Spätestens 1949, als Anton Karas die Filmmusik zu dem weltberühmten Orson Welles-Film „Der dritte Mann“ mit einer Zither aufnahm, stieg der Bekanntheitsgrad dieses traditionsreichen Instruments enorm an. Karas ging auf mehrjährige Tournee, trat vor dem Papst und dem japanischen Kaiser auf.
Heute ist dagegen gerade jüngerem Publikum in unserer Region ist die Zither nicht mehr unbedingt ein Begriff – sie ist zu volkstümlich, zu antiquiert, so die Vorurteile. Neue Musiker kommen nicht nach, das Hobby des Zitherspielens droht auszusterben. Einer der wenigen Menschen in Nordrhein-Westfalen, die mit dieser Musik noch auftreten, ist Gerd Bellinghausen. Unfreiwillig lernte der heute 69-jährige Essener im Alter von zwölf Jahren Zither. Mit einem Lachen erzählt er: „Meine Mutter hat mich dazu gezwungen, weil sie die Musik so geliebt hat. Sie hat sich damals 20 Mark vom Munde abgespart, was sehr viel Geld war. Damit hat sie mir dann eine gekauft.“ Zu Fuß musste er dann eine Stunde zum Lehrer laufen, damit er eine halbe Stunde spielen konnte.
Nicht nur seine Mutter hat zu Bellinghausens Zitherkarriere beigetragen. Sein Vater war damals im Vorstand des Kolpingvereins, wo der Sohnemann das erste Mal auf einer Karnevalsfeier vor Publikum spielte. Seinen spannendsten Auftritt hatte er aber später in Hagen: Der Bandleader Hugo Strasser gab dort ein Konzert mit seinem Tanzorchester, während Bellinghausen seine Zither im Foyer spielte. Strasser kam dann extra zu Bellinghausen, um sich das Instrument erklären zu lassen. Eine Begegnung, die der Zitherspieler als große Ehrung empfand.
Einen Beruf machte Bellinghausen aus dem Zitherspielen aber nicht. Er wurde KFZ-Mechaniker und arbeitete anschließend als Chauffeur. Mit 30 Jahren bekam er mit, dass die Polizei noch Leute suchte. Er bewarb sich und hatte Erfolg: „Ich wurde dann als einziger aus 50 Personen ausgewählt“. Der Streifendienst ging Bellinghausen aber auch oft genug aufs Gemüt und er musste aufpassen, dass er seine Frau und seine drei Kinder damit nicht auch belastete. Da war die Zither eine willkommene Abwechslung neben dem Polizistendasein. Weil Bellinghausen bei seinen Auftritten Tanzmusik macht, war am Anfang immer ein Schlagzeuger mit ihm unterwegs. Da der sich aber eher auf Alkohol als auf die Musik konzentrierte, musste eine andere Lösung her. Mit einem Arbeitskollegen baute Gerd Bellinghausen deswegen eine elektrische Zither mit einer eingebauten „Drum-Machine“. So hat er das Schlagzeug immer mit dabei und konnte von nun an als Solist herumreisen.
In den letzten Jahrn hat sich eine ansehnliche Fangemeinde entwickelt. Ein Mal im Monat können Liebhaber der Zither Bellinghausen in einem Lokal, das einen österreichischen Abend veranstaltet, zuhören. Und die etwa 40- bis 60-Jährigen kommen auch immer wieder gerne. Besonders schön ist es, wenn ihm die Fans jahrelang treu bleiben. Eine Geschichte hat Bellinghausen besonders berührt: „ Da hat ein Paar mich gefragt, ob ich bei ihrer Hochzeit spielen kann. Die haben auf dem Land in einem Schweinestall gefeiert, der umgestaltet wurde und sogar einen Teppich hatte. 25 Jahre später habe ich dann für das gleiche Paar auf der silbernen Hochzeit gespielt. Die fand auch wieder in dem Schweinestall statt“.
Einen Namen hat sich Bellinghausen mit seiner Musik in den 57 Jahren, die er nun spielt, auf jeden Fall gemacht. Zum dritten Mal spielte er dieses Jahr beim österreichischen Stand auf der Reisemesse International Köln, und auch auf anderen Messen und Veranstaltungen in der Umgebung macht er Musik. Von Peek & Cloppenburg kam dieses Jahr zum Beispiel eine Anfrage für deren Weihnachtsfeier. Eigentlich wollte er schon längst mit den Auftritten aufhören, aber bei Angeboten wird er dann doch wieder schwach: „so lange es noch geht, mache ich auch noch weiter.“ Nur die Titelmelodie von „der dritte Mann“ spielt er nicht mehr gerne. Dafür wurde er schon zu oft danach gefragt.