Madeline Whittier ist ein 17-jähriger Teenager aus Kalifornien. Sie ist eine gute Schülerin, immer freundlich und ausgeglichen und mit ihrem Leben zufrieden. Sie lebt in ihrer kleinen Welt, welche nur aus ihrem Elternhaus besteht. Denn dieses hat sie seit fast 17 Jahren nicht mehr verlassen. Das Mädchen leidet unter einer seltenen angeborenen Immunkrankheit, weshalb sie eine sterile Umgebung zum Überleben benötigt. Was für ihre Mitmenschen unvorstellbar ist, ist für Madeline Alltag. Alle zwei Stunden wird die Luft im Haus durch einen Luftfilter ausgetauscht, Fenster und Türen dürfen nicht geöffnet werden. Besucher sind untersagt, nur wenigen Menschen ist es erlaubt, das Haus zu betreten. Auch Berührungen sind verboten, denn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen könnten Keime schnell übertragen werden. Madeline jedoch fühlt sich wohl in ihrer kleinen Welt, die nur aus zwei weiteren Menschen besteht: ihrer Mutter und ihrer Krankenschwester Carla, die sie tagsüber betreut und ihr Gesellschaft leistet. Das Verhältnis zu beiden scheint perfekt. Es gibt keine Geheimnisse, die Abende werden mit Gesellschaftsspielen verbracht und regelmäßig veranstalten sie gemeinsame Themenabende. Diese schon fast nervige heile Welt wird jedoch von den neu eingezogenen Nachbarn unterbrochen. Madeline macht es sich zur Aufgabe, die Tagesabläufe der Familienmitglieder genauestens zu beobachten und zu notieren. Dabei entwickelt sie besonderes Interesse an dem 18-jährigen Sohn Olly. Durch ihn beginnt sie, ihre Welt in Frage zu stellen.

Verbindung auf Abstand

Nicola Yoon - Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt
Verlag: cbt
Erschienen: April 2017
Genre: Jugendbuch
ISBN: 978-3-570-31099-1
Bindung: Brochiert
Preis: 9,99 €
Es entsteht eine Freundschaft der besonderen Art, die durch lauter Gegensätze geprägt ist. Kommuniziert wird hauptsächlich per Mail und wahlweise durch ihre gegenüberliegenden Zimmerfenster, wobei sie sich mit Hilfe von Gesten verständigen. Die Chatverläufe stechen aus dem Buch heraus, sie sind nicht im Textverlauf wiedergegeben, sondern bilden eine abgesonderte Einheit. Auch Madelines Notizen, Zeichnungen, ihre Krankenakte und vieles mehr sind visuell dargestellt. Das macht das Buch lebhaft, es bringt den Leser näher an die Hauptperson heran und lässt ihn ihre Gedanken und Gefühle besser verstehen. Durch Olly kommt Aktivität in die Handlung und in Madelines Leben. Er trägt schwarze Kleidung, ist ständig in Bewegung, interessiert sich für Mathematik und kommt aus einer zerrütteten Familie. Madeline ist das komplette Gegenteil: Sie trägt ausschließlich weiße Kleidung, ist die Ruhe selbst, liebt Literatur und hat ein enges Verhältnis zu ihrer Mutter. Nur ihr Vater wird zunächst nicht erwähnt. Madelines Kontakt zu Olly bildet das erste Geheimnis, welches sie vor ihrer Mutter hat.

Zwischen Kitsch und Magie

Der starke Kontrast der bevorzugten Farben der beiden Hauptpersonen ist ein Aspekt der bildlichen Sprache, die die Geschichte beherrscht. Madelines Vorliebe zur Literatur wird durch den Schreibstil des Textes zum Ausdruck gebracht. Es ist eine sehr poetische Sprache, die viele fantastische Gedankenkonstrukte beschreibt, mit denen sich das Mädchen die Zeit vertreibt. Die Kapitel sind kurz gehalten, ein jedes steht für einen neuen Gedanken oder eine neue Situation, in der sich Madeline befindet. Der fehlende Kontakt zur Außenwelt wird in ihren Vorstellungen deutlich, die dem Leser kindlich und naiv erscheinen. Das wenige Wissen über die ihr verborgene Welt erhält sie durch Filme und Bücher. Deshalb verwundert es nicht, dass auch ihre Ansichten sehr romantisch, ja fast schon kitschig, geprägt sind. Auf diesem schmalen Grad bewegt sich auch das Buch. Zwischen kitschigem Teenagerroman und poetisch-philosophischer Lektüre bildet es eine Balance, die mal magisch, mal schnulzig erscheint. Das macht "Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt" einem breiteren Leserpublikum zugänglich. Es ist für alle Liebhaber von rührseligen Jugendromanen und für jene, die eine ausdrucksstarke und gefühlsbetonte Sprache bevorzugen, geeignet.

Und für diejenigen, die lieber gucken statt lesen: Die Verfilmung Du neben mir kommt am 22. Juni in die deutschen Kinos.



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