandelt, ihm ergeht es ein paar Stunden später nicht anders und bald riecht kein Mensch mehr etwas. Die Welt findet sich damit ab und wartet darauf, dass der Spuk so schnell vorübergeht, wie er gekommen ist. Doch als überall gleichzeitig ein Ausbruch von Freßsucht eintritt und danach die Geschmacksknospen ihren Dienst einstellen, steht ein großes Fragezeichen im Raum werden etwa noch weitere Sinne verlorengehen? Wie soll das Leben und der Film! weitergehen, wenn alle taub und blind werden? "Perfect Sense" ist für das 25. Fantasy Filmfest ein richtiger Glücksgriff, und verdient lief der Film als Centerpiece in Köln vor vollem Haus. Regisseur David Mackenzie ("Young Adam", "Hallam Foe") und Autor Kim Fupz Aakeson liefern einen überraschend starken Film ab, der den Zuschauer gleich auf mehreren Ebenen packt. Weltuntergangsdramen kennt man zu Genüge aus Hollywood, Liebesgeschichten auch beide Handlungsstränge sind hier jedoch gerade deswegen so stark, weil sie sich nicht in den Vordergrund drängen. Green und McGregor füllen ihre Leinwandromanze schnell mit realistischem Leben. Und während eine Erzählerin die globalen Ausmaße der Epidemie so es denn eine Krankheit ist in Zwischensequenzen vorträgt und man dazu auch Bilder aus Kenia und Indien sieht, geht es eben auch nicht darum, eine Lösung zu finden und die Welt zu retten. Das Unglück passiert einfach, genau, wie die Liebe zwischen Susan und Michael einfach passiert. Vom gebrochenen Herzen bis zur Eiszeit Perfect Sense, D/GB/S/DK 2011 Aus beidem resultiert die dritte Ebene, die wichtigste: die Wertschätzung des Lebens. Wie schon "The Tree Of Life" zeigt auch "Perfect Sense", das jedes noch so kleine Element der Welt ein kleines Wunder ist hier jedoch ohne die Verknüpfung zu einem religiösen Weltbild. Schon der Anfang des Films zeigt auf, wie vielfältig der Planet Erde sein kann und wie einfach die Dinge in ihr sind. Und wie wichtig. Der Verlust der Sinne weckt eine große Melancholie; der Zuschauer wird sich bewusst, wie wichtig ihm die Wahrnehmung seiner Umgebung eigentlich ist. Die veränderte Welt aus Mackenzies Vision mag vielleicht nicht ganz realistisch sein, sie schafft es aber immer, die Hauptfrage in Erinnerung zu rufen: Was ist der Kern der Dinge, was macht das Leben aus, wenn wir weniger Möglichkeiten haben, es zu leben? Welche Möglichkeiten werden Menschen finden, weiterzuleben? Nirgendwo sonst wird dies so gut greifbar wie in Michaels Luxus-Restaurant, einem Ort, der die menschlichen Sinne zelebriert und sich im Rahmen der Krise stets neu erfinden muss. Und genau wie in der Liebesbeziehung findet man hier die Wertschätzung der Existenz, des Zusammenlebens die Gemeinschaft in der Küche profitiert nicht zufällig davon, dass Michaels Kollege James von Ewen Bremner gespielt wird, mit dem McGregor bereits in "Trainspotting" vor der Kamera stand, und für die Rolle des Geschäftsinhabers wurde sogar sein Onkel Denis Lawson gecastet.Verleih: Senator Film Genre: Drama Filmlaufzeit: 92 Minuten Darsteller: Eva Green, Ewan McGregor Regie: David Mackenzie Kino-/DVD-Start: noch unbekannt Inmitten all dieser herzzerreißenden Traurigkeit angesichts der Vergänglichkeit des Lebens mit all seinen schönen Seiten, allen voran der zerbrechlichen Vertrautheit der Liebe, steht jedoch plötzlich noch eine andere Frage im Raum. Und diese wird dem Zyniker gefallen: Sind Menschen denn nicht nur biologische Maschinen, bei denen man einfach einen Hebel umlegen kann, und plötzlich sind sie traurig, wütend oder unglaublich harmoniedürftig? Was ist dann noch das besondere an der Existenz, wenn eben nicht eine höhere Macht eingreift die Möglichkeit einer göttlichen Strafe, gleich welcher Religion, wird zwar angesprochen, jedoch erfrischenderweise nicht als Trumpfkarte ausgespielt sondern eben nur die ganz normalen Abläufe? Wenn alle Kunst, alle technischen Errungenschaften, alle Gefühle der Menschheit nichts bedeuten? Kann man dann immer noch Trost in der Weisheit finden, dass das Leben immer weitergeht, nach jeder Tragödie vom gebrochen Herzen bis zur Eiszeit? Wenn man dieses Fass aufmacht, wird man sich gut überlegen müssen, was man aus "Perfect Sense" mitnehmen will eindeutig ist die Botschaft jedenfalls nicht. Regisseur Mackenzie soll sich auf die Frage nach der Aussage seines Films irritiert gezeigt haben, diese läge im Ermessen eines jeden Zuschauers. Eins sollte man jedoch im Auge behalten: Mit "Perfect Sense" spielt der Titel ja eben nicht auf die Sinne des Menschen an sondern auf den Sinn, den alles macht, und den man vielleicht auch finden kann. Selbst oder gerade dann, wenn die Welt auf das wesentliche reduziert wurde. Offizielle Homepage des Fantasy Filmfest noch bis zum 31. August in Köln
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