|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
![]() |
![]() ![]() ![]() ![]()
Es ist heiß. Die Wellen peitschen an die steinige Küste Tel Avivs. Alex und Ich sitzen auf einem dieser kantigen Felsen. Der Wind verhindert das Anzünden seiner Zigarette. Alex flucht. Dann glüht sie doch. Ein tiefer Zug und die ersten Worte kommen inklusive des Rauches aus seinem Mund: „You know, I hate this war“. Jeder hasst ihn, diesen Krieg, diesen Konflikt, das ständige Hin und Her, dieses Leben in Angst, dass jeder Bus eine fahrende Bombe sein kann. Alex hat diesen Krieg gespürt. Er war hautnah dabei. Er wurde kein Opfer eines Anschlages oder Ähnliches. Alex war im Krieg. Er hat in Gaza gekämpft. Zwei Jahre nachdem er seine letzte Matheklausur geschrieben hatte. Raketen im Garten Der gebürtige Russe - der wie viele andere seiner Landsleute noch in den Kinderschuhen steckend nach Israel kam - wuchs in Ashkelon auf. Eine südlich von Tel Aviv gelegene Stadt. Sie befindet sich keine 30 Kilometer entfernt vom Gaza-Streifen. Oft wird diese Stadt Opfer von Raketen-Angriffen. Eines Tages, so berichtet mir Alex, hörte er es krachen. Er schaute aus dem Fenster und sah wie eine selbstgebaute Rakete in den Nachbargarten eingeschlagen war. Im Laufe des Jahres werde ich Zeuge, wie seine Mutter ihn anruft und davon berichtet, dass wieder eine Rakete im Garten gelandet sei. Minuten darauf sieht man Alex Mutter im israelischen Fernsehen. Wie alle Israelis, egal ob Mann oder Frau, musste auch Alex zur Armee. Direkt nach der Schule. Mit 18 Jahren fing es an. Er freute sich darauf, erzählt er mir. Der typisch israelische Patriotismus spricht aus ihm heraus: Man solle sein Land verteidigen gegen die Terroristen, daher sei es richtig, dass jeder den Umgang mit der Waffe lernt. Er klingt sehr überzeugt von seiner Einstellung, wirkt sicher und ernst. Ob er die Araber nicht mag, frage ich vorsichtig. Natürlich möge er die Araber, versichert er vehement. Er kauft bei Arabern ein, geht mit ihnen zum Fußball und hat arabische Freunde. Doch man müsse unterscheiden können. Es gebe Menschen, die wollen dich und deine Familie töten und diese müsse man bekämpfen. „I was good in shooting“ Die Männer müssen drei Jahre zur Armee. Zwei Jahre Grundausbildung, danach ein Jahr Kriegseinsatz in einer der Krisenherde der Region: Gaza, Libanon, Syrien, West-Jordanland. Alex ging in den Gaza-Streifen, mit 21 Jahren. „I was good in shooting“, lacht er und zeigt mir gleichzeitig auf seinem I-Phone Bilder, auf denen er mit einer M4 unter dem Arm auf einem Panzer hockt. Im Hintergrund sieht man nichts, außer Wüste und Gestein. Gerade weil er so gut schießen konnte, wurde Alex in ein Sonderkommando versetzt. Dieses Kommando rücke dann aus, wenn es ernst werde, sagt Alex. Die Sonne geht langsam unter. Die Wellen peitschen weiter gnadenlos gegen das Gestein. Alex holt Tabak aus seiner Tasche und fängt an sich seine vierte Zigarette zu drehen. „One day“, beginnt er langsam, „I almost died“. Erneut lässt der Wind die kleine Flamme aus Alex´ Feuerzeug erlöschen. Als die Zigarette endlich glüht setzt er seine Erzählung fort: Es war ein ruhiger Nachmittag. Plötzlich ein Hinterhalt, plötzlich Geschrei, Schüsse. Alex erzählt mir sehr detailliert, was geschah. Er lag hinter einer Mauer. Der Beton der Häuser prasselte auf seinen Helm. Über ihn Schlugen die Kugeln ein. Ich frage, was er gemacht habe. „Shoot, you must shoot or you die“. Abends feiern, morgens Krieg Alex ist mittlerweile Mitte Zwanzig. Er arbeitet mal hier, mal da, geht viel feiern, ist ein geselliger Typ. Er genießt sein Leben. Achtet nicht auf Geld oder was in zwei, drei Jahren passieren kann. „I just want to live“, grinst er und hält seine Flasche Bier gegen meine. Man sieht es ihm aber an: Dieses Erlebnis. Sein Gesicht erzählt dieses Ereignis. 11 Monate habe ich mit Alex gearbeitet, gefeiert und gelebt. Sobald das Gespräch auf dieses Thema, diesen Krieg, hinauslief, veränderte sich seine Stimme. Er wurde ernster, plötzlich so nachdenklich. Viele junge Männer und Frauen in Israel erleben ähnliche Geschichten. Manche sterben, werden verletzt oder gar entführt. Nachts in den Kneipen und Clubs spielen diese Geschichten keine Rolle. Sie sollen auch keine Rolle spielen. Denn dort sind sie alle junge, feiernde Menschen. Sobald diese jungen Menschen wieder ihre Uniform tragen, das Gewehr entsichern und den Helm aufziehen sind sie Soldaten. Soldaten in einem Krieg.
|