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Als ich aus dem Flugzeug aussteige, ist Italien überall. Es ist elf Uhr abends und ich bin mit Jeans und T-Shirt eindeutig zu warm angezogen. An der Kofferabholstation herrscht das pure Chaos. Es sind drei Flugzeuge zur gleichen Zeit in Pisa angekommen und nichts geht mehr. Ungefähr zwei Stunden später sitzen mein Koffer und ich im Bus Richtung Florenz. In der Jugendherberge angekommen ist noch nicht an schlafen zu denken. Leider hat jemand meine Reservierung vergessen, daher komme ich nach weiteren gefühlten zwei Stunden Wartezeit in den Genuss eines Einzelzimmers: Ich schlafe im Krankenzimmer. Am nächsten Morgen geht die Suche los. Es ist heiß und in der vergangenen Nacht haben sich circa 50 Mücken an mir erfreut. So erreiche ich früh morgens die Universität und deren Innenhof, in dem jeden Tag zahlreiche neue Zettel mit Wohnungsangeboten zu finden sind. Viele scheinen sehr gut zu sein. Ich ergattere allerhand Schnipsel mit Telefonnummern und Adressen von potentiellen WGs. Als stolze Besitzerin einer nagelneuen italienischen Handykarte muss ich jetzt nur noch einige Nummern wählen und sehe mich schon in einem tollen Zimmer mit Balkon und Blick auf den Arno wohnen. Leider sehen meine Gesprächspartner das anders. Meistens werde ich schnell abgewimmelt mit Aussagen wie „Schon besetzt“, „Nein, wir vermieten das Zimmer nur an Italienerinnen“, oder „Studentin? Nein, wir hätten lieber eine ruhige Frau, die schon arbeitet“. Doch es gibt auch Lichtblicke: Einige Zimmer sind noch frei und die Mitbewohner scheinen nichts gegen eine deutsche Studentin in ihrer Wohnung einzuwenden zu haben. Am Ende habe ich fünf Termine zum WG-Besichtigen. Es geht also quer durch die Stadt und gleich die erste Wohnung scheint perfekt zu sein: Zwei italienische Mitbewohner, gelegen in der Nähe der Uni im Zentrum der Stadt und für florentiner Verhältnisse mit ungefähr 300 Euro sogar sehr günstig. Als ich jedoch ankomme, sehe ich auch gleich warum: Ich werde durch eine unordentliche und verdreckte Wohnung geführt und das freie Zimmer entpuppt sich als ein Durchgangszimmer zur Gemeinschaftsküche. In den nächsten Wohnungen, die ich mir ansehe, ergeht es mir ähnlich: Mal muss man auf eine Dusche verzichten, mal auf einen Kühlschrank. Und in wieder einer anderen Wohnung kommt man nur durch das Schlafzimmer des Vermieterpärchens ins Bad. Auf meine Frage, was denn passiert, wenn ich mal nachts ins Bad muss, folgt betretenes Schweigen. Immer wieder habe ich Angst, dass mir nur vom Ansehen schon Fußpilz wächst und ich frage mich, ob und wie dort wirklich jemand wohnen kann! Gequält lächelnd sage ich „Ich melde mich dann bei euch.“ und bin froh, wieder draußen auf der Straße zu stehen. Meine diversen Besichtigungstermine halten schlussendlich aber auch noch eine wirklich schöne Wohnung für mich bereit. Als ich diese betrete, wird mir mit den Worten „Gott, siehst du fertig aus!“ sofort Wasser und etwas zu essen angeboten. Doch leider habe ich auch hier kein Glück. Die Unterkunft ist zwar wunderschön und zentral gelegen, doch gerade als ich sagen will, dass ich gerne einziehen würde, fällt mir die Vermieterin ins Wort: „Das Zimmer kostet übrigens jetzt doch etwas mehr. Also du müsstest mit ungefähr 600 Euro ohne Nebenkosten rechnen.“ So verbringe ich zwei Tage, an denen ich Florenz vom einen zum anderen Ende der Stadt ablaufe. Am Ende meiner Kräfte verkrieche ich mich am Abend des zweiten Tages in die Jugendherberge und versuche mich im Internet abzulenken. Aber ich gelange doch wieder auf eine „WG in Florenz gesucht“- Seite und schreibe noch eine WG an, deren Angebot ich dort finde. Fünf Minuten später bekomme ich eine Antwort: „Es wäre toll, wenn du heute Abend noch vorbeikommen könntest, so gegen 10 Uhr?“. Also geht es mit letzter Kraft und nicht allzu viel Hoffnung doch noch einmal los. Lorenzo empfängt mich herzlich und führt mich durch seine WG. Alles ist sauber und ordentlich, niemand raucht, es gibt eine große Küche, Telefon, Internet und vier aufgeschlossene und nette Mitbewohner. Ein erster Lichtblick. Mein zukünftiges Zimmer ist klein aber sauber und ohne Schimmel an den Wänden. Meinetwegen könnte es auch noch kleiner sein, solange ich mich nicht davor ekeln muss, das Badezimmer zu betreten. Die Mitbewohner kommen aus ganz Europa: Lorenzo und Anna aus Italien, außerdem noch eine Spanierin und ein Engländer, die ich ein anderes Mal kennenlernen muss. Nach einem kurzen Gespräch in der Küche sagt Lorenzo die erlösenden Worte: „Ich finde, du passt zu uns! Ich sage dir jetzt schon mal zu 99 Prozent zu und rufe dich dann morgen Mittag an, um dir endgültig Bescheid zu geben!“ Ich kann es nicht glauben und wirklich verlassen möchte ich mich auf diese halbe Zusage auch nicht. Also steht am nächsten Morgen ein weiterer Besichtigungstermin an. Die Wohnung ist eine Baustelle, aber bestimmt schön, wenn sie fertig ist. Leider wird das erst im Oktober sein und ich brauche sofort ein Zimmer. Jetzt brauche ich eine Stärkung. Auf dem Weg zur Eisdiele kommt dann der erlösende Anruf: „Kannst du gegen 3 Uhr hier sein? Und bring deine Koffer mit!“. Als ich mit meinem Gepäck aus dem Taxi steige, erwartet Lorenzo mich schon. Nachdem mein Koffer und ich im Flur meiner neuen WG stehen, ist die erste Frage an mich, ob ich Hunger habe. Und wie! Es gibt Pasta. Ich bin angekommen!
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