Strahlender Sonnenschein. Bedächtig setzt sich das Schaufelrad in Bewegung. Eine Umdrehung, die zweite Umdrehung, bis das Ungetüm schließlich in seinen gemütlichen Rhythmus verfällt. Die Anlegestelle verschwindet hinter der ersten Biegung des Flusses und ein eindrucksvolles Panorama präsentiert sich den staunenden Betrachtern. Grün liegen die üppig bewachsenen Hänge direkt am Flussufer. Steile Felsformationen ragen aus der Landschaft hervor. Zwischendurch immer wieder weit angelegte Weinstöcke.


Schaufelraddampfer Goethe
Gemächlich schippert die Goethe an der eindrucksvollen Landschaft vorbei. Der Schaufelraddampfer und Schmuckstück der KD ist gut besucht. An die 400 Gäste tummeln sich auf den Sonnendecks oder in dem weitläufigen Salon. Das Publikum erlebt zum größten Teil bereits seinen zweiten Frühling. „Älteres Schiff, ältere Leute“, scherzt Kapitän Hans Schneider. Zufrieden sitzt er in seinem breiten, ledernen Stuhl auf der Brücke und schaut aufmerksam auf den Fluss hinaus. Ein richtiger Seebär, mit weißem Bart und ernsten aber freundlichen Gesichtszügen. Während er spricht, bedient er immer wieder das Ruder, einen unscheinbaren Hebel zu seiner Rechten. „Das große Steuer gibt es schon lange nicht mehr. Das steht jetzt unten, für unsere kleinen Passagieren“, erklärt er amüsiert bei so viel Unwissenheit.

Das Schiff ist bereits eine geraume Zeit unterwegs. Nicht lange nach dem Ablegen in Boppard, einem hübschen, auffallend verspielten Nest am Flussufer, passiert es Kamp-Bornhofen. Hoch über der Stadt thronen die „feindlichen Brüder“. Schon früh zeichnet sich der strahlend weise Bergfried der Burg Sterrenberg gegen die Vegetation der Umgebung ab. Romantisch liegt die älteste Burg am Rhein auf einem steilen Felsen, dessen Hänge viele Meter in die Tiefe stürzen. Wenige Augenblicke später, löst sich eine zweite Festung aus ihrem Schatten. Burg Liebenstein ist rauer und von einem ganz eigenen Charme gekennzeichnet. Zwei hohe aus massivem Stein gebaute Mauern, trennen die beiden Anlagen. Der Legende nach, bewohnten zwei unähnliche und verfeindete Brüder die Burgen. Im Streit um eine wunderschöne Jungfrau entzweiten sich die beiden, bis diese sie zur Einsicht zwang und selbst ins Kloster ging. All zu gut, kann man sich die weiten, eisigen Räume hinter den dicken Mauern vorstellen. An einem prasselnden Kaminfeuer wärmten sich die Ritter von den Strapazen ihrer Reisen.


Die "feindlichen Brüder": Burg Sterrenberg und Burg Liebenstein
Der Kapitän kennt die atemberaubende Aussicht zur Genüge. Sein Blick ist auf die Fahrrinne gerichtet. Das Fernglas liegt griffbereit vor ihm auf dem Armaturenbrett. Die „Gothe“ ist eines von 14 Schiffen der Köln-Düsseldorf Flotte. Jeden Tag begibt es sich auf die Nostalgie-Strecke zwischen Koblenz und Rüdesheim, die Dank ihrer einmaligen Landschaft und Bauten UNESCO- Weltkulturerbe ist. Das Rheinschifffahrt-Unternehmen KD fährt außerdem zwischen Düsseldorf, Köln und neuerdings auch Frankfurt. Hans Schneider ist seit eine Jahr mit von der Partie. Sicher lenkt er das Dampfschiff den Rhein herauf und herunter. Doch „Kollisionen sind auch auf dem Rhein nicht ausgeschlossen.“ Er erzählt von einem Schiff das erst vor kurzem bei Duisburg gesunken ist.

Mit seinen 96 Jahren gehört die Goethe schon lange nicht mehr zu dem jungen Eisen. Beschwichtigend fügt der Kapitän hinzu, dass der Damfer1995/96 von Grund auf saniert und technisch auf die Höhe der Zeit gebracht wurde. Im letzten Winter wurde der Dampfantrieb gegen zwei Dieselmotoren von je 500 PS ausgetauscht. Mit durchschnittlich 11,2 Kilometern pro Stunde wälzt sich das Schiff durchs Wasser. Mit dieser Geschwindigkeit zieht es zwar an den tief liegenden Frachtschiffen vorbei, muss sich allerdings von jedem kleineren Gefährt recht mühelos überholen lassen. Die Passagiere scheint das nicht zu stören. Bei einem Glas Wein schweifen die Blicke bedächtig über die dahin gleitende Kulisse. Unter den Staunenden sind neben Rentnern, vor allem Japaner und Chinesen. „In der Krise sind es weniger geworden. Überhaupt hat das Fahrgastpotenzial abgenommen“, erzählt der Kapitän. „Früher da waren auch noch viele Amerikaner an Bord.“ Man setzt auf das asiatische Publikum. Neben Deutsch und Englisch werden die Erklärungen zu den umliegenden Sehenswürdigkeiten auf Japanisch und Chinesisch gehalten.


Hier geht es weiter zum zweiten Teil unserer Reportage

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