Zielpunkt Wien.
   
 

Die erste Couch.
   
 

An jeder Ecke was zu sehen.
   
45 Sekunden rödelt der Computer herum. Dann spuckt das Blindbooking-System von Germanwings das Ergebnis heraus: "Wien. Mh." Das ist weder die Metropole in Osteuropa noch der Sonnengarant, den wir uns erhofft hatten. Zu Wien fallen uns spontan nur Caféhäuser und der Prater ein, von dem wir nicht wissen, was er ist.

Auf der anderen Seite arrangiert man sich aber schnell, wenn man gerade einmal 40 Euro für Hin- und Rückflug gezahlt hat. Das Hinkommen wäre also geplant, fehlt nur noch die Unterkunft. Helenas Kontostand liegt schon seit Beginn des Monats nur wenige Euro über Null. Und das Gehalt von meinem letzten Job kommt erst in ein paar Wochen. Unsere finanziellen Möglichkeiten sind also etwas begrenzt. Schnell haben wir uns auf folgende Bedingungen geeinigt: Die Unterkunft muss weniger als der Flug kosten. Im Idealfall überhaupt nichts. Da wir beide keine Wiener Freunde, also keine potentiellen Gastgeber haben, ist dieses Ziel hochgesetzt. Aber wir haben schnell eine Lösung gefunden: Couchsurfing.

Von allen in Wien registrierten Couchsurfern geben 837 an, dass sie mindestens zwei Reisende bei sich aufnehmen können. Ein erstes Scrollen durch die Profile zeigt, dass der Großteil der Wiener Couchsurfer Anfang bis Ende 20 ist, sich als tolerant, offen und freundlich bezeichnet und gerne reist. Diese Eigenschaften bringen wir auch mit, finden wir, und schreiben frohen Mutes die ersten an. Doch Wien scheint ein gefragtes Pflaster zu sein: Die ersten zehn Antworten sind zwar durchgehend extrem freundlich, aber auch durchgehend Absagen. Der Flug geht in 4 Tagen, langsam wird die Zeit etwas knapp. Doch zum Glück sind Couchsurfer ein spontanes Völkchen zu sein: 3 Tage vor Abflug bekommen wir zwei Zusagen. Matthias, 29 Jahre alt, Beleuchter beim Film, wird uns in der ersten und dritten Nacht bei sich aufnehmen. Und in der zweiten Nacht kommen wir in der WG von David, einem 25jährigen Volksschullehrer, unter.

Couch Nr. 1 und die "Oatrigen"

Etwas geplättet vom Flug und mit einstündiger Verspätung kommen wir Freitagabend auf dem Wiener Flughafen an. Ich rufe Matthias an, um Bescheid zu sagen, wann wir bei ihm auftauchen werden. Am Telefon klingt er ein bisschen abwesend und gelangweilt. Wir sind etwas besorgt: Ist der Typ etwa ein eingenommener Schnösel? Die Stimme am Telefon könnte aber auch schlicht ein Hinweis darauf sein, dass ihn der Anruf aus dem Schlaf gerissen hat oder dass er sich gerade gemütlich einen Joint reinzieht. Wir werden sehen.

An der angegebenen Adresse im fünften Bezirk angekommen, öffnet uns ein sympathisch aussehender, großer Typ mit Haaren à la Hagrid aus Harry Potter die Haustür und stellt sich als Matthias vor. Sofort steht fest: Die Schnösel-Sorge war definitiv unbegründet. Im vierten Stock angekommen bewundern wir zunächst gebührend die schöne Eckbauwohnung mit hohen Decken und breiten Fensterfronten. Im Wohnzimmer stehen zwei große Couches bereit, die nur auf passende Couchsurfer zu warten scheinen.

Kein Wunder: Matthias hat seit seinem Einzug vor ein paar Monaten bereits über 20 Couchsurfer bei sich aufgenommen. Fasziniert hören wir uns bei einer Flasche Prosecco ("Hab ich geschenkt bekommen, muss geleert werden.") Geschichten von seinem Joballtag als Beleuchter bei verschiedensten Film-Produktionen in ganz Österreich an.

Die Versuchung ist groß, das gemütliche Beisammensitzen einfach auf den Rest des Abends auszudehnen, doch wir haben noch Pläne: Matthias hat sich mit Freunden in einem Club verabredet und wir werden selbstverständlich mitgenommen. Vor Verlassen der Wohnung fragt er mich, ob denn schon "Haubenzeit" sei. Auf meinen verständnislosen Blick hin deutet er auf seinen Kopf und ich verstehe: Haube = wienerisch für Mütze. Ohne Hauben fahren wir gemeinsam ins Chelsey, in dessen Gewölben wir bis in den Morgen tanzen und noch das ein oder andere Mal auf unseren ersten gemeinsamen Abend anstoßen. Bevor wir uns auf den Heimweg machen, hole ich mir auf Empfehlung unseres Gastgebers noch eine Portion Käsekrainer (Wurst gefüllt mit Käse) vom Imbiss-Stand. Schmeckt köstlich! Zum Glück erfahre ich erst einen Tag später, dass diese Würste hier mit dem ebenso liebevollen wie treffenden Beinamen "Oatrige" (Eitrige) bezeichnet werden.


Am zweiten Tag ging's auf eigene Faust durch die Stadt. Was Annette und Helena dabei entdeckt haben? Hier steht's!

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