Nachdem nun der Standort Leipzig aufgegeben worden ist zugunsten der großen Stadt am Rhein, fragt sich alle Welt: Platzt die virtuelle Bombe denn jetzt in Köln? Ist es dieses Jahr schon soweit?

Ganz von vorn. Computerspiele gibt es viele, und wer sich mit der Materie nur ein bisschen auskennt weiß, dass der virtuelle Raum unbegrenzte Flächen hat. Ziemlich groß also. Darum ist das Geschäft mit den Videospielen das Business der Zukunft schlechthin. Darum sind hier an vier Tagen alle vertreten: Gitarristen und Rollenspieler, Virenbekämpfer und Sportler. Tanzende, kegelnde, schießende, singende Menschen. Darum laufen einem in fünf immensen Hallen of Entertainment alle über den Weg: die Guten, die Bösen, die etwas Einfältigen, die Lustigen und eine bekleidete Frau in rotem Leder.

Die Unterhaltungsindustrie ist eine der wenigen, der anhaltende Krise wenig anhaben kann. Aller Piraterie zum Trotz kann sie Jahr für Jahr Zuwachsraten verzeichnen, von denen die gebeutelte Weltwirtschaft nur träumen kann. Denn egal wie schlecht die Zeiten sind – die Menschen lassen sich nun mal gerne unterhalten. Und speziell die Anbieter von Computerspielen und Konsolen haben dabei den Vorteil, dass sie Produkte verkaufen, die dazu auffordern, aktiv zu werden. Das ist natürlich ein relativer Begriff – wie aktiv wird man schon, wenn man wie Tausende andere auf einen Bildschirm starrt und seine Figur Monster um Monster abschlachten lässt? Es geht aber mittlerweile ja auch anders. Seit Spielehersteller und besonders die, die den Konsolenmarkt beherrschen, gemerkt haben, dass sie sich was einfallen lassen müssen, um neue Schichten zu erreichen, hat sich einiges bewegt auf dem Markt der bunten Abenteuer.

Nintendo fordert mit seiner bewegungssensitiven Wii die ganze Familie zum Rumhampeln auf – und eröffnet mit Tanz-Games, Bowling und Tennis spielen ganz neue Möglichkeiten. "Wii Fit" bietet die Illusion, vor dem heimischen Fernseher mal etwas für die eigene Fitness zu tun. Eigentlich ist das wieder so wie den frühmorgendlichen Sendungen in den Dritten Programmen, in denen ein gutgelauntes Team auf einer Matte den Bodystep vorgetanzt hat – Telegym. Nur effektiver vielleicht. Sony lässt schon seit einiger Zeit die Karaoke-Party steigen und macht jeden zum Gitarren-Helden, der vier bunte Knöpfchen bedienen kann und auch die X-Box erfüllt den großen Traum vom Rock 'n' Roll – mit Schlagzeug, Gitarre, Bass und Gesang.

Die Vielfalt ist also unbegrenzt und da muss man sich auf einer Messe schon was einfallen lassen, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Die Stände sind sehr aufwendig gestaltet. Es einen Block, der ist mit rostigen Containern umstellt, und wer nach langer Warterei reingelassen wird, darf sich in einem dieser Kästen ein Video zu einem Spiel anschauen, das in einer postmodern Zukunft spielt, Schmutz und Graffiti überall. Spielt ein anderes Spiel im Dschungel, dann sind Palmen und Strandkörbe aufgestellt. Diskokugeln hängen überall, denn vieles hier hat mit Bling Bling und Glamour zu tun: Sei der gefeierte DJ, sing zu Mariah Carey, lebe deinen Traum!

Ein Hersteller von Antiviren-Software hat gleich das Internet nachgebaut und das sieht dann so aus: man wandert durch einen Gang und wird permament von zwielichtigen Gestalten angesprochen, die einem Uhren und Viagra anschwatzen wollen. Man macht sich frei von diesen Schauspielern und bekommt einen Virus angehängt. Schließlich darf man ein erfundenes Profil von sich auf facebook bestaunen. Die Botschaft: pass bloss auf, was du im Internet tust, und wir helfen Dir mit unserer Software dabei! Einleuchtender geht es nicht.

Überhaupt ist alles auf das Mitmachen ausgerichtet. Ein Highlight ist das Tanzen zu "Pump Up The Jam" und "Girls Just Wanna Have Fun". Die Arme schwingen für den guten Zweck – nämlich die eigene Party. Dort haben die Besucher ihren Spaß, aber an vielen anderen Stellen ist davon gar nicht so viel zu spüren. Tatsächlich sieht man viele Messebesucher mit trüben Gesichter herumlaufen. Aber warum? Liegt es daran, dass sie an manchen Schaukästen, draussen die Warterei, drinnen die Action, zwei, drei, vier Stunden anstehen müssen, um dann ein paar Minuten ein Spiel ausprobieren zu dürfen? Diese Besucher machen das dann oft nur, so hat es wenigstens den Eindruck, weil es mal wieder etwas umsonst gibt: Keychains, T-Shirts, Poster.

Auch wenn das Sammeln von Goodies aller Art hier Volkssport ist, geht Action auch anders. Thomas D. und Smudo sind natürlich auch da. In gewissen Kreisen sagt man Promoschlampen dazu, denn die beiden wissen wie's geht: Erst auf der großen Bühne bei "Guitar Hero" das Rockschwein rauslassen, dann rüber zu Volkswagen und irgendwas promoten. Was zur Frage führt, was denn eigentlich große Autohersteller aus Wolfsburg auf einer Unterhaltungsmesse zu suchen haben. Es gebe da so ein kleines Game, es ist kostenlos, und da darf man irgendwas mit diesen Autos machen. Vermutlich darf man sie fahren. Die Antwort so unbefriedigend wie das Produkt.

Eine gute Nachricht: den typischen Gamer, männlich, zwischen 12 und 20 Jahre alt, mit Akne, Brille und gleichgesinnten Freunden, es gibt ihn noch. Auch wenn die "Sims" die Frauen zum Spielen gebracht hat, "Ponyhof Reloaded" ihre Töchter und der "U-Bahn Simulator 2.0" die Väter, laufen sie einem doch noch in großer Zahl über den Weg. Bei den Strategiespielen, beim Shooter-Wettbewerb und bei den Messe-Hostessen, die das tun, was sie immer tun: Gut aussehen, leicht bekleidet sein und zum Mitmachen animieren. Und auf der gamescom können sie sogar noch mehr. Sie ermuntern, doch auch mal eine Tomate zu essen. Aus holländischem Anbau, wie erklärt wird. Die Kollegin trägt eine Gurkenverkleidung.

Eine andere Dame läuft in Lack und Leder herum und zwei Wesen, die wohl Figuren aus einem Computerspiel darstellen sollen, folgen ihr in Ganzkörperkostümen. Sie ist die Herrin und jene ihre devoten Untergebenen. Das animiert auch – dazu, irritiert die Augenbrauen zusammenzuziehen.

Das Fazit? Es gibt kein Fazit. Die Welt der Spiele ist kunterbunt und riesig dazu. Zum überwiegenden Teil ist sie familienfreundlich und aufregend, den Versuch wert und harmlos. Bald auch in Deinem Wohnzimmer!


Die ganze Geschichte in Bildern findet Ihr hier.

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