Couch-Surfing erfreut sich gerade unter Studenten immer größerer Beliebtheit. Dabei ist nicht nur der Kostenfaktor ein ausschlaggebendes Argument. Chris, ein erfahrener Surfer aus Duisburg, erklärt uns, dass insbesondere das Gefühl in einer fremden Stadt aufgenommen zu werden, als sei man daheim bei guten Freunden, das Experiment wert sei.

Chris, wie und wann bist Du das erste Mal auf die Möglichkeit des Couch-Surfing aufmerksam geworden?

Eigentlich bin ich zum ersten Mal mit dem Thema Gastfreundschaft (denn darum geht es) so richtig 1992 in Berührung gekommen. Damals war ich 16 und während eines dreiwöchigen Schüleraustauschs auf Irland. Die Gastfreundschaft, die ich dort erfahren habe - primär in meiner Gastfamilie, aber auch überall sonst - war für mich eine so prägende Erfahrung, dass für mich schon damals klar war, dass ich dieses Gefühl irgendwann einmal zurückgeben möchte. Ich habe in dieser Zeit erkannt, dass grenzüberschreitende Gastfreundschaft sehr glücklich und befreiend sein kann. Und das gilt für beide Seiten, den Gastgeber ebenso, wie für den Gast. Dass beim Couchsurfing kein Geld im Spiel ist, fokussiert uns wieder darauf, wie schön es ist, Menschen einfach so zu helfen. Letztlich kommt das alles, wenn nicht durch Geld, dann doch durch andere Gesten des Dankes in vielfacher Weise zurück. Aus Irland stammt auch folgendes Sprichwort, welches seit damals eines meiner Lebensmottos geworden ist: „A stranger is a friend you haven`t met before!“.

Im Zeitalter des Internets erzählte mir dann Ende 2005 eine Freundin von der Webseite www.hospitalityclub.org. Dies war der Startschuss für meine „Couchsurfing“-Tätigkeit. Bis zum Jahre 2007 nutzte ich hauptsächlich die vorgenannte Plattform, anschließend aber fast nur noch www.couchsurfing.com. Beides funktioniert zwar nach dem gleichen Prinzip, couchsurfing.com ist aber eindeutig bedienungsfreundlicher. Bald lernte ich über Couchsurfing-Treffen andere Reisende/Couchsurfer kennen und begann relativ schnell auf einigen Couches bzw. Betten zu „surfen“. Rasch hatte ich dann auch einige Gäste bei mir daheim. Von da an wurde ich einfach „süchtig“ danach, Menschen umsonst zu helfen, bzw. nach diesem, auf Gegenseitigkeit beruhenden, Prinzip. Man tauscht sich über alle möglichen interessanten und witzigen Sachen aus und hat einfach eine relaxte, gute Zeit. Insgesamt kann ich sagen, dass die Erfahrungen, die ich machen konnte, meinen Horizont erweitert haben.

Wie oft hattest Du seitdem Gäste bei Dir daheim und wie häufig durftest Du schon in anderen Wohnzimmern unterkommen?

Alleine seitens couchsurfing.com hatte ich nun schon insgesamt über 100 Gäste. Der Jüngste von ihnen war 18, der Älteste 78. Gerade im Moment hoste ich zwei rumänische Couchsurfer. Sie beide sind 24 Jahre alt. Zusätzlich habe ich noch über 100 Singer/Songwriter, Bands, Dichter und Musiker aus aller Welt nach ihren Auftritten im anliegenden Café Steinbruch hier, bei mir untergebracht. Couchsurfing-Gast war ich mittlerweile etwa 50 Mal. Nächste Woche werde ich für eine Woche in London sein und dort innerhalb von 7 Tagen bei drei verschiedenen Couchsurfern übernachten.

Kannst Du uns vielleicht erzählen, wo Du schon überall unterwegs warst?

In Deutschland bin ich von Norden bis Süden, von Osten bis Westen in vielen Städten gesurft, beispielsweise in Köln, Hamburg, Bonn, Freiburg, Hannover, Berlin, Magdeburg und Dresden. In vielen Städten surfte ich auch mehrmals. Darüber hinaus war ich sehr viel in Holland und Skandinavien unterwegs zum Couchsurfen. Aber auch schon in Polen, Frankreich, Litauen und England habe ich einige Erfahrungen sammeln können.

Haben sich während der ganzen Zeit auch Freundschaften entwickelt?

In dieser Zeit haben sich schon einige Freundschaften entwickelt, natürlich, würde ich fast sagen. Bei vielen fühlt es sich so an, als würden wir uns schon seit dem Kindergarten kennen und wären auch seitdem die allerbesten Freunde...

Und hattest Du nie Angst, dass man Dich übers Ohr hauen könnte, oder ist es Dir vielleicht wirklich mal passiert, dass etwas in Deiner Wohnung weggekommen ist?

Ganz kurze Antwort : Nein!

Was war das schlimmste, was das schönste Couch-Surfing-Erlebnis, das Dir im Gedächtnis geblieben ist?

Ein schlimmes Erlebnis gab es eigentlich noch nicht, wirklich nicht. In Nijmegen war meine Herberge auf einmal ein „besetztes Haus“, aber auch diese Erfahrung hat mir Freude bereitet. Irgendwie war es auch lustiger als in manch großer Villa, wo ich übernachtet habe. Ansonsten fällt mir jetzt nichts wirklich Schlechtes ein.
Und das schönste Couchsurfing Erlebnis? Well – too many (lacht). Prinzipiell waren alle Erfahrungen für sich genommen großartig und schön. Letztens war ich mit einer Australierin zusammen joggen. Wir haben hinterher gekocht und sie hat mir ein paar Bilder aus Ihrer Heimat gezeigt und sich mit mir über Deutschland und Europa unterhalten. Das war wieder einmal ganz verzaubernd toll. In München hat mir Phil sein One-Man-Appartment überlassen und hat selbst während meines Aufenthalts bei Freunden übernachtet. Vielen Erfahrungen ging der Leitsatz voraus: Always expect the unexpected!

Was denkst Du, welche Voraussetzungen man als Couch-Surfer mitbringen sollte?

Man sollte den Mut haben Mensch zu sein und keine Angst vor dem Fremden haben. Für mich persönlich gibt es den Begriff „Fremder“ mittlerweile gar nicht mehr so wirklich. Man sollte Freude haben am Gespräch und vielleicht auch nicht alles so ernst sondern eher locker sehen. Man sollte Spaß am Schenken haben und natürlich am Beschenkt-werden. Man sollte Menschen mögen und sich auch für sie interessieren und vielleicht auch Interesse für viele andere Dinge wie Musik, Kunst, Literatur oder Geographie mitbringen. Aber man sollte auch stets offen für neue Interessensgebiete sein und nicht davor zurückscheuen, seinen Horizont erweitern zu lassen. Und letztlich ist das doch etwas, was in allen Menschen steckt.

Und zu guter Letzt: Hast Du ein paar Survival-Tipps für Erstlinge?

Ich kann nur raten seinen ganz normalen Menschenverstand zu benutzen und es einfach mal selber auszuprobieren. Zu einem CS-Meeting zu gehen und andere CSler bei einem Treffen kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen. Es aber einfach mal auszuprobieren und keine Angst davor zu haben selber Gast zu sein, ist vielleicht der beste Tipp. Egal wie alt Du bist, oder wie viel Du verdienst oder welchen gesellschaftlichen Rang Du inne hast: Du wirst überrascht und überwältigt vom Ergebnis sein und natürlich diese Gastfreundschaft auch selber weitergeben wollen. Always expect the unexpected! And...enjoy! Das ist mein Ratschlag.

Als Beispiel für die überwältigende Gastfreundschaft innerhalb der Couchsurfing-Community, hat Chris uns eine Antwort auf seine Surfing-Anfragen für den geplanten London-Aufenthalt gegeben. Man bedenke erneut: Er und Emilie haben sich noch nie zuvor gesehen.


„Hi Chris!
Sure, come and stay - it'll be fun! Do you want to
stay from the 16th to the 22nd, or just a part of that?
I don't mind if you want to stay for the whole time,and
who knows, if we end up hating each other you can
always go to the hostel down the road from me :D

What do you want to do in London? Tell me what stuff
you're interested in and I'll plan some cool stuff that
you can do, if you want :) if any of my friends and I
are having parties then of course you're invited, but I
will probably have lots of studying to do so I may just
tell you where to go and leave you to it :D

I can cook you dinners and probably breakfast if you
get up early (I have VERY early lectures some days) and
I'll leave lunch up to you - I'll send you information
about some cool places to eat.

If you've got any questions about things I haven't
covered, just ask - and make sure you bring interesting
stories and alcohol with you, they're my only terms and
conditions! :D

Emilie :D”

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