Die Idee dahinter: Die höchste Nummer eines Gerätetyps aus dieser Umfrage lässt ungefähr abschätzen, wie viele Produkte verkauft wurden. Spiegel liefert dazu auch eine nette Formel, nur um dann mit dem Satz zu ergänzen: „Aber ist dieser Nummerntrick auch bei den modernsten Smartphones anwendbar? SPON hat es herausgefunden.“ Angesichts der Rubrik „Wissenschaft“, in der der Artikel erscheint, musste ich nach diesem Satz unwillkürlich an Galileo denken mit Themen wie: Ninja gegen KSK-Soldat? Wer gewinnt den Zweikampf? Galileo hat es herausgefunden.“ Scherz beiseite, es kommt noch besser.
Schwache Basis
„Mehr als 1400 Leser haben sich an einem Experiment beteiligt und die 15-stellige IMEI-Nummer ihres Handys in ein Online-Formular getippt.“ Aha. Der Datensatz dieser „Untersuchung“ beruht also auf der Basis freiwillig mitarbeitender SPON-Leser. Dementsprechend kann die Untersuchung auch nur den Smartphone Marktführer unter der Spiegel-Leserschaft aufzeigen. Das Ergebnis: Erster sind Apple Produkte mit 767 Stück. Danach kommt das HTC-Desire mit 168 Stück. Fällt etwas auf? Richtig: Alle Apple iPhones wurden zusammengefasst.
Da das Zahlenmaterial auch nicht bekannt gegeben wird, sondern nur die Interpretation, lässt sich die Verteilung nur folgern: „Im zweiten Halbjahr 2010 war das Verhältnis zwischen iPhone 4 und iPhone 3GS demnach 392:15.“ Dankenswerterweise haben die Leser angegeben, wann sie ihr Produkt kauften. Ist nun mehr als die Hälfte aller iPhones ein 4er, so bleibt nicht viel Platz für Modell Nr.1, 3, und 3GS. Von daher zu behaupten, alle Apple Produkte seien Platz eins, ist (wahrscheinlich) nicht richtig. Vielmehr ist das vierte Applephon Nr.1, gefolgt vom HTC-Desire. Zudem gibt es hier ein Zahlenwirrwar. Waren es erst 168 Stück, spricht SPON im Verlauf plötzlich von „HTC Desire (233 Geräte)“. Aber man kann sich ja einmal verzählen. Zudem wurde, wie ein Leser anmerkt, zwar die Nummern aller Appleprdukte gelistet, anderer Handynutzer mussten diese von Hand eingeben. Wem das zu anstrengend war, machte nicht mit.
Pseudoaufruhr
Dann zum eigentlich Haken der Umfrage: SPON geht einerseits davon aus, dass die TAC-Nummer chronologisch vergeben werden. Je eine Millionen Gerät einer Modellreihe haben eine gleiche TAC Nummer. Das ist Grundlage der gesamten Überlegungen der SPON Umfrage.
Im Verlauf der „Untersuchung“ aber hat der Autor recherchiert und teilt mit: „Allein beim iPhone 4, (…) meldeten die SPIEGEL-ONLINE-Leser 35 verschiedene TAC-Segmente“. Theoretisch seien damit zwar 35 Millionen Geräte möglich, aber, so SPON: Offensichtlich streut Apple seine TAC-Segmente über alle Produktreihen hinweg, ohne sie restlos aufzubrauchen. Daher auch der Titel: „Wie Apple mit Seriennummern trickst“. Empört könnte man sein, oder... Halt: „Dies sei durchaus üblich“, zitiert SPON die Firma, die die Nummer an Nokia vergibt.
Ärgerlich... da macht man erst eine Umfrage, und stellt dann fest, dass zumindest Apple und Nokia ihre Nummern irgendwie vergeben – nur nicht chronologisch. Das müssen sie ja auch nicht. Also tricksen weder die Handyhersteller, noch Apple.
Um den Artikel dann zu retten, bedarf es eines wahren Tricks: Wenn das Verhältnis zwischen iPhonemodellen 392:15 (96%) ist, und Apple in drei Monaten 14,1 Millionen Stück verkauft hat, man später gleiche Zahlen ANNIMT, das Verhältnis bliebe gleich, ergibt dies 22 Millionen iPhone4. Dazu kommen dann nochmal 1,7 Mio. in den ersten drei Verkaufstagen, macht dann 24 Millionen Stück. Nur um anschließend zu sagen, die Zahl sei vermutlich zu klein.
Galileo würde sagen: Fatal! Ninja schlägt Soldaten! Aber sie treten ja gar nicht gegeneinander an, denn sie leben nicht in der gleichen Zeit, wie uns ein Historiker versicherte
Zusammenfassung und eine subjektive Schätzung
Wir machen eine Umfrage mit wackeliger Datenbasis, bekommen dann ein Verhältnis von Smartphones unter SPON Lesern heraus. Dieses wird in (dürftig geschätzte) Modellverhältnisse aufbereitet und dann auf die Verkaufszahlen umgelegt. Oder noch kürzer: Verkaufszahlen mal 96% der Stichprobe plus gesicherte Datenbasis (1,7 Mio.) plus angenomme 14,1 Mio in den laufenden Monaten. Macht dann 24 Millionen iPhone4. Und das Wissen, dass bei dem Artikel weder Titel mit Inhalt verbunden ist, noch eine Relevanz vorhanden ist.
Das Wort Apple und iPhone kamen bei dieser Umfrage im Übrigen 9 resp. 15 Mal vor. Nokia 3 Mal mit 2 Modellen, HTC 8 Mal mit 2 Modellen. Mehr Smartphones gibt es anscheinend nicht. Macht dementsprechend einen Marktanteil von 24 Apple = 57,1%, 16 HTC = 38,1% und 6 Nokia = 14,28%. Auch das ist nur eine Schätzung auf einer Stichprobe. 6 Mal wurde das Iphone4 genannt, 3 Mal das GS. Macht also 66% iPhone4, 33% das Modell 3GS. Faszinierend übrigens, wie nah diese Stichprobe an der Realität ist. Trotz der schludrig erfassten Datenbasis. Pie Mal Daumen eben. Aber bei Apple drückt sogar SPON Wissenschaft ein Auge zu.
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