Tulpen kommen ursprünglich aus der Türkei. Warum verbinden wir sie dann so sehr mit den Niederlanden? Ob das mit dem Hype zu tun hat, der im 17. Jahrhundert um diese zarten Blüten und ihre robusten Zwiebeln ausgebrochen ist? Sicher ist jedenfalls, dass die Tulpe im Goldenen Zeitalter der Niederlande zum größten Spekulationsobjekt an der Amsterdamer Börse wurde. Sie löste eine regelrechte Manie aus. Aber so hoch der Höhenflug, so tief war der Absturz.

Treue oder Verlangen

Deborah Moggach - Tulpenfieber
Verlag: Insel Taschenbuch
Erschienen: September 2016
Genre: Roman
ISBN: 978-3-458-36170-1
Bindung: Brochiert
Preis: 10,00 €
Genau in dieser Zeit spielt der Roman "Tulpenfieber" von Deborah Moggach. Der Leser findet sich mitten in Amsterdam wieder, wo Handel und Handwerk florieren. Jeder, der etwas auf sich hält, lässt sein Porträt auf Leinwand verewigen. So auch der reiche Kaufmann Cornelis Sandvoort und seine junge Frau Sophia. So beauftragt er den Maler Jan van Loos, sich und Sophia abzubilden. Und es ist Liebe auf den ersten Blick – zumindest für den Maler. Er verliebt sich Hals über Kopf in die schöne Sophia. Dieser ergeht es nicht anders, doch plagt sie ihr Gewissen, dass sie ihren betagten Mann nicht hintergehen kann. Doch das Verlangen nach Jan ist stärker als ihr Pflichtgefühl. Die beiden beginnen ein Verhältnis. Bald reichen die heimlichen Treffen nicht mehr, um ihre Lust zu stillen. Das Paar schmiedet einen Fluchtplan mit hohem Risikopotential. Die Zeit des Bangens ist lang und endet mit einem fulminanten Knall.

Ich, Sophia

Das historische Gebäude der Amsterdamer Börse umrahmt von zwei überdimensionalen Tulpen mit rot-weißen Kelchen ziert das Cover des Buches. Genauso schön, wie die Umschlaggestaltung ist auch das Innere. Die Kapitel sind Personen oder Dingen zu geordnet. So kommen nicht nur die Protagonisten, sondern unter anderem auch der Herbst oder das Bild zu Wort. Die folgenden Seiten sind jeweils aus der titelgebenden Perspektive erzählt. Dabei fällt auf, dass nur Sophias Abschnitte in der Ich-Form geschrieben sind, alle anderen gibt ein allwissender Erzähler wider. So sympathisiert der Leser stark mit der Protagonistin, fühlt sich sogar mit ihr verbunden. Bangt und hofft mit ihr, kann ihre Zweifel und Gedanken nachvollziehen und ist hin- und hergerissen zwischen dem Verständnis von Ehe und Liebe aus heutiger und damaliger Sicht.
Zu einem Kunstwerk wird das Buch dadurch, dass die Autorin jedes Kapitel mit einem relevanten Zitat, meist aus der damaligen Zeit, einleitet. Es finden sich Weisheiten von Konfuzius und Ratschläge aus der Gartenenzyklopädie genauso wie Psalmen aus der Bibel und Sprüche aus der Emblemata von J. Cats. Dadurch spiegelt sich in den ersten Zeilen schon wider, was auf den nächsten Seiten geschehen wird; Vorausschau auf ihre ganz eigene Art.

Schöne Sprache

"Tulpenfieber" überrascht aber auch, wenn der Erzähler aus der Geschichte heraustritt und Zusatzinformationen über die Zeit gibt. So erfährt der Leser, dass im Rijksmuseum in Amsterdam mehrere Bilder hängen, die Jan van Loos von einer unbekannten Schönheit gemalt hat und mutmaßt, ob das wohl Sophia ist?
Ansonsten überzeugt das Buch mit seiner wunderschönen Sprache. Sie ist bildhaft, poetisch, Wörter, die die Seele streicheln ohne je kitschig zu sein. So finden sich Sätze wie: "Es ist März, der Frühling ist gekommen. Maria und ich gehen unter einer Kastanie entlang. Die klebrigen Knospen sind aufgesprungen, die zusammengepressten Blätter quellen hervor. Das zarte Grün versetzt mir einen Stich ins Herz."

Nicht nur für Romantiker

Das Buch ist primär eine Liebesgeschichte. Trotzdem lohnt es sich den Roman selbst dann zu lesen, wenn die romantischen Gene nicht so ausgeprägt sind. Die Geschichte in "Tulpenfieber" packt den Leser dennoch. Auch wenn die Geschichte stellenweise vorhersehbar scheint, ist der Ausgang bis zum Ende unklar. Der Leser zittert bis zu Letzt mit, ob der Plan gelingt. Der Sprache ist nicht schnulzig oder vulgär, sondern einfach schön. Für Romantiker, Träumer und all jene, die an das Gute glauben.
Wer keine Lust hat, eine Liebesgeschichte zu lesen und sich lieber von schönen Bildern berieseln lassen möchte, dem sei ein Besuch im Kino empfohlen. Regisseur Justin Chadwick hat Tulpenfieber verfilmt. Die Hauptrollen spielen Alicia Vikander (Sophia), Christoph Waltz (Kornelis) und Dane DeHaan (Jan van Loos).

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