Stefan Aust
   
Schon acht Jahre nach dem kollektiven Selbstmord der RAF-Spitze veröffentlichte Stefan Aust das Buch "Der Baader Meinhof Komplex", welches Bernd Eichinger 2008 unter demselben Titel in Szene setzte. Bei der Umsetzung ging Austs Ansatz, die Geschichte so wahrheitsgetreu wie möglich darzustellen, nicht verloren.

campus-web: Sie haben die Grundlage für den "Baader Meinhof Komplex" geschrieben. Welche Unterschiede fallen Ihnen auf, wenn Sie Ihr Buch mit Eichingers Film vergleichen?

Stefan Aust: Dafür muss man wissen, wie der Film zustande gekommen ist: Ich habe alles, was ich aus dem Buch für interessant und verfilmbar hielt, in Szenen umgewandelt. Mir war klar, was in dieser Szenenabfolge nicht drin ist, wird nie in den Film einfließen. Deswegen habe ich ganz bewusst sehr viel ausgewählt. Hätte man meine Auswahl verfilmt, wären daraus zehn Stunden geworden. Die Vorlage habe ich nach und nach in Stapeln zu Bernd Eichinger nach Hollywood geschickt. Der hat alles eingedampft, verdichtet, was Neues dazu geschrieben und einiges ineinander verschränkt. Das war die Vorgehensweise.

campus-web: Sie waren also an der Entstehung des Drehbuchs aktiv beteiligt. Welche Schwierigkeiten sind bei der Umsetzung des Buchs in den Film aufgetreten?

Stefan Aust: Film ist Aktion. Es wird darin weniger gequatscht und mehr gehandelt. Terrorismus ist übrigens auch Aktion - das war deren Konzept. Um Ereignisse in Filmszenen umzuwandeln, muss man sie zum Teil erheblich verdichten. Nehmen wir die Ermordung des Militärattachés der deutschen Botschaft in Stockholm von Mirbach als Beispiel: Dieses schreckliche Drama zog sich mindestens eine Stunde hin, die im Film auf wenige Minuten reduziert wird. Durch solche Verschränkungen haben wir Zeitlücken übersprungen. Außerdem braucht man gelegentlich Dialoge oder Szenen, die rein fiktional sind, um Zusammenhänge herzustellen.

campus-web: Als ich den Film gesehen habe, kam es mir vor, als würde darin versucht, die theoretischen Ziele der Terroristen nicht aus dem Auge zu verlieren.

Stefan Aust: Aber natürlich nur so weit, dass man versteht, worum es geht. Wenn wir endlose theoretische Abhandlungen oder Monologe in den Film übernommen hätten, würde das unheimlich gekünstelt wirken. Also haben wir das sehr stark auf Kernsätze reduziert, die wir im Wesentlichen aus Veröffentlichungen der RAF-Leute hatten. Da ist wenig Fantasie und viel Non-Fiction drin.

campus-web: Könnte diese Perspektive auf die Terroristen vom Zuschauer nicht als subjektive Sichtweise verstanden werden?

Stefan Aust: Das ist sicher richtig. Aber in dem Film wird unter anderem sehr viel Gewalt angewendet, um die Theorie mit der Realität zu konfrontieren. Die theoretischen Erörterungen und Positionen der Terroristen haben mit ihrer tatsächlichen gewaltsamen Tätigkeit nämlich nur begrenzt zu tun. Deswegen ist es wichtig, nicht nur die Theorie des Terrorismus deutlich zu machen, sondern vor allem ihre Praxis. Manche Leute sagen, in dem Film sei zu viel Terror und zu wenig Begründung, warum die das gemacht haben. Aber für mich ist wichtig, dass man Terrorismus als das zeigt, was er ist und nicht nur als das, was er sein soll.

weiter zu Teil 2 des Interviews

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