Am 16. Oktober war letzter Besuchertag der Bundesgartenschau (kurz: BUGA) in Koblenz. Seit 1951 findet die BUGA im Abstand von zwei Jahren in unterschiedlichen Städten Deutschlands statt. In Koblenz verschönerte sie dieses Jahr sechs Monate lang das Plateau vor der Festung Ehrenbreitstein, die Parks vor und hinter dem Kurfürstlichen Schloss sowie das Areal um das Deutsche Eck. Bunte Blumenfelder in allen Formen blühten in leuchtenden Farben. Mit der Rheinseilbahn wurde die leistungsstärkste Seilbahn der Welt errichtet. Sie überspannt zwischen dem Deutschen Eck und der Festung Ehrenbreitstein den Rhein und überwindet dabei einen Höhenunterschied von 112 Metern. Die größte europäische Kabinenseilbahn außerhalb der Alpen ermöglichte die Anbindung eines großen, interessanten Areals auf dem Festungsplateau an die Stadt. Die Rheinseilbahn wird bleiben. Über den dauerhaften Betrieb wird gerade mit der UNESCO verhandelt.

Über 3.5 Millionen Besucher. Ein Schloss erwacht aus seinem Dornröschenschlaf.

Die BUGA hat der Stadt Koblenz auch sonst sichtbar gut getan. Das teilweise von Koblenzer Bürgern und vom Land Rheinland-Pfalz getragene Gesamtbudget von etwa 100 Millionen Euro wurde durch Besucherzahlen in Höhe von 3,5 Millionen belohnt. Es wurden sogar nicht erwartete Mehreinnahmen von 13 Millionen Euro erzielt. Gelungen war die Wiederbelebung des Kurfürstlichen Schlosses mit einem Durchgangsbereich von der Rheinpromenade in den Schlossgarten. Es wurde Ende des 18. Jahrhunderts im Auftrag des Trierer Kurfürsten erbaut und diente später dem Preußischen König Wilhelm I. und seiner Frau Augusta als Residenz in der Preußischen Rheinprovinz, deren Hauptstadt Koblenz war. Im zweiten Weltkrieg wurde es beschädigt und seither als Verwaltungsgebäude von verschiedenen Bundesbehörden genutzt. Die Einbindung des Schlosses in das Koblenzer Stadtbild ging nach dem Krieg völlig verloren. Der stadtwärtige Park diente bislang als Parkplatz und der Park auf der Rheinseite verwilderte. Aus diesem Dornröschenschlaf wurde das Anwesen nun mit bunten, terrassenförmig gestalteten Blumenmeeren und Spalier-Garden geweckt. Nachdem die Hohenzollern 1871 die deutsche Kaiserschaft übernommen hatten stiftete Augusta – jetzt Kaiserin – der Stadt Koblenz neben Waisenhäusern auch die Gestaltung der Rheinpromenade vom Schloss aus rheinabwärts in Richtung zum Deutschen Eck. Auch hier ist es gelungen, diese historische Gestaltung der Uferpromenade in die BUGA einzubeziehen.

Chancen politischer Aussagen oder historischer Reflexionen wurden allerdings vertan

Doch ist Koblenz die Restauration nicht fremd. So findet man auch das im zweiten Weltkrieg zerstörte Kaiser-Wilhelm-I.-Denkmal wieder am Deutschen Eck. Bereits 1992 siegte der Wunsch Kaiser Wilhelm I. wieder in den Sattel zu heben, über zahlreiche kritische Stimmen. Das bronzene 14 Meter hohe Reiterstandbild lobt die Neugründung des Deutschen Reiches 1871. Die Inschrift der Säulenhalle darunter lautet:"Nimmer wird das Reich zerstöret, wenn ihr einig seid und treu." Das Pferdehinterteil richtet sich gegen Frankreich, den damaligen 'Erzfeind'. Dieses Denkmal wurde mit Zäunen vom BUGA-Gelände abgetrennt. Hier hätte man stattdessen mit der BUGA diesen nationalen Chauvinismus reflektieren können. Beispielsweise hätten mit Pflanzen die Flaggen der EU-Staaten dargestellt werden können oder nur die EU-Fahne in blau mit zwölf gelben Sternen. Damit wäre mit den Möglichkeiten von Pflanzen und Gartengestaltung die heutige europäische Perspektive der überkommenen nationalistischen und militaristischen entgegengesetzt worden. Oder man hätte aus allen Richtungen um das Reiterstandbild Kaiserwinden ranken lassen können, am besten in Preußisch-Blau. Noch besser wäre es wohl gewesen, das ganze Denkmal einfach mit Kapuzinerkresse zuwachsen zu lassen. Zum Sommer hin hätte das ganze Deutsche Eck mit rotblühenden Klatschmohn übersät sein sollen. Denn dieser (engl.: poppies) gilt als Symbol für die Opfer der Flandernschlachten im Ersten Weltkrieg. Es wären gerade hier mit den Mitteln von Gartenbau und durch das blühende Leben von Pflanzen beachtliche politische Aussagen und historische Reflektionen möglich gewesen. Doch diese Chance wurde leider vertan. Auch zu anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen fand sich auf der BUGA kaum etwas - nichts zum vieldiskutierten „Urban Gardening“, wenig über Anbau und Verarbeitung von Nahrungsmitteln oder anderen biologischen Produkten im urbanen Raum.

Wenig Überraschungen, wenig Ideen - Die Blumenpracht übersättigte schnell.

Es gab nichts, was den Betrachter überrascht und gleichermaßen Hoffnung sowie Freude ausgelöst hätte, wie es ein Löwenzahn vermag, der den Asphalt blühend durchbricht. Nichts dergleichen war in irgendeinem Winkel der Stadt zu finden – zumindest nichts, was die BUGA zu verantworten gehabt hätte. Stattdessen fanden sich opulente Geranien-Pyramiden, die obligatorisch sind für jeden besseren Kurort von Meran bis St. Peter Ording. Angepriesen wurde ein Feuerwerk der Farben und Formen – der Blumen. Und die Besucher waren erstaunt und beeindruckt von der Pracht – von der Festung Ehrenbreitstein über das Deutsche Eck bis zum Schloss. Doch ein Feuerwerk dauert selten länger als eine halbe Stunde. Das hat nicht nur technische Gründe. Von Staunen und Beeindruckt-Sein müde, und von Wiederholungen übersättigt tritt man die Heimreise an, ohne eine Idee bekommen zu haben, was Garten auch sein und leisten kann. Nämlich mehr zu sein als einfach nur schön.

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