Das Internet als neues Opium des Volkes? Fakt ist, dass immer mehr Menschen heutzutage Gemeinschaft und Anschluss über das Internet suchen und auch finden. Diese Erkenntnis hat nicht nur Partnervermittlungen den Weg zu neuen Geschäftserfolgen geebnet: Videoportale wie der Vorreiter YouTube.com haben zahlreiche treue Anhänger, die in ihrer Freizeit Videos erstellen, hochladen, anschauen und natürlich auch bewerten und sich in Foren miteinander austauschen.

Doch lange ist dieses Format nicht allein geblieben. Viel zu allgemein hat es spezialisiertere Versionen geradezu herausgefordert. Heute gibt es ein „Tube“ für alles! Man muss nur nach „tube.com“ googeln, schon wird man mit dem Angebot geradezu überschwemmt. Ob Wissenschaft, Sport, Religion, Pornographie, Musik oder Pokern, hier kann wirklich jeder die passende Video-Community finden.

Ein unglaublich erfolgreicher Durchstarter auf dem amerikanischen Markt ist GodTube: ein Gotteshaus des Web 2.0 mit einer rekordverdächtig wachsenden Gemeinde. Das Motto „Broadcast HIM“ ist Gebot. Hier finden Christen alles was sie glücklich macht. Predigten, Beweise für die Schöpfungstheorie, allerliebste Videos von kleinen Mädchen die auswendig Psalme rezitieren können, Auftritte von Gospelgruppen und „coolen“ Bibel-Rap. Es klingt äußerst amüsant, doch die Seite ist wirklich extrem einseitig. Es ist ein Credo an die amerikanische Form des Christentums, und gleichzeitig bedenklich, wenn man sich ernsthaft mit den Inhalten auseinandersetzt.

Es gibt hier Plädoyers gegen Abtreibung, Beweise, die gegen die Evolution sprechen sollen, zahlreiche missionierende Videos und kaum Diskurs oder eine faire Auseinandersetzung mit anderen Religionen. Andere Glaubensrichtungen werden skeptisch beäugt oder gar kritisiert. So gibt es Clips, die aufzeigen, warum beispielsweise Mormonen keine Christen sein sollen. Auch das Thema Evolution wird sehr engstirnig behandelt oder gar ins Lächerliche gezogen, was Clips wie „Evilution“ oder „Evolution Cartoon“ deutlich zeigen.

Es gibt auch Videos, die nichts für schwache Nerven sind und deutlich ins Geschmacklose abdriften; so ist „A Letter From Hell“, ein sogar in der Community viel diskutierter Versuch, die Missionierung durch Angst voranzutreiben. Zum Schluss sei aber mit der Prayer Wall noch eine schöne Idee genannt, die jedem die Möglichkeit gibt, sein Gebet darauf festzuhalten oder eine virtuelle Kerze anzuzünden.

Doch GodTube ist bei weitem nicht das einzige Gotteshaus das im World Wide Web existiert. Mit Catholic-Tube sind die Katholiken online vertreten und haben sogar einen eigenen Kanal mit Videos zum Thema Abtreibung. Und ein Kanal über Papst Benedict XVI. darf natürlich auch nicht fehlen. Mit HalalTube.com und IslamicTube.net sind auch gleich zwei islamische Pendants mit im Rennen.

So findet sich wohl bald für jede Glaubesrichtung ein „Tube“ und auch die Atheisten gehen nicht leer aus. Für sie gibt es ja immernoch FootyTube mit den schönsten Fußball-Momenten, PokerTube mit Spieltipps, JazzTube für die Musikbegeisterten und DNATube mit wissenschaftlichen Videos. Ja, sogar für die Lehrer gibt es bereits TeacherTube! Also viele Wege für Gleichgesinnte in Kontakt zu treten, sich einen Freundeskreis innerhalb der Community aufzubauen und gemeinsam zu diskutieren.

Ob uns das Internet nun letztendlich einen neuen Sinn gibt, ist zu bezweifeln. Aber es bietet eine berauschende Vielfalt an kurzweiliger Unterhaltung, die sicherlich das Potential hat, ein ganzes Volk süchtig zu machen.

Artikel drucken