Das Publikum wird aufmerksam und nimmt sofort Platz, um herrenlose Gepäckstücke aus den Kabinen zu ersteigern. Sie alle wurden - aus welchen Gründen auch immer - vergessen, verloren oder nie abgeholt. Immer mehr vorübergehende Leute bleiben stehen und schauen neugierig dem Verlauf der Auktion zu.
Zu Beginn wird auf ein großes Schild, das sich auf der Bühne befindet, verwiesen. Es wird über Mikrophon mitgeteilt, wie man an der Auktion teilzunehmen hat: Man muss zunächst einen kleinen blauen Zettel mit seiner privaten Adresse ausfüllen. Im Anschluss erhält man ein leuchtend grünes laminiertes Kärtchen, das mit einer Nummer versehen ist. Zusätzlich angebrachte Aufkleber deuten darauf hin, was alles verboten ist: Hunde, Rauchen und lautes Telefonieren. Und dann geht es auch schon los. Aus Interesse und reiner Neugier begebe ich mich auf direktem Wege zum Gepäckstapel, um die Koffer aus nächster Nähe besser betrachten zu können. Meine Kauf- bzw. Mitbietlust scheint auffällig zu sein, denn schon wird mir ein Tipp gegeben. Sollte mir etwas besonders gut gefallen und stünde ich unter Zeitdruck, wäre es kein Problem, das ausgewählte Stück vorzuziehen und es auf der Bühne zu präsentieren.
Gespannt visiere ich die im Tresen ausliegenden Digital-Kameras und Schmuckstücke an. In der Hoffnung, etwas Hübsches zu ergattern, beschließe ich, an der Auktion in Absprache mit meinen Kollegen teilzunehmen, da wir alle etwas Geld zum Ersteigern zusammengeworfen hatten. Zudem informiere ich mich über den bisherigen Verlauf der Auktion. Da es gestern wohl eher schwach gewesen sei, was eventuell auf die geringere Besucherzahl zurückzuführen wäre, ist es heute sehr viel besser und ich bekomme mit, wie sich die Leute um die Koffer streiten. Immer mehr grüne Karten sind zu sehen. Dann heißt es plötzlich auch für mich Platz zu nehmen und konzentriert darauf zu achten, was gezeigt wird. Nach anfänglichem Zögern scheint plötzlich „unser“ Koffer auf der Bühne zu stehen. Eine schwarze Tasche mit der Aufschrift „Billa Bong“ inklusive roter MAG-LITE werden bei einem Startangebot von 20 Euro vorgestellt. Sofort ist für uns klar: „Die wollen wir haben!“. Doch dann tauchen Unstimmigkeiten innerhalb der Gruppe auf, die unser Zögern erklären. Bis 40 Euro bot ich mit. Ich hätte weiter geboten, doch ich hörte meine Kollegen sagen: „Bist du verrückt?“ So blieb ich bei 40 Euro und die Tasche ging für 45 Euro an die Nummer 243 weg. Die Enttäuschung war groß, zumindest bei mir.
Das nächste Auktionsstück wird auf die Bühne getragen. Es handelt sich dabei um einen aus geflochtenem Bast angefertigten Teppich. Mit den Worten: „Es gibt ja auch Gäste, die man nicht leiden kann“ versucht der Auktionator den Mitbietenden den Teppich schmackhaft zu machen. Leider ist das Publikum davon nicht überzeugt und der Teppich wird vorerst zur Seite gelegt.
Eine Reihe hinter mir sitzend befrage ich eine Frau: „Mit welcher Ambition nehmen Sie an der Auktion teil?“ „Es könnte ja auch mal ein Schnäppchen dabei sein“, antwortet Magdalene Gilles aus Marienheide, die erwartungsvoll auf die Bühne blickt. Während der gesamten Auktion folgen viele spannende Teile aufeinander. Zum Beispiel geht eine Tragetasche, welche spitze Lackstiefel beinhaltet, an einen älteren Mann, der sich mit den Worten „Ist doch bald Weihnachten“ den sich belustigten Blicken der Zuschauer zur Wehr setzen möchte.
Nach eineinhalb Stunden bieten wir erneut mit. Unser Erfolg: eine beige Reisetasche plus Kofferboy für 15 Euro. Nachdem die Bezahlung erfolgt ist, wird genauer inspiziert. Leider finden wir nur eine benutzte, alte Daunenjacke. Mist! Das Gelächter in unserer Umgebung ist groß. Aber wir lassen uns dadurch nicht entmutigen und bieten fleißig weiter mit. Es folgt schnell der nächste Misserfolg: Dieses Mal gehen uns jedoch nur acht Euro verloren. Wieder war die falsche Kommunikation schuld. Wir versinken fast im Boden vor Scharm. Der krönende Abschluss unserer Aktion folgt jedoch, nachdem sich meine Kollegen alle erfolgreich nach und nach verabschiedeten. Ich ging mit gekrümmtem Rücken, da sich der Kofferboy nicht ausfahren ließ, durch die überfüllte Messe und durfte mitleidige Blicke ernten.
Eines steht fest: Risiko bei einer Auktion gibt es immer, aber wer das Abenteuer liebt, der sollte sich eine solche Gepäckversteigerung auf gar keinen Fall entgehen lassen!