campus-web Bewertung: 4/5
   
Paris 1940: Die Nazis haben Frankreich im Sturm erobert und die Hauptstadt besetzt. Die Metropole ächzt unter dem Würgegriff der Besatzer, doch die Widerstandskämpfer der französischen Résistance machen den deutschen Soldaten nach Leibeskräften das Leben schwer.
Einer dieser Widerstandskämpfer ist der irische Rennfahrer Sean Devlin.

Der führt seinen ganz persönlichen Feldzug gegen seinen Erzfeind, den Nazischurken Kurt Dierker und fräst mit fliegenden Fäusten, viel Blei und noch mehr Sprengstoff eine breite Schneise in die Reihen seiner Gegner.

Dabei beschränkt sich das Geschehen nicht auf tumbes Geballer und Geprügel.
Um seine Ziele zu erreichen muss Sean oft in halsbrecherischen Kletterpartien die Dächer der Häuser erklimmen und in rasanten Verfolgungsjagden durch die Pariser Straßen seinen Häschern entkommen.
In manchen Situation muss der zähe Ire auch zu subtileren Mitteln greifen und in Wehrmachtsuniform eine kleine Schleicheinlage hinlegen.

Neben viel Action und einem sehr flexiblen Umgang mit der Geschichte bietet The Saboteur ein bisher einmaliges Spielerlebnis, welches vor allem von den interessanten Stilmitteln lebt.

So bewegt man sich zu Beginn des Spiels durch eine komplett in Schwarz und Weiß gehaltene Spielwelt, die stark an die Optik von „Sin City“ oder „The Spirit“ angelehnt ist. Einzige Farbtupfer sind die gelben Lichter der Fahrzeuge und Laternen, sowie die roten Armbinden der Nazischergen und die Hakenkreuzflaggen an den besetzen Gebäuden (wobei die Hakenkreuze in der deutschen Version natürlich brav durch das Eiserne Kreuz ersetzt wurden).

Das düster und bedrohliche Ambiente ist nicht nur stimmungsvoller Selbstzweck.
Die monochrome Umgebung ist ein Anzeichen dafür, dass das Gebiet, indem man sich befindet, fest in der Hand der Nazis ist.

Erfüllt man ein paar Aufträge für den Widerstand, dann schöpfen die Bewohner der Stadtteile, in denen man aktiv ist, neue Hoffnung, und die Spielwelt blüht farbig auf.

Die Entwickler haben spürbar viel Energie in die Gestaltung des alten Paris gesteckt.
Nicht nur der Eifel Turm, der Champs Elise oder Notre-Dame wurden authentisch nachempfunden.
Auch die kleine Straßen und Gassen, sowie die speziellen „Etablissements“ wurden mit viel Liebe zum Detail gestaltet.

Unter graphischen Gesichtspunkten sind die urbanen Gebiete eindeutig die Stärken des Spiels
Zwar sind auch die ländlichen Randgebiete charmant gestaltet, richtet Sean jedoch seinen Blick gen Horizont, dann wirken entfernte Objekte oftmals grob und die Darstellung allgemein etwas verwaschen. Dies fällt besonders in den Rennsequenzen auf, wenn ganze Bäume und Bergketten spontan aufploppen.

An den technischen Möglichkeiten der PS3 kann es nicht liegen.
Vergleicht man The Saboteur mit GTA4, dann fällt auf, dass der Klassenprimus über eine wesentlich rundere und ausgefeiltere Grafik verfügt.

Dieser fehlende Feinschliff macht sich auch bei den Fahrzeugen bemerkbar, die zwar ein schönes Design haben, aber auch ein paar mehr Details vertragen könnten.
Ebenso bietet das Schadensmodell Anlass zu Kritik. Bekommt der Spieler
eins auf Blechle gebrannt, so wird der fahrbare Untersatz zwar schick durchsiebt, scheint jedoch gegen sämtliche Formen von Beulen und Kratzer völlig immun zu sein.
Natürlich ist dem nicht so.

Nach besonders grober Misshandlung deutet sich das baldige Lebensende des aktuellen Vehikels durch dezenten Qualm an, der sich zu einem handfesten Feuer steigert, bis sich das Fahrzeug von Besitzer mit einer Explosion verabschiedet.

Der fehlende Feinschliff ist es auch, der The Saboteur um seinen fünften Stern bringt.
Die Mängel sind besonders ärgerlich, da das Spiel mit spürbar größeren Ambitionen entworfen wurde und die Liebe zum Detail offensichtlich ist, allein die Story um den einsamen Iren, der seine persönlicher Vendetta führt, könnte Stoff für ein gutes Drehbuch sein. Sean Devlin ist ein sympathischer Anti-Held, der sich mit sichtlichem Vergnügen seinen Lastern, Alkohol, Nikotin und schönen Frauen hingibt, wobei Überfiesling Kurt Dierker alle Anforderungen an einen guten Bösewicht mit bravour, erfüllt-nebst einem effektvollen Ableben.

Es ist zwar rein spekulativ, dennoch nicht ganz unwahrscheinlich, dass den Pandemic Studios, die vom Softwareriesen EA vor einiger Zeit geschluckt und wegen mangelnder Rentabilität aufgelöst wurden, nicht die nötige Zeit zugestanden wurde, um alle Bugs und Glitches auszubügeln, da der Titel zum lukrativen Weihnachtsgeschäft unbedingt verfügbar sein sollte.

Damit hat EA eine große Chance verspielt.

Mit nur etwas mehr Zuwendung hätte sich The Soboteur problemlos auf Augenhöhe mit GTA4 und Assasins´s Creed einreihen könne, da es deren Stärken in einer interessanten Mischung vereinigt und seinen ganz eigenen Charme versprüht.

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