campus-web Bewertung: 3.5/5 |
Da gönnt man sich als Mitglied einer US-Spezialeinheit einen Hubschrauberflug, und prompt wirddieser fulminant im Hindukusch abgeschossen. Im Hindukusch? Richtig, denn Medal of Honor (MoH) versetzt den Spieler mitten in den Afghanistankrieg 2002. Die Szenerie: Ein US-Feldzug in irgendeinem gottverlassenen Gebirgstal. Eure Charaktere: Mitglieder verschiedener Einheiten, die kleinen Trupps erst aufklären und dann dem Feldzug zu Erfolg verhelfen wollen . Doch nicht nur Washington werden im Kriegsverlauf grandiose Fehlentscheidungen getroffen. Auch MoH weist mehr als nur eine Unzulänglichkeit auf, die einen mit ratlosem Kopfschütteln zurücklässt
Die Story
Zudem kommen in den vier Stunden (!) Spielzeit nicht wirklich Bindungen zu den Protagonisten auf. „Rabbit“ und „Deuce“ bleiben als Hauptcharaktere so fremd wie russischen Oligarchenfrauen guter Geschmack. Das hat man schon mal besser gesehen.
Singleplayergrafik und Performance
An der Grafik gibt es wenig auszusetzen, sie entspricht der Höhe der Zeit. Pfützen spiegeln schön, Sandwolken verdiesen die Luft in der Wadi-Mission authentisch. Es gibt fulminate Blicke auf Bergketten und Schluchten. Auf unserem Testrechner (Intel Core2 Duo, 2,3 Ghz, 4 GB Ram, Ati Raden 4650) lief die Mission in hoher Auflösung und mit allen Details ruckelfrei. Zum Einsatz im Singleplayermodus kommt eine stark aufpolierte Unreal-3 Engine.
Leveldesign und Spielgefühl
Was wirklich den gesamten Eindruck vermiest, ist nicht etwa die mäßig spannende Geschichte. Viel schlimmer wirken die ständigen Levelbeschränkungen: Unsichtbare Wände und der Verlust jeglicher Initiative. Man ist ein guter Soldat und befolgt Befehle, und zwar keinen Meter links oder rechts vom vorgegebenen Kurs. Und dieser ist zum Teil so schmal, dass man aus der Haut fahren möchte. Natürlich stürzt sich ein guter Soldat nicht mit einem Quad in eine Schlucht. Versucht man es dennoch, stößt man gegen eine unsichtbare Mauer und prallt physikalisch wenig korrekt davon ab. Lächerlich!
Auch stört der obszön niedrige Schwierigkeitsgrad. Herausfordernd war das Spiel nur, wenn man Initiative ergriff und etwa vorauseilte – was dank der fehlenden Möglichkeiten schon schwer genug war. Falls die Gegner-KI der Realität entspricht, fragt man sich, warum der Krieg noch immer nicht gewonnen ist. Statt zu schießen, flüchten Taliban lieber in eine neue Deckung und kehren dem Spieler dabei noch den Rücken zu. Bei Kämpfen im Dunkeln schießen die KI-Gegner zielsicher nicht Richtung aufblitzendes Mündungsfeuer. Deckung suchen sie in diesem Fall schon gar nicht.
Die gesamte Kampagne ist wie ein Film voller Quicktime-Events. Man kommt sich gelegentlich fast wie in einem Rail-Shooter vor. Meter genau muss man sich positionieren, um das Fernglas ergreifen zu dürfen und einen Luftschlag herbeizurufen. Natürlich muss nicht jeder Shooter heute eine große Welt wie „Crysis“ haben. Aber ein bisschen mehr Freiheit wäre schon wünschenswert gewesen.
Am unterdurchschnittlichsten war sicherlich die Apache-Mission. Als Bordschütze des Kampfhelis lasst ihr das Maschinengewehr rattern, drückt im richtigen Moment Abschuss für eine Hellfire und haut daneben noch andere Raketen im Zehnerpack hinterher. Versagen kann hier nur,wer einen Höllenfeuergruß auf die Gegner vergisst. Feuer frei! Und keine Angst, der zweite Helikopter auf unserer Seite ist immun gegen euer „friendly fire“. So kann man sich zwischendurch noch Zeit zum Essen nehmen, denn eine Hand reicht zur Erfüllung der Mission völlig.
Zudem wirken viele „kameradschaftliche“ Momente gekünstelt. Als Mitglieder einer Spezialeinheit kann man selbst keine Mauer überwinden. Soll man es dann doch, so ist man stets auf die Hilfe seiner Kompagnons angewiesen. Diese hingegen überwinden problemlos ohne weitere Hilfe Hindernisse.
Aber es gibt auch spannende Missionen: Wüstensand schlägt ins Gesicht. Nach einer Notlandung muss man sich und sein Team durch ein Wadi bringen. Überall lauern Taliban, die Sichtweite ist beschränkt. Hinterhalte könnten überall möglich sein. Hier stört auch die Levelbeschränkung nur mäßig. Und am Ende verteidigt man bravurös eine einsame Berghütte gegen gefühlte tausend Taliban, die nach und nach unsere Behausung in Einzelteile zerlegen. Bis endlich im letzten Moment die Kavallerie kommt.
Allerdings fehlen diese einprägende Momente, die etwa noch „Medal of Honor - Allied Assault“ hatte. Missionen, wo man unter deutschem Trommelfeuer einen Strand erstürmt und quasi im Alleingang die gesamten deutschen MG-Nester und Scharfschützen ausnehmen muss. Auch bei „Tier1 gibt es eine solche Szene. Hier wählt man aber den offenen und schlechtbewachten Schleichweg. Alles andere hätte ja zu schwer werden können.
Zudem stören die quasi unbeschränkten Munitionsvorräte. Kameraden helfen einem gerne aus. Wird man getroffen, geht man kurz in Deckung, bis der Bildschirm wieder normal ist.
Tier 1 Mode
Der Multiplayer soll es richten
Vermag der Singleplayer nicht wirklich zu überzeugen, so gilt seit neuesten die Devise: Der Multiplayer solls richten. Und verwundert reibt man sich die Augen: Wie ist hier alles schick geworden. Im Multiplayer kommt die Frostbite-Grafikengine (1.5) zum Tragen. Kräftig wurde an den Details geschraubt. Die Sonne glitzert mehr, spiegelt sich auf Kisten, zugleich überzeugt das Flirren der Luft, die mit Partikeln nur so gefüllt zu sein scheint. Alles sieht noch einen Tacken besser aus.
Klassen und Suchtpotential
Ihr entscheidet euch beiderseits für drei Klassen: Schütze, Spec-Ops und Sniper. Tatsächlich versteckt sich hier ein riesiges Suchtpotential: Eliminiert ihr Gegner, erhaltet ihr in eurer Klasse Punkte. Habt ihr genug Punkte gemacht, steigt ihr auf und erhaltet eine Belohnung: Bessere Waffen, ein neues Zielfernrohr, bessere Munition. Das Aufstiegssystem, so simple es auch ist, regt zum Weiterspielen an. Topp!
Spielmodi
Man muss das Rad ja nicht immer neu erfinden: Als Spielmodi stehen zur Verfügung Kampfeinsatz, Zielraid, Sektorenkontrolle, Sturmlauf und Säuberung. Am forderndsten gestaltet sich der Modus „Kampfseinsatz“. Ein Team muss sich vorwärts kämpfen und insgesamt 5 Ziele hintereinander einnehmen, das andere verteidigt. Hier ist wirklich Team Play gefragt. Besonders amüsant gestaltete sich der „Ziel-Raid“. Zwei Ziele müssen auf einer Karte durch die Taliban außer Gefecht gesetzt werden. Die Alliierten wollen dies natürlich zu verhindern wissen. Insgesamt ist dies ein spaßiger Spielmodus. Passt man kurz nicht auf, ist das Spiel schon verloren.
Brandneu hinzugekommen ist der Modus Säuberung, eine Art Last-Team-Standing. Gespawnt wird nur zu Beginn einer Runde, diese endet, wenn das gegnerische Team ausgeschaltet ist. Als Klassiker gibt es den „Sturmlauf“, ein Team-Deathmatch, bei dem ihr tötet Gegner und so Punkte für das Team sammelt. Und natürlich die „Sektorenkontrolle“, bei der ihr bestimmte Gebiete einer Karte erobern und halten müsst.
Leveldesign und Spielgefühl
An den insgesamt 8 Karten (davon 3 für Kampfeinsatz) gibt es wenig auszusetzen. Der abwechslungsreiche Schauplatz Afghanistans ist tatsächlich ein Augenschmaus.
Fazit
Alles in allem ein guter Shooter für Zwischendurch. Zwar ist der Singleplayer wegen seiner kurzen und gelegentlich auch drögen Kampagne wenig erregend. Ein bisschen mehr von allem wäre wünschenswert gewesen. Der Multiplayer mit seinem Klassen- und Aufstiegssystem reißt aber noch mal vieles wieder raus. Zudem ist das Setting, der Afghanistankrieg, erfrischend neu und unverbraucht. Gegen Battlefield – Bad Company 2 und Call of Duty – Modern Warfare 2 wird es Medal of Honor aber schwer haben.