Aber evangelisch in Rom? Ist dies überhaupt möglich ... ausgerechnet in der Arbeitsstadt des Papstes, wo es für fast jeden Kirchenbau eine wundersame Erscheinung eines Heiligen gab? Um diese Frage zu beantworten, muss man sich eigentlich nur die Geschichte des Protestantismus genauer anschauen, wobei man sogleich erfährt, dass alle großen und bekannten protestantischen Kirchenväter eine Reise nach Rom gewagt haben, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen. So reiste Martin Luther beispielsweise als katholischer Augustiner Eremit wegen eines Auftrags für seinen Erfurter Orden nach Rom. August Tholuck hingegen nahm den Weg nach Rom auf sich, um als Pfarrer der römischen protestantischen Gemeinde vorzustehen, wobei bei seiner Antrittspredigt ganze sechs Gläubige anwesend waren. Doch eines haben die meisten protestantischen Romreisenden gemeinsam: das Unverständnis und die Kritik gegenüber der katholischen Glaubensauslegung innerhalb der Stadt Rom, beginnend bei den Pilgerwegen und dem Ablasswesen bis hin zum Marienkult. So behandelt der Reiseführer „Evangelisch in Rom“ in vier Kapiteln gerade diese Problematik.

Zu Beginn wird in dem Abschnitt „Urbi et Orbi“ ein Überblick über die Geschichte des Protestantismus und die Unterschiede zum katholischen Glauben gegeben, wobei auch einige Parallelen aufgezeigt werden, wie beispielsweise das moderne Pilgerverständnis, was keineswegs mehr eine rein katholische Domäne ist. Zusätzlich werden die wichtigsten evangelischen Ereignisse und Romreisenden in einem Porträt vorgestellt. Neben dem bereits erwähnten Martin Luther und August Tholuck beispielsweise auch Dietrich Bonhoeffer. Doch auch weniger positive Ereignisse wie der „Sacco di Roma“ werden behandelt, wobei die hauptsächlich evangelischen Truppen des katholischen Kaiser Karls V. die ebenfalls evangelische Schweizer Garde, die den Papst beschützte, im Peters Dom niedermetzelte.

Das zweite Kapitel behandelt einen Ausschnitt der wichtigsten Bauten der Geschichte der Stadt im Hinblick auf den Protestantismus. So werden natürlich auch antike und mittelalterliche Bauten vorgestellt; doch immer mit einem Bezug zum evangelischen Glaubensverständnis oder zu protestantischen Bauten. Im dritten Kapitel wird das heutige Leben in den evangelischen Gemeinden in Rom beschrieben. Als letzten Abschnitt gibt es noch einen Anhang, in dem die wichtigsten Adressen, praktische Hinweise und eine Namens- und Literaturliste aufgeführt sind.

Alles in allem handelt es sich um einen Reiseführer der etwas anderen Art. Es ist kein Fremdenführer, den man singulär benutzen kann, da beispielsweise Kartenmaterial komplett ausgespart wurde. Aber darauf zielt das Buch auch nicht ab. So erläutern die Autoren Jürgen Krüger und Michael Meyer-Blanck bereits im Vorwort, dass es sich bei ihrem Werk um eine Ergänzung handeln würde, die sicherlich nicht die gesamte Vielfalt der Stadt widerspiegeln kann, sondern nur exemplarisch einige Bauten herausgreift.

Fazit: Ein abwechslungsreiches Werk, das man gut als ergänzendes Zweitexemplar zum herkömmlichen Reiseführer mitnehmen kann und das nicht nur für Protestanten interessant ist.

Vandenhoeck & Ruprecht: Evangelisch in Rom - Der etwas andere Reiseführer

Jürgen Krüger / Michael Meyer-Blanck
1. Auflage 2008
240 Seiten mit zahlreichen farbigen Abb., kartoniert
19,90 € [D]
ISBN 978-3-525-63390-8

Erhältlich überall, wo es Bücher gibt

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