Wer im Rollstuhl sitzt, möchte seinen Urlaub möglichst nahe der Heimat verbringen und wenig Aufregung erleben. Er hat keine Familie, höchstens einen Betreuer und nur wenig Geld – so glauben viele Reiseveranstalter.
Blödsinn. Wer seine Beine nicht bewegen kann, bleibt deshalb nicht zwangsläufig gerne daheim. Behinderte Reisende sind im Urlaub keineswegs langweiliger als andere Touristen und – für Reiseveranstalter interessant – sie sind auch nicht arm. Wolfgang Grabowski, Inhaber des spezialisierten Urlaubsanbieters Grabo-Tours, veranstaltet seit über 25 Jahren Reisen für behinderte Gäste. Anfang Juli 2005 geht es auf ganz große Fahrt: Grabowski, drei Rollstuhlfahrer und zwei Betreuer stechen in See.
Auf dem russischen Eisbrecher "Kapitän Dranitsyn", der 1998 einen Bettenaufbau bekam und seitdem als einziger Eisbrecher weitweit als Passagierschiff zugelassen ist, geht es vom russischen Murmansk bis ins ewige Eis der Arktis, hinein in den kurzen polaren Sommer, in dem die Höchsttemperaturen bei acht Grad liegen und es niemals dunkel wird. Bis nach Franz-Josef Land, dem kleinen Flecken Erde, den die Österreicher 1873 auf ihrer einzigen Polarexpedition entdeckten.
Rollstuhl und Schnee – ebenso wie Rollstuhl und Sand keine glückliche Paarung. Grabowski lässt sich davon jedoch nicht abschrecken: "Geht nicht – gibt’s nicht!" ist sein Motto. Um es wahr zu machen, hat er in den vergangenen Monaten hart gearbeitet. Seine Reisenden im Rollstuhl sollen alles sehen und erleben können, was auch den anderen 94 Gästen an Bord zuteil wird und so arbeitet Grabowski daran, dem rüden russischen Eisbrecher nach und nach das Prädikat "rollstuhlgerecht" abzuringen.
Auf dem Schiffsdeck ist eine Bühne errichtet worden, die auch Rollstuhlfahrern die Sicht auf das ewige Eis ermöglicht und sie davor bewahrt, für die Dauer der Reise auf die stählernen Wände der Reling zu blicken. Das größte Problem: die Badezimmertüren sind eng und im Rollstuhl nicht zu durchfahren. "Könnt ihr die Türen nicht aushängen?", fragte Grabowski und hörte als Antwort nur ein tiefes Lachen: "Guter Mann, das ist ein Eisbrecher, hier ist alles aus einem Stück." Die behinderten Gäste der Dranitsyn werden während ihrer zehntägigen Fahrt trotzdem nicht auf ein Bad verzichten müssen: die stählernen Badezimmertüren werden kurzerhand hinausgeschweißt und nach der Reise wieder eingesetzt.
Wie er die Rollstühle zur Walbeobachtung auf Zodiaks, motorbetriebene Schlauchboote, bekommen wird, weiß Grabowski noch nicht – macht sich darüber aber auch keine größeren Sorgen. Bis zur Abreise wird ihm schon noch eine Lösung einfallen. Die allerdings ist er seinen Gästen auch schuldig, denn preiswert ist die eisige Reise nicht. 12.000 Euro zahlt jeder Rollstuhlfahrer für seinen Platz an Bord. Im Preis inbegriffen: Thermounterwäsche, Ausflüge, Polarfeier, Verpflegung und russischer Vodka – serviert auf eine Million Jahre altem Eis.
Mehr Informationen gibt es es unter
www.grabo-tours.de.