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Einfrieren - Auftauen, und dabei zählt Zeit. Und die exakte Temperatur. Mit Tiefkühlkost kennt Rainer Berg sich aus und ist dabei selbst zum Eisblock geworden - für seine Umwelt und für sich selbst. Gefühle und Sentimentalitäten hat er kalt gestellt. Die Firma seines Vaters hat er in die Pleite geführt. Jetzt läuft er Tag für Tag von Tür zu Tür, um seine Tiefkühlkost an den Mann zu bringen und von der Provision das Luxus-Altersheim für seinen Vater zu finanzieren. Dieser weiß nämlich nichts von der Pleite seines Juniors und plant schon das angehende Firmenjubiläum. Das bleibt nicht das einzige Problem für Eigenbrötler Berg. Die neue Firmenchefin Lieke van der Stock setzt ihm kurzerhand den tolpatschigen Tobias Moerer vor die Nase, der soeben mit einer Gabelstapler-Attacke für einen Stromausfall im Tiefkühlhaus gesorgt hat und auch sonst das Pech magisch anzieht. Trotz aller Missgeschicke lässt Moerer sich die Lebensfreude nicht nehmen und will den ewig grimmigen Berg damit anstecken - zwei Welten prallen aufeinander. Der eine trinkt Kaffee, der andere Tee. Berg hört nur Wetterberichte, Optimist Moerer "Radio Sunshine". Da wird es verdammt eng in einem Tiefkühlwagen. In der norddeutschen Provinz sind die Wege manchmal sehr lang und so bleibt Berg nichts anderes übrig, sich seinem Schicksal zu ergeben. "Manchmal wünschte ich mir, ich wäre ein Fischstäbchen. Früher oder später würde ich in der Pfanne landen, aber bis dahin hätte ich wenigstens meine Ruhe."(Berg) André Erkau ist mit "Arschkalt" ein kleines feines Filmchen mit wunderbaren Untertönen und ganz viel Weisheit gelungen. Der Film lebt von seinen drei Hauptfiguren. Jeder für sich ein Einzelkämpfer und dabei doch auf der Suche nach Gemeinschaft. So amüsant und doch so tieftraurig ist es, wenn Herbert Knaup als desillusionierter Berg mit mürrischem Gesicht und zynischen Einzeilern seine Mitmenschen vor den Kopf stößt. Um so rührender mutet es an, wenn er alles dafür tut, dem todkranken Vater einen letzten Wunsch zu erfüllen und diesem die Illusion einer heilen Welt inklusive gutgehendem Unternehmen vorzuspielen. Seine zaghaften und unbeholfenen Annäherungen an seine Chefin Lieke wirken viel echter, viel ehrlicher als jede romantische Liebeserklärung vor Sonnenuntergangkulisse am Strand. Und immer bleibt ein leiser Zweifel: Schafft Berg es raus aus der Isolation oder wird er doch noch zum tiefgekühlten Fischstäbchen? Arschkalt D 2011 Verleih: NFP & Wüste Film West Genre: Komödie Filmlaufzeit: 90 min Regie: André Erkau Darsteller: Herbert Knaup, Johannes Allmayer, Elke Winkens, Peter Franke, Thorsten Merten Kinostart: 21.07.2011 Johannes Allmayer knüpft an seine Rolle des nervigen Zwangsneurotikers aus "Vincent will meer" an und bringt sein Umfeld mit seinen permanenten Mißgeschicken zur Weißglut. Bei all seiner Unbeholfenheit in praktischen Dingen steckt so viel Lebensfreude, Optimismus und schlichte Weisheit in ihm, die ansteckend ist und den Glauben an das Gute zurückbringt. Elke Winkens ist einfach zuckersüß als neue Firmenchefin, die stets auf der Suche nach Balance zwischen beruflicher Karriere und familiärer Geborgenheit ist. Beides scheint unvereinbar. Ihre Ängste, ihre Zweifel versteckt sie hinter einem fröhlichen Lachen und herzlichen holländischem Charme. Bei allen privaten und beruflichen Schwierigkeiten auch noch das Gesicht der knallharten Chefin zu wahren - kaum möglich. Mit all ihren Fehlern und Schwächen ergänzen sich die drei am Ende perfekt, finden einen Weg zueinander und zu sich selbst. Bei allem Tiefgang ist "Arschkalt" auch ein Film voller Wortwitz und komischen Situationen. Moerers Teebeutelsprüche und Bergs Tiefkühlweisheiten sind herrlich spröde Zitate für jede Alltagssituation, die man sich merken sollte. Einziger Kritikpunkt des Films ist der viel zu monoton und schöne angelegte Soundtrack. Wenn zum gefühlt hundertsten Mal das gleiche langsame Gitarren-Intro eine Szene einleitet, paßt dies nur selten zur "arschkalt"-fröhlich-zynischen Grundstimmung. Bergs Vorstellung als Menschenhasser besteht aus kurzen Versatzstücken, winzigen Szenen voller fieser Sprüche, die ruhig etwas länger dauern könnten, doch diese kleinen Mängel verderben den Spaß am Ganzen nicht. Nach dem Kino wird es viel eher warm ums Herz, als "Arschkalt".
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