campus-web Bewertung: 4,5/5
   
 

   
 

   
Bereits der Trailer zu Darren Aronofskys neuestem Filmprojekt „Black Swan“ stellt eines klar: dies ist kein gewöhnlicher Ballettfilm. Keine Rekonstruktion des beschwerlichen, aber schließlich erfolgreichen Aufstiegs eines jungen Ballettsternchens, wie wir sie schon so oft gesehen haben. Nein, dieser Film spielt auf einer ganz anderen Bühne. Hier ist es nicht das Scheinwerferlicht, sondern es sind dunkle Schatten, die die Solistin umhüllen und letztlich ihren Tanz beflügeln.

Dabei klingt die „Black Swan“ zugrunde liegende Story zunächst alles andere als außergewöhnlich: Für die neue Spielzeit plant der Leiter des New York City Balletts, Thomas Leroy (Vincent Cassel), eine Neuinszenierung von Tschaikowskis „Schwanensee“. Da er seine bisherige Primaballerina vor die Tür gesetzt hat, sucht er nach einer Nachfolgerin für die Rolle der Schwanenprinzessin. Seine Wahl fällt auf Nina (Natalie Portman), eine junge und ehrgeizige Tänzerin, die ihr gesamtes Leben dem Ballett auf nahezu krankhafte Weise unterordnet. Erste Probleme tauchen auf, als Nina die ihr zugewiesene Doppelrolle bei den Proben nicht auszufüllen vermag. Scheint sie aufgrund ihres unschuldigen und anmutigen Wesens für die Rolle des Weißen Schwans wie geschaffen, so ist es ihr verbissener Perfektionismus, der sie bei der Darstellung des Schwarzen Schwans blockiert. Da taucht die impulsive und verführerische Lily (Mila Kunis) in der Compagnie auf. Sie wird zu Ninas direkter Konkurrentin und engsten Freundin zugleich.

So wie es bei der Rolle des „Schwarzen Schwans“ nicht auf die richtigen Schritte, sondern auf die Ausstrahlung der Tänzerin ankommt, so ist es auch nicht die Story, die diesen Film so besonders macht. Sie liefert lediglich den Grundstoff und bietet dem Zuschauer die zu erwartenden Klischees: die blutigen Zehen der Tänzer, den Konkurrenzdruck innerhalb der Ballettcompagnie, das Streben der Protagonistin nach Vollkommenheit. Nicht einmal die überambitionierte „Ballett-Mutti“ (Barbara Hershey), natürlich selbst ehemalige Tänzerin, fehlt. Nein, es ist nicht der Stoff, sondern seine Inszenierung, die „Black Swan“ so besonders macht. Regisseur Aronofsky versteht es, die altbekannten Motive so zu überspitzen und zu verzerren, dass sich der Zuschauer bald auf einem verstörenden Horrortrip durch Ninas Psyche wieder findet. Im Zuge dessen kommt es zu einigen peinlich vorhersehbaren und auch ziemlich unnötigen „Buh“-Effekten. Doch sind es ebenso die surrealen Momente, die sich einprägen und noch weit über das Ende des Films hinaus wirken.
Back Swan
USA 2010

Verleih: 20th Century Fox
Genre: Psycho-Thriller
Filmlaufzeit: 108 min
Regie: Darren Aronofsky
Darsteller: Natalie Portman, Mila Kunis,
Vincent Cassel, Winona Ryder, Barbara Hershey
Filmstart: 20.01.2011


Das eigentlich Schockierende aber wurzelt tief in Ninas Charakter, fernab der visuellen Knalleffekte. Sie ist die klassische Streberin, so verhuscht, so leidenschaftslos, so Mitleid erregend. Gepaart mit ihrem Ehrgeiz und ihrer Verbissenheit erwächst daraus jene selbstzerstörerische Kraft, an der Nina zu zerbrechen droht. Während Ballettleiter Leroy bei den Proben versucht, Ninas Leidenschaft zu wecken, ist es zu Hause die Omnipräsenz ihrer Mutter, die das zaghafte Aufblühen ihrer Sexualität im Keim erstickt. Aronofsky spart dabei nicht an freudscher Symbolik: Die Mutter als personifiziertes „Über-Ich“, die das „Es“ der Tochter, ihres „sweet girl“, in einem Kerker aus rosa Plüsch zu fangen sucht. Subtil ist anders, verstörend ist es allemal.

Dass Natalie Portman mittlerweile als heißeste Anwärterin auf den Oscar gehandelt wird, mag angesichts ihrer in „Black Swan“ erbrachten schauspielerischen, sowie tänzerischen Leistung kaum noch verwundern. Ihre Auszeichnung mit dem Golden Globe am vergangenen Wochenende bestärkt dies zusätzlich. Ihr gelingt, was der weinerlichen und verklemmten Nina zunächst verwehrt bleibt – sie füllt ihre Rolle voll und ganz aus. Portman schafft es, die emotionale Schwäche und autoaggressive Kraft der jungen Ballerina glaubhaft darzustellen, ohne dass sich diese beiden Eigenschaften widersprechen. Wie bereits bei der Wahl Mickey Rourkes für die Hauptrolle in „The Wrestler“, hat Darren Aronofsky auch diesmal wieder voll ins Schwarze getroffen. Neben Portman brillieren vor allem Vincent Cassel als hochnäsiger Ballettdirektor und Barbara Hershey als dominante Mutterfigur in ihren Rollen.

Mit „Black Swan“ ist Regisseur Darren Aronofsky ein Meisterwerk gelungen, das auf beeindruckende Weise an seinen Vorgänger „The Wrestler“ (2008) anknüpft. Es beleuchtet das andere Extrem desselben Themas: Beide Filme handeln von Sportlern, die auf ihre jeweilige Art und Weise auch Künstler sind. Dort brachial, hier anmutig, aber in jedem Fall bereit, alles für ihre Kunst zu opfern – bis hin zur Selbstaufgabe. Nein, die Geschichte ist nicht neu. Es ist die Inszenierung, die Aronofskys Filme so besonders macht.


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