Blick aus dem Cockpit
Sobald sich die Acrylglashaube schließt, spürt man die Kraft der Sonne in diesem schmalen Cockpit, das sich rasch erhitzt. Am Pilot vorbeiblickend sehe ich die Graslandebahn des Flugplatzes Bonn-Hangelar, die sich aus dieser Perspektive in schier unendliche Länge zu ziehen scheint. Plötzlich ein Ruck, und die Maschine saust nach vorne, um nach wenigen Metern abzuheben. Ich fühle mich wie in einem Jet - von Null auf 100 in drei Sekunden. Der Steigwinkel ist so groß, dass ich um mich herum nur noch blauen Himmel sehe, während ich tief in den Schalensitz gepresst werde. Schwerfällig und unspektakulär wirkt hier im Vergleich der Start einer normalen Verkehrsmaschine, es fühlt sich eher an, wie das erste Stück einer Achterbahnfahrt – nur eben viel schneller. Nach wenigen Sekunden rasantem Steigflug ist die Höhe von circa 500 Metern erreicht. Das Startseil klinkt aus und fällt zu Boden, während das Segelflugzeug langsam in die Horizontale übergeht. Welch ein Panoramablick durch das Acrylvisier der Pilotenkanzel! Bis weit nach Bonn, Köln und dem Siebengebirge geht der Blick, während der Segelflieger sanft und fast geräuschlos seine Bahnen zieht. Nur ein leichtes Pfeifen des Windes ist auszumachen. Der Traum vom Fliegen kann wohl kaum greifbarer werden.

Das leicht mulmige Gefühl im Magen ist längst vergangen. Ein wenig skeptisch hatte ich vorher das winzig schmale Cockpit betrachtet, und der obligatorische Fallschirm auf dem Rücken deutete eher auf die potentielle Gefahr hin, als zu beruhigen. Im Notfall würde er nach Öffnen der Kuppel und Hinausspringen durch eine Reißleine automatisch ausgelöst. All dies ist nun längst vergessen. Fluglehrer Günther Seemann steuert die ASK 21 des aeroclub bonn-hangelar e.V. bedächtig und erklärt mir Steuerung und Instrumente; dann darf ich sogar einmal kurz selbst übernehmen. In einem doppelsitzigen Schulungssegelflugzeug ist auch auf dem hinteren Platz, wo normalerweise der Lehrer sitzt, ein Steuerknüppel vorhanden. Leicht ziehe ich diesen zu mir und tatsächlich reagiert die Maschine sofort und geht mit der Nase nach oben. Ein Druck in die andere Richtung senkt sie wieder ab und die Kunst besteht nun darin, den Segler auszupendeln und im Geradeausflug zu halten. Als Seemann in die nächste Kurve steuert, beginnt es laut zu piepen und

St. Augustin/Menden aus circa 400 Metern Höhe
auf dem kleinen Gerät vor mir blinkt es rechts. Das Kollisionswarngerät! Für eine Sekunde erschrecke ich, sehe dann aber ein anderes Segelflugzeug in ausreichendem Abstand schräg unter uns vorbeiziehen und aus der vermeintlichen Gefahr wird ein schönes Fotomotiv. „Für uns ist dieses Gerät sehr wertvoll, da wir so immer sehen können, ob andere Maschinen in unserer Nähe sind, oder eventuell sogar auf Kollisionskurs“, erklärt Günther Seemann. „Gerade in Aufwinden fliegen wir oftmals mit vielen Flugzeugen zusammen und das Warngerät gibt uns genügend Zeit zu reagieren und zeigt neben der Flugrichtung auch an, ob es höher oder tiefer fliegt als wir.“

Nach einer weiteren Runde ist jetzt leider schon die Zeit für den Landeanflug gekommen. Eine letzte Schleife führt über die Güterzugstrecke, die aus dieser Perspektive wie eine überdimensionale Modelleisenbahn wirkt, und das Flugzeug schwenkt Richtung Landefläche. Augenblicke später setzt die Maschine sanft auf der Graspiste auf und rollt schnell aus. Die Erde hat mich wieder. Während das Schulungsflugzeug zurückgezogen wird, macht sich bereits der nächste Segler zum Start klar. Auch hier wird der Windenwagen benutzt, ein vom Club in Eigenregie umgebauter LKW, der über eine doppelte Seilzuganlage zum Start der Maschinen verfügt. „Das sind 360 PS, die am Seil ziehen und damit das Drehmoment direkt in die Beschleunigung umsetzen und so das schnelle Starten und steile Steigen ermöglichen“ erklärt Seemann den etwas bizarr wirkenden LKW mit seinen zwei fast ein Kilometer langen Seilzügen. Durch sie können die Segelflugzeuge auf eine Flughöhe von rund 440 Metern über Grund gebracht werden; möchte man höher hinaus oder in einem anderen Fluggebiet nach Aufwinden suchen, muss man den teureren Motorflugzeugschlepp nutzen.


Hier geht es weiter zum zweiten Teil unserer Reportage


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