„Haut dem Springer auf die Finger!“, lautete eine Parole der Studentenbewegung Ende der 60er Jahre. Der Axel Springer Konzern und die 68er- zwei unvereinbare Gegenpole. Auf der einen Seite die aufbegehrende Jugend, auf der anderen Seite der marktbeherrschende Zeitungsverlag, der sich klar gegen die Protestbewegung positionierte. Noch heute wird die Berichterstattung der „Bild“-Zeitung und anderer Medien des Verlages kontrovers diskutiert, Fürsprecher und Gegner geraten nach wie vor aneinander. Nun hat der Konzern eine neue Online-Datenbank gestartet, die einen Einblick in die damalige Berichterstattung verschiedener Blätter bieten soll.

„Medienarchiv68“ nennt sich der Auftritt, der seit Sonntag, 17.Januar, zur öffentlichen Verfügung steht. Zu finden sind dort rund 5.900 Beiträge aus diversen Springer-Redaktionen (neben BILD unter anderem auch das Hamburger Abendblatt oder DIE WELT Berlin) der Jahre 1966 bis 1968.

Sogar die Möglichkeit zum Vergleich mit Konkurrenzzeitungen hat man geschaffen, indem auch Artikel des Blattes „Der Tagesspiegel“ und des „Telegraf“ mit in die Datenbank aufgenommen wurden. Allerdings nur „zu ausgewählten Ereignissen“, wie man auf der Website erfahren kann. Nach welchen Kriterien die ausgesucht wurden, bleibt im Dunkeln.

Über eine Suchfunktion kann man denn nach den Artikeln suchen, wie üblich unterteilt in Schnell- und erweiterte Suche. Letztere bietet die Möglichkeit zur differenzierten Suche unter anderem durch eine Beschränkung auf eine bestimmte Zeitung, eine zeitliche Eingrenzung oder die Wahl einer gezielten Textsorte.

Unter der Option „Thema?“, kann man sich zu den bereits erwähnten „ausgewählten“ Themenfeldern, elf an der Zahl, eine entsprechende Auflistung von relevanten Artikeln anzeigen lassen. Diese tragen so prägnante Titel wie „Kommune I/Teufel/etc.“, „Schah/Ohnesorg/Kurras“ oder einfach nur ein simples „Mahler“. Alles, was nicht diesen Oberbegriffen zugeordnet werden konnte, findet man unter „Sonstiges“.

Hat man dann einmal eine Ergebnisliste bekommen, kann man sich die Ergebnisse einzeln aufrufen. Diese sind chronologisch nach Erscheinungsdatum geordnet und bieten auf den ersten Blick gleich die wichtigsten Informationen: Medium, Textart, Artikel-Titel.

Die Macher des Online-Auftritts haben auch kurze Zusammenfassungen der entsprechenden Artikel erstellt, deren erste Worte ebenfalls erscheinen, jedoch meist noch keinerlei Aufschluss über den letztendlichen Inhalt geben. Doch für gewöhnlich kann man diesen bereits erahnen, dank der aussagekräftigen Titel, auf die der Springer-Konzern seit Jahrzehnten baut.

Ein Klick auf den gewünschten Artikel und man bekommt denn ein kurzes Resumée des entsprechenden Artikels. Ob das, was man da lesen kann, auch tatsächlich der Wahrheit entspricht kann man dann durch Klick auf die verkleinerte Darstellung des entsprechenden Zeitungsblattes herausfinden.

Nicht nur die konkreten Beiträge wurden digitalisiert, sondern man scannte gleich mal die ganze Seite der Zeitung ein, auf welcher sich diese befinden. Die Qualität lässt zeitweilig zu wünschen übrig. Vergilbt und unscharf präsentieren sich manche Seiten, das Lesen erfordert bei einigen Beiträgen gute Augen.

Aufgenommen wurde alles, was zu den 68ern erschien, Berichte ebenso wie Leserbriefe oder Kommentare, sogar Karikaturen wurden miteinbezogen. Die Vergleichsmöglichkeit mit den Konkurrenzblättern, die geboten werden wollte, hält sich dabei jedoch auch stark in Grenzen. Beschränkt man die Suche auf Beiträge des „Telegraf“ und des „Tagesspiegels“ erhält man exakt 233 Ergebnisse. Die Springer-Medien sind mit 5657 Einträgen vertreten. Ein ausgewogenes Verhältnis sieht anders aus.

Der selbstgesetzte Anspruch an die Online-Datenbank ist laut Leitwort des Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG, Dr. Mathias Döpfner, die Debatte um die publizistische Positionierung der Axel-Springer-Zeitungen gegenüber den Protestbewegungen der 60er Jahre zu fördern und gängige Klischees über die Rolle des Konzerns in der damaligen Situation und den resultierenden Entwicklungen zu bekämpfen.

„Eine Einladung nicht nur an Zeitzeugen von damals, sondern ausdrücklich auch an die Generation danach, sich selbst einen Eindruck zu verschaffen und heraus zu finden, wie es damals wirklich war“, heißt es auf der Startseite. Ob ein Einblick in die Berichterstattung des Springer-Konzerns hilft, das herauszufinden, sei in Frage gestellt.

Die Online-Datenbank kann als Plattform für Internetnutzer, die aus wissenschaftlichem Interesse Quellenmaterial über die Zeit der Studentenbewegung in der BRD suchen, angesehen werden und erfüllt in diesem Sinne auch voll und ganz ihren Zweck.

Als differenzierte Auseinandersetzung mit der jüngeren Vergangenheit des Konzerns und eine Aufarbeitung der Fehler, die auf beiden Seiten gemacht wurden, kann es jedoch nicht dienen. Den Vorstandschef würde es freuen, „wenn sich daraus ein neuer Impuls für die weitere Debatte und wissenschaftliche Aufarbeitung ergeben würde“- man darf gespannt sein, ob dies der Fall sein wird.


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