Er ist winzig, alt und eigentlich ein fahrender Schrotthaufen. Kurz vor Antritt der Reise für 450 Euro gekauft, soll „Cinquino“ das neue Reisegefährt für die beiden abenteuerlustigen Italiener werden. Und ihr Projekt war mehr als ambitioniert. Über die Ukraine und Russland soll es nach Kasachstan gehen und von dort aus via Zentralasien ins ferne China mit der Hauptstadt Peking als finalem Zielpunkt. Gut 16.000 Kilometer Fahrtstrecke durch Länder, die sich noch gar nicht auf Touristen eingestellt haben und Regionen in denen die Infrastruktur teilweise mehr als dürftig ist.

Doch Danilo Elia und sein Kumpel Fabrizio sind unverbesserliche Optimisten, die willens sind, noch die widrigste Situation mit Bravour zu meistern. Dabei scheinen ihre Reisevorbereitungen in Anbetracht solch einer Expeditionstour geradezu Laienhaft. Zur Reparatur ihres antiquierten Gefährts haben sie billigste Werkzeugsets aus dem Supermarkt an Bord und man muss kein Prophet sein um voraussehen zu können, dass sowas nicht gut gehen kann. Zudem gibt es jenseits des Ural massive ungelöste administrative Probleme. So besitzen die beiden keine chinesischen Visa und ob sie Überhaupt auf Pisten des Reichs der Mitte selber steuern dürfen, ist mehr als fraglich. Doch gerade die Unbeschwertheit der südländischen Mentalität macht die beiden so sympathisch und man hofft inständig das die nächste Etappe glatt gehen wird, denn die Strecke scheint geradezu mit potentiellen Schwierigkeiten gespickt zu sein.

Bereits an der Grenze zur Ukraine erwartet die beiden ein grimmiger Beamter in Tarnuniform, der nicht nur eine Vielzahl von quälenden Fragen hat, sondern dem Endziel Peking so gar keinen Glauben schenken mag. Die schlechte bis unzumutbare Piste tut ihr übriges. Durch den Frost aufgebrochen und mit kratertiefen Schlaglöchern übersät, werden die Hauptverkehrsstraßen von Danilo Elia als Dauerbelastung für „Cinquino“ beschrieben, dessen automobile Existenz fast in eben solchem geendet hätte. Nicht die einzige Panne des Reisegefährts, doch die beiden sind findige Bastler und wenn man etwas in der sozialistischen Mangelwirtschaft gelernt hat, dann improvisieren und so scheint eine rettende „Werkstatt“ nie zu weit entfernt zu sein. Eine willkommene Abwechslung sind die beiden im tristen Alltag der Einheimischen ohnehin. Kein Eintreffen der Italiener im nächsten Städtchen bleibt unbemerkt und so sind sie nicht nur beliebtes Ziel Bakschisch-versessener Ordnungshüter, sondern auch der lokalen Jugend, die schon die Vodka-Flaschen zücken.

Und so erfährt der Leser in „Echt Abgefahren“ viel über die Mentalität und die Wünsche der Menschen, die sich teilweise von unseren Vorstellungen himmelweit unterscheiden. Auch Servicegedanke scheint sich in den russischen Weiten vielerorts noch nicht so recht herumgesprochen zu haben. Als Übernachtungsgäste in Hotels betrachtet man sie nicht etwa als zahlende Kundschaft, sondern vielmehr als nur Störfaktor, der der Ruhe des Personals ein Ende zu setzen droht. Entweder ihnen schallt ein „nicht für Ausländer“ entgegen, oder sie werden vom Zimmermädchen; „kleine, nervige Frau, breit wie hoch, Typ Pitbull“ drangsaliert, wie zum Beispiel im „Hotel Europa“ im russischen Wolgograd. Gerade der deskriptive Schreibstils Elias und die mitunter bissige Ironie machen die Lektüre dieses Buches zum Vergnügen. Wo die Situation schon beim Lesen mitunter ein Grauen hervorruft, kann man das sonnige Gemüt der beiden Abenteurer einfach nur bewundern. Und Abenteuer und Widrigkeiten warten noch genug auf das Team im italienischen Kleinstwagen. Unruhen, Autopannen, korrupte Beamte und abgelaufene Visa zwingen sie nicht nur zu Routenänderungen, sondern lassen ihr großes Ziel Peking nach und nach praktisch in unerreichbare Ferne rücken und die gesamte Reise droht auf halber Strecke noch zu scheitern.


Echt Abgefahren

Autor: Danilo Elia
310 Seiten
Preis: € (D) 12,00
ISBN: 978-389-405-834-0

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