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Er wollte die deutsche Talkshow-Landschaft mal so richtig aufmischen. Der neue Polit-Talk von "ProSieben-Diktator" Stefan Raab, "Absolute Mehrheit - Meinung muss sich wieder lohnen", hatte schon im Vorfeld der Premiere für Aufsehen gesorgt. Bundestagspräsident Lammert watschte die Sendung mit "totalen Unfug" ab, Patrick Döring von der FDP hatte Angst vor "politischen Tanzbären". Kurz zum Prozedere. Eingeladen wurden fünf Gäste: Thomas Oppermann (SPD), Wolfgang Kubicki (FDP), Verena Delius (Unternehmerin), Michael Fuchs (CDU) und Jan van Aken (Die Linke). Nicht gerade die erste Liga der Volksvertreter. In drei Diskussionsrunden zu einem bestimmten Thema rangen die Teilnehmer um die Gunst der Zuschauer. Diese konnten bequem vom Sofa aus ihren Favoriten mit einem Anruf oder einer SMS in die nächste Runde wählen. Nach jedem Themenkomplex gab es eine Zwischenwertung, aus der jeweils der Teilnehmer mit den wenigsten Anrufen aus der Wertung fiel. Der Gast mit der absoluten Mehrheit durfte sich dann über den Gewinn von 100 000 Euro freuen. So viel sehr vorweg genommen: Sieger suchte man vergeblich in allen Ecken. Der Führerbunker fungiert als Wohnzimmer Raab kann Unterhaltung, das hat er oft genug bewiesen. Sei es mit seiner Game-Show "Schlag den Raab" oder den aufwendig produzierten TV Total-Events. Doch kann er auch Politik? Als Revolution des Polit-Talks angekündigt, fiel doch schon in den ersten Minuten auf, das Raab mit seinem neuen Format nicht in Konkurrenz mit den üblichen Vertretern der Branche treten wollte. Das zeigt allein die Sendezeit. Erst nachdem Kollege Jauch seine gähnendes Kaffeekränzchen auf dem Ersten beendet hatte, begab sich der Entertainer an die Front. Gutes Stichwort. Die Studiodekoration erinnerte an den Führerbunker. Entspanntes Ambiente sieht wahrlich anders aus. Ein großes Sofa, davor ein ausgebeizter Perserteppich, sollte wohl Wohnzimmer-Atmosphäre schaffen. Ein übergroßer Bundesadler, dekoriert mit den Initialen "AM" für "Absolute Mehrheit" wachte über die Runde. Beim genauen Hinschauen entdeckte man sogar Bundespräsident Gauck, der an einer der Ziegelsteinmauern zumindest bildlich anwesend war. Balken, Balken, Balken Der Entertainer begann seine Sendung wie immer: mit schlechten Witzen und "breit grinsender Fresse". Als Assistent wurde Raab Peter Limbourg, Nachrichtenchef bei ProSiebenSat.1-Media zur Seite gestellt. Welche Aufgabe Limbourg hatte war nicht wirklich herauszufinden, doch dazu später mehr. Bevor es mit der ersten Runde begann, eröffnete Raab eine kleine Fragerunde "zum warm werden". Dabei unterlief ihm ein kleiner rassistischer Fauxpas: "Wenn das Philipp Rösler geraden sehen sollte, fallen ihm glatt die Stäbchen aus der Hand". Da aber alle bester Laune waren, ging dieser Gag fast unter. Die erste Themenrunde begann mit der Reichensteuer, es folgte die Energiewende und das Internet. Detailliert die einzelnen Standpunkte der Gladiatoren an dieser Stelle wiederzugeben, würde den Inhalt dieses Formats maßlos überschätzen. Alle Teilnehmer brillierten mit auswendig gelernten Floskeln. Vor allem die männliche Riege redete sich richtig in Rage. Der einzige weibliche Gast, Verena Delius, kam nur auf Anfrage zu Wort. Immer wenn es interessant zu werden schien, grätschte Raab dazwischen und begab sich zu seinem "Assi" Peter Limbourg. Der zeigte den Zuschauern Balken, Balken, Balken. Wer eine Analyse der Diskussionsrunde erwartete wurde enttäuscht, was die zahlreichen Notizen auf Limbourgs Tisch vermuten hätten lassen können. Um die Spannung nochmal so richtig anzuheizen, wurde jeweils der Drittplatzierte aufgelöst, "die geile 3". Erster Depp des Tages wurde Michael Fuchs. Der CDU-Wirtschaftsexperte schien nicht das Sprachrohr von ProSiebens-Zielgruppe zu sein. Rhetorischer Gewinner war vor allem Jan van Aken (Die Linke), der Blickkontakt mit dem Publikum suchte. Unangefochtener Spitzenreiter bei den Zuschauern war Wolfgang Kubicki, der bis zum Ende auf dem ersten Platz rangierte, die absolute Mehrheit jedoch nicht erreichte. Der satirische Sidekick Unterm Strich hatte die Sendung viel Potenzial, was gleich in den ersten Minuten verpuffte. Es wurde eine Spielshow mit politischen Gästen. Raab schaffte es nicht seriösen Polit-Talk anzubieten, was man ihm nicht übel nehmen kann. Bei genauer Betrachtung war das auch nicht sein Ziel. Mit ausreichend Alkohol und viel Wohlwollen kann man das Format auch als einen satirischen Sidekick der ARD- Talkrunden betiteln. Beim Publikum kam "Absolute Mehrheit" gut an. 1,28 Mio. der 14 bis 49-jährigen Zuschauer sahen das Spektakel. Ziel war es, dem jungen Publikum politische Themen näher zu bringen. Im ProSieben-Twitter-Account bringt es ein Follower auf den (Tief-)Punkt: "Ich werde heute meine erste Polittalkshow schauen und nur Stefan Raab bringt mich dazu". Gute Nacht! Das ganze Spektakel war eher eine "geile 6".
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