Zahlreiche Studien belegen, dass Homosexuelle auch heute noch mit einem beispiellosem Hass und Intoleranz konfrontiert sind. Die Bedeutung des Begriffes „Homophobie“ scheint für mich problematisch. Der Begriff „Homophobie“ wird in den vergangenen Jahren verwendet, um damit aggressives Verhalten gegenüber Homosexuellen zu bezeichnen. Dies ist jedoch ein gedanklicher Kurzschluss. Wenn aggressives Verhalten gegenüber Schwulen und Lesben gemeint sein soll, dann sollte es auch deskriptiv als „Gewalt“ oder „Hass“ bezeichnet werden. „Phobie“ hingegen bedeutet „Angst“. Somit meint also der Begriff „Homophobie“ Angst vor Homosexualität oder Homosexuellen. Mit der Verwendung von „Homophobie“ soll anscheinend impliziert werden, dass es den Gewalttätern darum gehe, ihre Angst vor Homosexualität durch Gewalt gegen Homosexuelle zu bewältigen. Ob diese Theorie haltbar ist, müsste wissenschaftlich überprüft werden. Hingegen wird der Ausdruck „Homohass“ oder „Homofeindlichkeit“ dem tatsächlichen Geschehen, dass Homosexuelle immer wieder erfahren müssen, wesentlich gerechter. Diese Begriffe lassen sich nämlich nicht spekulativ über die möglichen Hintergründe der Täter aus – was ebenfalls eine wichtige Frage ist – sondern benennen ein beängstigendes Phänomen in seiner Unmittelbarkeit. Schließlich spricht man ja auch nicht von „Verarmungsangst“, wenn man einen Raubüberfall meint. Hier einige aktuelle, ernüchternde Forschungsergebnisse über Homofeindlichkeit:

„Biste schwul, oder was?“

Der deutschen Lehrergewerkschaft GEW zufolge sind „schwul“ und „Schwuchtel“ heute die häufigsten Schimpfwörter auf deutschen Schulhöfen. „Überhaupt nicht gut“ findet über zwei Drittel der Jungen und die Hälfte der Mädchen Lesben und Schwule, so das Ergebnis der Umfrage eines Marktforschungsinstituts. Vorbilder in der Generation der Eltern oder Großeltern fehlen scheinbar. Die Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes hat herausgefunden, dass zwei Drittel aller Erwachsenen mit Homosexualität lieber nichts zu tun haben möchten. Eine Studie des Berliner Senats belegt weiterhin, dass die Selbstmordgefahr bei homosexuellen Kindern und Jugendlichen viermal so hoch ist wie bei Heterosexuellen. In Berlin hat fast jeder zweite schwule Mann Erfahrungen mit Gewalt gemacht, so ein Mitarbeiter der lokalen Opferberatung. Laut der Studie „Out im Office“ outen sich mehr als die Hälfte aller in Deutschland lebenden Schwulen und Lesben nicht am Arbeitsplatz. Die Angst vor Diskriminierung und Vorurteilen ist auch hier sehr groß.

Auch in meiner Wahlheimat Bonn haben viele Homosexuelle Angst vor Diskriminierung und Übergriffen. Dies besonders in sozialen Brennpunktgebieten. Regelmäßig berichten Magazine der schwul-lesbischen Szene über Fälle, bei denen z.B. in anonymen Internetkontaktbörsen Schwule mit falsche Angaben gelockt werden, wo sie bei Verabredungen in Privatwohnungen dann Gewaltopfer nicht homosexueller Männer werden. Auch öffentliche Treffpunkte sind für Schwule nicht ungefährlich. Gegenüber lesbischen Frauen ist Homofeindlichkeit meistens subtiler. Auf Schulhöfen ist das Schimpfwort „lesbische Fotze“ weniger gebräuchlich, möglicherweise weil weibliche Jugendliche Sexualität auch sonst weniger verbalisieren. Auf dem vergangenen Kölner CSD (Cologne Pride) wurden mehrere Frauen-Pärchen von Männern angesprochen und gefragt, ob sie denn nun lesbisch seien, ob sie dann den Richtigen noch nicht gefunden hätten, und ob „man sie dann einfach mal richtig durchbumsen müsste“.

Homosexualität als Thema in den Schulcurricula

Ein präventiver Umgang mit Homohass muss angestrebt werden. Es gibt NRW-weit schwul-lesbische Aufklärungsprojekte (SchLAu), in denen Ehrenämtler Schulklassen besuchen und über die eigene Homosexualität sprechen. Möglichkeiten der Intervention gibt es vor allem im Rahmen der Schulcurricula. So ist beispielsweise die Sexualerziehung kein eigenes Schulfach, sondern soll an Schulen von Lehrerinnen und Lehrern fächerübergreifend behandelt werden.

Das Thema Homosexualität kommt in fast allen Curricula in Deutschland vor. In vielen Bundesländern soll die Schule dazu beitragen, dass die Jugendlichen toleranter mit dem Thema umgehen. Der Status des Themas ist in den neuen Richtlinien in NRW gleichberechtigt mit acht anderen Themen, wie z.B. Schwangerschaft, Verhütung, biologische Aspekte, Prävention sexualisierter Gewalt und Prävention von Geschlechtskrankheiten. Man kann in der Praxis davon ausgehen, dass nicht alle neun Themen behandelt werden können. Lehrer unterliegen beim Thema Sexualerziehung einer Informationspflicht und müssen Eltern vorher informieren, wenn über das Thema im Unterricht gesprochen wird.

Neue Richtlinien

Die im Jahr 2000 in NRW neu herausgekommenen Richtlinien ermöglichen aber immerhin, dass die Lehrer, die das Thema ansprechen wollen und sich darin fit fühlen, die gesetzliche Grundlage dazu haben und von den Eltern deswegen nicht kritisiert werden können. Besonders häufig wird Sexualerziehung im Biologieunterricht und seltener im Religions- oder Deutschunterricht behandelt.

Auf indirektem Wege z.B. als alternatives Lebensmodell in Unterrichtsmaterial wird Homosexualität bisher leider sehr selten thematisiert, da die Landesregierungen Lehrbücher mit Textaufgabenmodellen, in denen z.B. zwei lesbische Mütter vorkommen, meistens nicht absegnen. Homosexualität wird durch die thematische Ausklammerung immer noch nicht wertschätzend oder wertneutral betrachtet, obwohl Statistiken zufolge zehn Prozent aller Schüler selber homosexuell sind. Das Handbuch „Mit Vielfalt umgehen“ wurde speziell zum Thema sexuelle Orientierung für den Schulunterricht verfasst. Es erzählt u. a. Geschichten über schwule und lesbische Jugendliche aus Europa, ihre Probleme und ihre Umwelt. Im Rahmen der neu gebildeten Landtagswahlen in NRW 2005 wurde es durch die schwarz-gelbe Koalition vorübergehend einbehalten, weil irrationalerweise befürchtet wurde, dass mit diesem Handbuch für das Thema Homosexualität „geworben“ würde. Diese Begründung eines Sprechers des Schulministeriums in einem Interview mit der BILD entbehrt jeder Grundlage. „Mit Vielfalt umgehen“ kann wieder unter der SchLAu-Website kostenlos bestellt werden.

Es existieren beim Thema Homosexualität immer noch Barrieren im öffentlichen Raum und der Staat ist gefordert, die Minderheit in der Bevölkerung vor Diskriminierung zu schützen.


Weitere Infos findet ihr unter:
SchLAu NRW
Vielfalt statt Gewalt
LBST-Referat der Uni Bonn
LUSK, Autonomes Lesben- und Schwulenreferat der Uni Köln
Rubicon-Beratungszentrum Köln
MANEO Berlin

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