Bewertung: 3/5
   
 

   
 

   
Terry Pratchett, die Scheibenwelt, Ankh-Morpork. Muss man diese Schlagwörter erklären? Eher nicht. Wer sich mit Pratchetts Fantasy-Satire auskennt, weiß, was Ankh-Morpork ist; wer die fast 40 Bücher bisher gemieden hat oder gar nicht kennt, der braucht hier auch kein Brettspiel zu. So zeigt es ein Test, bei dem drei Spieler recht unterschiedlich ans Material herangehen. Es ist noch kein wirklicher Unterschied, ob man eine handvoll von Pratchetts Werken gelesen hat oder der Reihe über Jahre treu geblieben ist. Ein Spieler ohne Vorkenntnisse nimmt dagegen nur wenig von der Atmosphäre mit und muss "Scheibenwelt: Ankh-Morpork" als reines Spielerlebnis beurteilen.

Das Brettspiel konzentriert sich auf Machtkämpfe in der Großen (Haupt-)Stadt Ankh-Morpork. Jeder Spieler wird zufällig zu einer von sieben Romanfiguren und hat somit unterschiedliche Siegbedingungen. Hat man seine Gefolgsleute als Spione überall, oder in Machtpositionen an ausgewählten Orten? Stiftet man möglichst viel Unruhe, oder will man nur, dass am Ende keiner seine Ziele erreicht hat? Neben dem Anstreben der eigenen Ziele sollte man natürlich auch erraten, welche Strategie die Gegner verfolgen, und diese nach Möglichkeit durchkreuzen.

Bekannte Gesichter bringen das Spiel voran

Schön ist, wie die Bewohner der Stadt (und der ganzen Scheibenwelt) eingebaut werden. Zahlreiche Personen (und Gruppen) werden als Karten ausgespielt, die durch Symbole und Sondertexte verschiedene Züge ermöglichen. Das Setzen oder Entfernen von Gefolgsleuten, der Bau von Häusern, das Einkassieren von Geld. Während das Spielfeld sich an den gängigen Ankh-Morpork-"Stadtplan" hält, aber nicht sehr verspielt wirkt, freut der Fan sich deutlich mehr über bekannte Gesichter. Der Gelegenheitsleser erkennt dabei eher die jahrelangen Hauptfiguren, wie zum Beispiel den Zauberer Rincewind und seine Truhe, einige Mitglieder der Stadtwache wie Hauptmann Karotte oder den Tod, dessen Karte mit einem fröhlichen "HALLO" in das Spiel eingreift.

Eigentlich richtet sich das Spiel aber an den Dauerleser, der auch Figuren aus den neueren Romanen erkennt. Die Geschichtsmönche aus "Der Zeitdieb", der erste Postbote Tolliver Grütze aus "Ab die Post" oder eine ganze Reihe von Neuzugängen der beliebten Stadtwache. Mal davon abgesehen, dass Ankh-Morpork trotz Zauberern und Zwergen längst nicht mehr ans Fantasy-Mittelalter erinnert. Die Parodie zahlreicher Industrialisierungs-Trends hat die Szenerie stärker in die viktorianische Gesellschaftssatire gerückt. Dementsprechend tauchen viele Anzugträger auf. Schon ein paar Lords, die als Spielerfiguren gewählt wurden, wirken ein wenig austauschbar; lieber hätte man auch mal die Interessen der Zauberer oder bestimmter Gilden vertreten.

Richtig spielen will gelernt sein

Wenn man die Szenerie beiseite lässt, fällt vor allem eins auf: Anfangs ist das Spiel viel kürzer als geplant. Knapp eine Stunde soll man pro Partie brauchen, theoretisch könnte der Kartenstapel aufgebraucht werden. Tatsächlich enden die ersten Partien schon nach der Hälfte der Zeit. Selbst wenn man erkennt, was der Gegner unternimmt, ist man auf Kartenglück angewiesen. Wer nicht die richtigen Symbole zieht, kann keine Unruhe beseitigen oder gegnerische Gefolgsleute eliminieren. So nutzt man nur wenige Möglichkeiten des Spiels. Um die Gegner besser in Schach halten zu können, muss man sich erst mit verschiedenen Strategien vertraut machen. Der Spieler muss also viel lernen, bevor der Spielspaß einsetzt.

Für den Scheibenwelt-Fan dürfte diese Zwangs-Lernkurve erträglich sein. Schön gestaltete Karten und Spielmaterial aus Holz wecken den Wunsch, das Spiel wirklich zu nutzen und nicht als gescheitertes Experiment beiseitezulegen. Der Test zeigt aber, dass der unbedarfte Spieler nur wenig von der Scheibenwelt-Atmosphäre hat. Ein schwieriges Spiel unterhält da nur schlecht. Eine Spielerunde, in der nicht alle Teilnehmer Pratchett-Anhänger sind, dürfte sich folglich nur missmutig der Herausforderung stellen.

Übrigens: Wer die Scheibenwelt lieber im englischsprachigen Original liest und mit den Übersetzungen der Namen nichts anfangen kann oder möchte, kann sich die Originalausgabe von Tree Frog Games importieren.

Autor: Martin Wallace
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 60-70 Minuten (laut Verlag)

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