Hörspiele:: Nur für Kinder?
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campus-web Bewertung: 4/5
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Hörspiele sind für Kinder. Sollte man meinen. Der ungemeine Erfolg von Kinder- und Jugendhörspielen wie den Drei Fragezeichen oder TKKG haben zu einer wunderlichen Entwicklung geführt: Die Fans wuchsen mit ihren Hörspielen auf und hielten ihnen auch in fortgeschrittenem Alter die Treue. Obwohl die Protagonisten in den Serien oft sechzehn Jahre oder jünger sind, gehen die Hörer teilweise schon auf die 40 zu. Kein Wunder also, dass auch im Bereich der Jugendhörspiele Raum für anspruchsvolle Handlungsstränge und ausgeprägte Spannungsbögen vorhanden ist.
Genau diesen Raum beansprucht Point Whitmark für sich. Hintergrund: Die drei Schüler Jay Lawrence, Tom Cole und Derek Ashby betreiben in ihrer Heimatstadt Point Whitmark einen gleichnamigen Radiosender und werden in ihrer Eigenschaft als Nachwuchsjournalisten immer wieder in Abenteuer verwickelt. Was ein wenig nach Drei Fragezeichen für arme klingt, entpuppt sich aber schnell als wesentlich mehr, als eine billige Kopie der Detektive aus Rocky Beach. Die drei Charaktere sind sauber herausgearbeitet und versprühen einigen Charme. So spielt Derek in seiner Punkband „Blind Drunk“ Bass und lässt keine Gelegenheit aus, um schief, aber durchaus unterhaltsam zu singen. Platt wird die Geschichte vom „Leeren Raum“ dennoch nie.
Vielmehr verlangt sie dem Hörer ein hohes Maß an Konzentration ab, weil sich „Point Whitmark“ nicht lange mit Vorreden aufhält. Die Eingangsszene beispielsweise bekommt erst im Verlauf der Geschichte einen Sinn. Die zweite Szene spielt bereits mitten im Geschehen, welches Jay, Tom und Derek in das Gefängnis nach Hampton führt. Dass es dort eine Serie von Ausbrüchen gibt, erfährt der Hörer von den handelnden Figuren. Auch die von den Journalisten bereits vorgenommenen Rechercheschritte offenbaren sich nur in den Dialogen. Dem der Folge seinen Namen gebenden „Leeren Raum“ begegnen Figuren und Zuhörer erst später. Verstehen wird man seine Funktion aber erst am Ende der Geschichte. Hört sich undurchsichtig und mysteriös an? Ist es auch!
Es ist kein Kinderspiel, der Handlung zu folgen.
Aber es macht Spaß. „Der Leere Raum“ kommt als reiflich durchdachtes Abenteuer daher, dem wenige logische Unzulänglichkeiten nicht weiter schaden. Im Vergleich mit anderen Hörspielserien ist das Niveau von Point Whitmark hoch. Die innere Geschlossenheit der Handlung ist gut und die Vielschichtigkeit für ein 55-Minuten-Hörspiel überragend. So kann alleine die Vielfalt und außergewöhnlich gute Darstellung der Schauplätze vollkommen überzeugen. Zusammen mit Jay, Tom und Derek betritt man ein düsteres Gefängnis, das bunte Treiben der Schule, den ultramodernen Hochsicherheitskomplex einer Sicherheitsfirma oder die Computerhölle eines Informatik-Genies. Immer wieder überraschend ist außerdem, mit welch ausgefallenen Bildern die Macher dem Geschehen im Kopf des Hörers Leben einhauchen. „Eierbechergroße Fingerknöchel“ sind dann allerdings doch etwas zu viel. Die Sprecherrollen sind aber durch die Bank weg gut besetzt und passen zu den Charakteren („Ist das nicht J.D. aus Scrubs?“).
Gelungen. Viel mehr ist nicht zu sagen. Point Whitmark zeigt, dass auch eine knapp einstündige Detektiv- beziehungsweise Abenteuergeschichte eine ungewöhnliche Tiefe und hohe Spannung haben kann. Eine Spannung, die man bei den Drei Fragezeichen aufgrund von hoher Vorhersehbarkeit leider in letzter Zeit oft vermisst.
Hörspiele sind auch etwas für Erwachsene. Zumindest wenn man Point Whitmark hört.
Autor: Benno Friedrich Schwinghammer / Bild: Universal / 25.04.2010 | Artikel drucken |