Das Konstrukt Kanada, eine bilinguale und bikulturelle konstitutionelle Monarchie, mutet für Europäer eher merkwürdig an, und so machte ich mich einmal auf den Weg, die Ursprünge der kanadischen Eigenheiten zu ergründen: auf nach Québec!

Der erste Zwischenstopp meiner vollgepackten Dreitagesreise führte mich in die kanadische Hauptstadt, Ottawa. Ottawa, eine im Vergleich zu Toronto oder Montréal eher kleine Stadt, wurde auf Grund seiner strategischen Lage Mitte des 19. Jahrhunderts als Hauptstadt ausgewählt und konnte diesen Status bis heute verteidigen. Obligatorisch war für mich also der Besuch des Parliament Hill, dem Regierungsviertel der kanadischen Bundesregierung. Dort befindet sich auch der Tower of Victory and Peace, welcher als Symbol Kanadas sowohl auf den kanadischen $20 und $50- Scheinen zu sehen ist. Doch Parliament Hill zeichnet sich nicht nur durch die dort konzentrierten Regierungsgebäude und deren eindrucksvolle Architektur aus; es ist vor allem seine pittoreske Lage an der Mündung des Rideau-Kanals in den Fluss Ottawa, die das Viertel zu einem begehrten Fotomotiv für Touristen machen.

Da Ottawa als Hauptstadt – im Gegensatz zu allen Provinzen mit Ausnahme von New Brunswick – offiziell zweisprachig ist, müssen selbst die Stopp-Schilder sowohl mit STOP als auch mit ARRÊT ausgezeichnet sein. Sobald ich Ottawa allerdings in Richtung Québec verlassen hatte, war es schlagartig vorbei mit dem diplomatischen Bilingualismus und ich fand mich nun im komplett französischsprachigen Teil Kanadas wieder. Während eine Änderung der Landessprache in Europa natürlich meist mit der Einreise in ein fremdes Land verbunden ist, so ist dies in Kanada ein wichtiger Teil der pankanadischen Identität und des offiziellen Staatskonzepts des Multikulturalismus.

Weiter ging es für mich nun nach Montréal, der nach Toronto zweitgrößten Stadt Kanadas und der nach Paris zweitgrößten französischsprachigen Stadt der Welt. Auch von der Mont Royal mit seinen knapp 250 Metern für europäische Verhältnisse nun wirklich kein Berg ist, so sollte man sich in Montréal besser nicht darüber lustig machen: der Mont Royal ist nicht nur der Namensgeber, sondern auch ein wichtiger Identifikationspunkt der Stadt - so darf etwa kein Gebäude in Montréal höher als 233 Meter gebaut werden, damit der Berg nicht überragt wird. Als ironisch empfand ich allerdings, dass – trotz der steten Betonung der „unamerikanischen“ Identität Kanadas – die grüne Oase des Parc-du-Montréal vom amerikanischen Landschaftsarchitekten Frederic Olmsted geplant wurde, der unter anderem auch die Verantwortung für das Design des Central Park in New York City trug.

Nach dem Besuch des Mont Royal und des dortigen Oratoriums besuchte ich das Viertel „Old Port“ und die beeindruckende Kirche Notre Dame, bevor es weiter zum Olympiastadion der Sommerspiele von 1976 ging, welches mit seiner futuristischen Architektur die Skyline von Montréal beherrscht. Doch die Zeit drängte und somit fiel der Abschied von Montréal kurz und schmerzlos aus. Die dritte und letzte Etappe stand auf dem Plan: Québec City, eine der ältesten Städte Nordamerikas! Tatsächlich war Quebec City mit Abstand die europäischste Stadt, die ich je in Nordamerika besucht habe: Stadtmauer, Schloss und Kopfsteinpflastergassen erinnerten mich sehr an meine Heimat. Leider wurde das Stadtbild jedoch nicht nur vom phantastischen Chateau Frontenac, sondern auch von den unzähligen Touristen beherrscht, die sich durch die verwinkelten Straßen schoben. Trotzdem war der Besuch der Altstadt, die seit 1985 UNESCO Weltkulturerbe ist, und des Parlaments von Québec sehr lohnenswert, auch weil ich dort endlich die Quebecer „Nationalspeise“ Poutine, eine Mischung aus Pommes, Bratensauce und Käse, probieren konnte – auch wenn diese mittlerweile in Ostkanada allerdings auch zum Standardrepertoire von McDonalds und Burger King gehört.

Leider war dies bereits der Abschluss meines kurzen Ausflugs nach Québec. Die Debatten um eine mögliche Souveränität der Provinz, die seit 2006 offiziell als Nation im vereinten Kanada anerkannt ist, werden wohl in nächster Zukunft nicht beendet werden können. Nach meiner Reise in das französischsprachige Herz Kanadas meine ich allerdings besser verstehen zu können, weswegen die kanadischen Premierminister in der Vergangenheit zu solch weitgehenden Eingeständnisse für die province québécoise bereit waren: ein eigenständiges Québec wäre ein allzu herber Verlust für Kanada.

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