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Seit einigen Monaten nehme ich nun schon am italienischen Straßenverkehr teil und muss mich dennoch immer wieder darüber wundern, wie ich es schaffe, diesen unbeschadet zu überstehen und wieso nicht alle zwei Sekunden ein Unfall passiert! Da ich mir ja vorgenommen habe, mich in meinem Jahr in Italien voll und ganz auf das Land, mit allen Sitten und Gebräuchen, einzulassen, bleibt mir also gar nichts anderes übrig, als ab und an auch mal ein anderes Fortbewegungsmittel als meine Füße auszuprobieren. So kommt es dann auch, dass ich das erste Mal in meinem Leben auf einem motorino, einem Motorroller sitze: Mit Freunden bin ich zum Aperitivo verabredet. Bei der Auswahl der Bar werde ich überstimmt. Die angestrebte Bar befindet sich etwas außerhalb des Stadtzentrums und auch mein Einwand, dass ich zu Fuß unterwegs bin, ist nutzlos. „Ich kann dich doch auf meinem Roller mitnehmen!“, entgegnet einer meiner italienischen Freunde. Diese Aussage lässt mich in Panik ausbrechen. Wer jemals in Italien den Straßenverkehr beobachtet hat, kann das verstehen. Als ich gestehe, dass ich noch nie auf einem Motorroller mitgefahren bin, hört das Gelächter meiner italienischen Begleiter gar nicht mehr auf. Doch meine Rettung naht! Einer meiner italienischen Freunde sagt kleinlaut: „Ist doch gar nicht schlimm. Ich bin auch noch nie mit einem Roller unterwegs gewesen!“ So wendet sich die grölende Meute von mir ab und einem neuen Opfer zu: „Was? Was bist du denn für ein Italiener!??“ Dann hab ich doch noch eine letzte Frage an meinen Fahrer, bevor es losgeht: „Hast du einen Helm für mich?“ – „Ach quatsch Helm!“. Wir sind ungefähr 10 Minuten unterwegs. Es kommt mir vor, als wäre es mindestens eine Stunde, in der ich mich an meinem Vordermann festkralle und schweißgebadet vor Angst bei jeder Kurve um meine Leben bange. „Du hast doch versprochen, langsam zu fahren! Was sollte das?“, ist mein erster Satz, nachdem ich wieder festen Boden unter den Füßen habe. Mein Fahrer kann mich nicht verstehen: „Was willst du denn? Wir sind gerade schnell genug gefahren, um in den Kurven nicht umzukippen!“. Wer dann auch nach mehrmaligem Ausprobieren keine Sympathie für die Fortbewegung mit dem motorino empfinden kann, der wird sich bestimmt ein Auto wünschen, in dem er sicher und abgeschirmt von den anderen Verkehrsteilnehmern zum gewünschten Ziel kommt. Doch der schöne Schein trügt: Einbahnstraßen erscheinen aus dem Nichts, überall stehen Blitzer, da die Stadt in Bereiche eingeteilt wurde, in denen manche Autos fahren dürfen und manche nicht und auf einen Parkplatz kann man mitunter stundenlang warten. Und auch im Umgang unter den Autofahrern auf der Straße gibt es einige ungeschriebene Gesetze, die man unbedingt kennen sollte und die das Überleben sehr viel einfacher machen. So bedeutet zum Beispiel das einmalige Hupen eines Autofahrers ungefähr soviel wie „Ich halte nicht an, ich fahre da jetzt auf jeden Fall über diese Ampel. Wenn du keinen Unfall möchtest, dann halte also gefälligst an!“. Wenn sich das Hupen an einen Fußgänger richtet, möchte der Fahrer meistens soviel sagen wie: „Mach Platz, ich bin der Stärkere!“ Und ob man’s glaubt oder nicht, dieses System funktioniert hervorragend! Die Straßen werden optimal ausgenutzt: So ist die Straße vor meinem Haus als einspurige Straße gedacht, wird jedoch drei- bis vierspurig befahren. Allerdings muss man dazu sagen, dass es den italienischen Autofahrer auch nicht sonderlich interessiert, wenn eine Beule mehr in seinem Auto zu finden ist. Wer dann sein Auto auch nicht mehr findet sei es, weil die Stadtreinigung es abgeschleppt hat, um nachts in Ruhe die Straße säubern zu können, sei es, weil es weiter verkauft wurde, dem ist die Fortbewegung mit dem Fahrrad zu empfehlen. Bei der Anschaffung des Drahtesels sollte man darauf achten, dass man einen möglichst alten aussucht, weil er sonst nach mindestens einer Woche weg ist, und auch darauf, dass das Schloss möglichst teurer ist, als das Fahrrad selbst. Fahrräder werden hier angeschafft, indem sie geklaut werden (nach der Strategie „Meins wurde ja auch geklaut, also warum sollte ich mir nicht eins zurückklauen?“) oder indem man sie von jemandem kauft, der sie vorher geklaut hat. Diese Verkäufer findet man entweder durch Mundpropaganda oder dadurch, dass man möglichst oft und demonstrativ schlendernd an einer bestimmen Straßenecke in der Nähe der Uni vorbeigeht und darauf wartet, dass man nach einiger Zeit angeflüstert wird: „Psst, brauchst du ein Fahrrad?“ Wenn man also ein sehr schlecht schwarz überlackiertes Rad ersteht, dann kann man sich sicher sein, dass ein anderer es jetzt schmerzlich vermisst. Sein neu erworbenes Fahrrad schließt man dann auf jeden Fall immer an irgendeinem festen Gegenstand fest und nicht nur an sich selbst, sonst ist es nämlich ein gefundenes Fressen für Diebe. Manchmal ist es jedoch auch nur die Straßenreinigung, die des Nachts für saubere Wege sorgt und dafür die Schlösser herumstehender Fahrräder aufbricht und sie dann an einer beliebigen Stelle ablädt, an der sie weniger stören. Der nächste Tag der Besitzer dieser versetzten Fahrräder beginnt dann meistens mit einer längeren Suche und dem Kauf eines neuen Fahrradschlosses. Wenn man in solchen Fällen sein Rad nicht mehr wieder findet oder es vorher schon ein anderer gefunden hat, dann muss man sich wohl oder übel mit seinen Füßen begnügen. Gefahren schließt das allerdings keinesfalls aus. Fußgänger in Florenz leben nach dem Motto „Wer Angst zeigt, verliert!“. Angst haben darf man ruhig, ich denke, die hat hier jeder Fußgänger, nur darf das keiner wissen! So muss man zum Beispiel an Zebrastreifen seinen Übergang erzwingen, indem man in einem günstigen Moment vor ein ankommendes Auto springt und ihm quasi den Weg abschneidet, weil freiwillig leider niemand anhält. Im Sommer ist es als Mädchen mit kurzem Rock natürlich einfacher, dann findet man sehr viele nette Autofahrer, die einem den Weg erleichtern. Schwieriger wird es dann im Winter… Neben dem nicht abreißen wollenden Strom von Touristen, die überall stehen und staunen und damit den Weg blockieren, muss man aber noch weiteren Gefahren ausweichen: So ist zum Beispiel äußerste Vorsicht geboten, wenn man einen herannahenden Bus hört oder sieht. Dann drückt man sich am besten gegen die nächstgelegene Hauswand und passt besonders auf seinen Kopf auf, damit dieser in den engen Straßen nicht vom Seitenspiegel des Busses getroffen wird, so wie es meinem Mitbewohner passiert ist, der dann eine Woche mit Gehirnerschütterung im Bett lag. Einen deutlichen Vorteil an der Fortbewegung zu Fuß ist jedoch offensichtlich und sehr erleichternd: Man muss nicht jede Sekunde mit der Angst leben, dass das Fortbewegungsmittel geklaut wird!
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