Nordkorea ist einer der letzten weißen Flecken auf der touristischen Weltkarte. Kein Wunder, gilt der stalinistisch orientierte Staat doch als das am meisten abgeschottete Land der Erde, das nur regelmäßig mit Hungersnöten, Atomwaffentests oder neuerlichen Eskapaden des bizarren Führers Kim Il Jong negativ in die Schlagzeiten der internationalen Presse gerät. Ist solch ein Land wirklich als potentielles Reiseziel vorstellbar? Ja, sagt Arno Maierbrugger im „Nordkorea-Handbuch“, erschienen im Berliner Trescher Verlag, allerdings mit vielen Einschränkungen und bürokratischen Hürden. Eine Reise nach Nordkorea kann niemals ein „normaler“ Urlaub sein. Lediglich buchbar über die staatliche Reiseagentur „Korea International Travel Company (KITC) und mit 24-Stunden Überwachung durch den Nordkoreanischen Geheimdienst, ist solch ein Unterfangen für Westeuropäer sicherlich in der Masse kaum verlockend. Schon die Anreise bietet nicht allzu viele Möglichkeiten. Entweder nach langer Zugreise von Peking aus über Land, oder in Uraltmaschinen sowjetischer Provenienz, mit der staatlichen Fluglinie Air Koryo von der chinesischen Hauptstadt nach Pjöngjang.

Hat man es geschafft ein Visum zu ergattern und ist in Nordkorea angelangt, gilt es weiter auf der Hut zu sein. Abfällige Bemerkungen über die Führungsriege oder allzu offene Kritik am System kann schnell ein vorzeitiges Aus der Reise bedeuteten; unangenehme „Gespräche“ von Staatsseiten inklusive. Laut Maierbrugger ist es ohnehin praktisch unmöglich mit Nordkoreanern in Kontakt zu kommen, da der Tourist permanent von zwei „Reiseführern“ begleitet wird, die Unterkunft und Transfers, sowie Besichtigungsprogramm bis ins kleinste Detail genau vorplanen. Es ist nicht möglich auf eigene Faust zu reisen, da keine Nahverkehrsmittel zwischen den Städten existieren und Besucher wie Einheimische unter permanenter geheimdienstlicher Überwachung stehen sollen.

Wer sich mit solchen Einschränkungen arrangieren kann, erlebt ein Land wie kein zweites auf diesem Globus. Steinzeitkommunismus, ein bis ins absurde getriebener Führerkult und Mangelwirtschaft auf der einen Seite, authentische Einblicke in das grandiose Scheitern einer Ideologie und durch den Tourismus gänzlich unberührte Landschaften auf der anderen Seite, müssen hier den Reiz ausmachen. Das vorliegende Buch beschreibt eine große Vielzahl unüberbrückbarer Wiedersprüche des Systems und bringt uns ein Land jenseits der großen Schlagzeilen näher, das in unseren Augen weitgehend bizarr und unfasslich ist. So sind die Monumentalbauten in Pjöngjang wie das Juche-Denkmal von Kim Il Sung bis Mitternacht lichtdurchflutet, während zur gleichen Zeit der Rest der Millionenstadt wegen Energiemangel in Dunkelheit versinkt. Als Medien gibt es lediglich Parteiorgane; Handys sind verboten, das Mobilfunknetz abgeschaltet. Ein Telefonanschluss kostet den Nordkoreaner mehr als das Jahresgehalt und um von einer Stadt in die nächste fahren zu können braucht er eine behördliche Erlaubnis. Allgegenwärtig dagegen Stätten des Ruhmes der Herrscherdynastie und ihrer Juche-Ideologie, wo auch der Reisende nachdrücklich auf ehrfürchtige Verbeugung und Ehrerbietung hingewiesen wird.

Neben der Hauptstadt Pjöngjang beschreibt der Band auch die anderen Landesteile mit ihren Hauptsehenswürdigkeiten, die man über breite, fast fahrzeugfreie Autobahnen erreichen kann. Besonders interessant ist hierbei sicherlich die Demarkationslinie zwischen den beiden koreanischen Staaten, die vermutlich die bestbewachteste Grenze der Welt bildet. Hier ist auch lange nach Ende des Kalten Krieges noch kein Friede eingekehrt. Auch mögliche Reisen in die Sonderwirtschaftszonen des Landes, die zwar dem ideologischen Staatsziel diametral entgegenstehen, aber überlebensnotwendige Devisen in die stets klammen Landeskassen spülen, werden beschrieben, sowie besondere Exkursionen von Südkorea aus Richtung Norden. Wer jenseits der grauen, wohl recht trostlosen Städte auch etwas vom nordkoreanischen Naturraum sehen möchte, empfiehlt Trescher eine Reise in die Myohyang-Berge, deren Naturschönheit man auf zahlreichen Wanderrouten erleben kann. Auch „Badeferien“ sollen an einigen Stellen des Landes möglich sein, wie zum Beispiel in der Nähe der Stadt Wosan, wo man sich abgeschirmt am Touristenstrand vielleicht auch mal ohne die stete Beobachtung seines „Reiseleiters“ in die kühlen Fluten stürzen kann, um wenigstens für einen kleinen Moment der schwierigen Realität des Landes entfliehen zu können.

Auch für Interessierte die keine Reise nach Nordkorea planen, ist das Buch durchaus empfehlenswert, da es nur zur Hälfte Reiseführer ist und ansonsten ein Land beschreibt, das zwar jeder kennt, aber vieles bislang im Verborgenen blieb. Durch ausführliche Darstellungen der Geschichte und Gegenwart, der Lebenssituation der Menschen heute und des Führungssystems um Kim Il Jong, gewährt der bislang einzige deutschsprachige Reiseführer zu diesem Thema eine fundierte Darstellung des Landes und Systems, die manchmal allerdings durchaus kritischer hätte ausfallen können. Wer sich auf das Abenteuer Nordkorea einlassen will, rät der Führer auf jeden Fall verdächtige Berufe wie Journalist oder Soldat besser zu verschweigen und durch unverfänglichere Beschreibungen zu ersetzten. Was das ganze Abenteuer finanziell kosten wird, bleibt leider mehr als wage, aber vielleicht sind die gewonnenen Eindrücke so unbezahlbar, das selbst der Autor dazu nur sehr wenig sagen kann.


Trescher Verlag „Nordkorea-Handbuch, Unterwegs in einem geheimnisvollen Land"

Autor: Arno Maierbrugger
232 Seiten
Preis: € (D) 14,95
ISBN: 978-3-89794-114-4

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