Jeder kennt sie, jeder hat sie: miese Nachbarn. Leider stellt man meistens erst nach dem Einzug fest, dass die WG im 4. Stock auch unter der Woche gerne laute Partys feiert und dass der Dackel von dem Rentner, der den Flur überwacht, zu jeder Tages- und Nachtzeit bellt. Genau so etwas zu vermeiden ist das Ziel von www.rottenneighbour.com.

Auf der ausschließlich englischsprachigen Homepage kann man einfach eine Straße oder Stadt eingeben und dann sehen, ob dort miese Nachbarn oder sogar Sexualtriebtäter wohnen. Allerdings nur dann, wenn ein genervter Mieter die Person schon auf Rottenneighbor.com eingetragen hat.

Grundlage sind die Karten von Google Earth. Die bestehen aus Fotos von Luftaufnahmen und deshalb erkennt man immer genau, welches Haus gemeint ist. Für die Suche muss man nur die Adresse eingeben und schon öffnet sich eine Karte mit allen gemeldeten „rotten neighbors“. Die schon bewerteten Adressen werden durch kleine rote, Monopoly-ähnliche Häuschen angezeigt. Einmal ranzoomen und darauf klicken, schon erfährt man, wieso man gerade dort besser nicht einzieht. Um seine Nachbarn anzuschwärzen, genügt eine einfache Registrierung, bei der man nicht mal eine tatsächlich aktive Email-Adresse angegeben muss. Angaben wie Alter, Adresse oder Telefonnummer entfallen ganz. Die Hürden, um Opa Schmitz und seinen Dackel anzukreiden, sind also denkbar klein. Problematisch kann es aber dann werden, wenn der sich gegen den Eintrag wehrt: Rottenneighbor.com schiebt in seinen AGBs die komplette Verantwortung für alle Posts demjenigen zu, der sie gemacht hat. Und bei den zum Teil beleidigenden Einträgen sind Klagen nicht ausgeschlossen, besonders im prozesswütigen Amerika, für das die Seite hauptsächlich gemacht ist.

Gesucht werden aber nicht nur die schlechten Nachbarn, sondern auch die guten. Die kann man genauso melden, nur werden sie mit einem grünen Häuschen angezeigt. Dazu darf man dann noch schreiben, warum sie so toll sind. Auch dafür gibt es schon hohe Anzahl von Posts, leider sind die nicht immer über jeden Verdacht erhaben. Wenn, wie in Bonn, mehrere Restaurants in den Himmel gelobt werden, geht es nicht mehr um gute oder schlechte Nachbarn, sondern um Werbung. Die ist zwar auch Teil des Konzepts von Rottenneighbor.com, allerdings soll eigentlich nur die Immobilienbranche davon profitieren.

Eine erklärte Zielgruppe der Homepage sind nämlich nicht nur Umzugswille, sondern besonders auch Makler. Eine dritte Kategorie sind deshalb gelbe Häuschen. Dort gibt es Objekte, die zum Verkauf stehen, mitsamt der Telefonnummer des Maklerbüros. Zusätzlich bekommt man bei den amerikanischen Städten auch noch Informationen über den Wert der Häuser in der Nachbarschaft, Statistiken über die Gemeinde und Einrichtungen wie Schulen, Supermärkte und ähnliches. Finanziert wird die Website ausschließlich durch Werbung aus der Immobilienbranche. Das zeigt die vertrackte Situation von Rottenneighbor.com. Durch die laschen Kontrollen und die Verbindung zu Maklern kann es schnell ein Instrument dieser werden. Falls eine Nachbarschaft nicht so gut abschneidet oder vielleicht noch keine Bewertung hat, kann der Makler oder der Vermieter diese mit wenigen Mausklicken aufwerten und dann gegenüber potentiellen Mietern auf die positiven Einträge auf der Seite verweisen.

Laut AGBs ist so etwas verboten, ebenso wie es untersagt ist, andere Leute schlecht zu machen, zu stalken oder sonst wie zu beleidigen. Außerdem ist es nicht erlaubt, die genauen Adressen und Namen anzugeben. Besonders dieses Verbot wird aber von den meisten Nutzern schlicht ignoriert. Besonders effektiv ist es auch nicht, weil man Fotos und Videos online stellen kann, die den Nachbarn oder dessen Haus zeigen, so dass sie eindeutig zu erkennen sind, auch ohne den Namen. Ein Kontrollorgan gibt es nicht, die Posts werden nur stichprobenartig untersucht. Außerdem hat jeder Nutzer die Möglichkeit, anonym zu bleiben. Die IP-Adressen, durch die jeder Internetnutzer identifizierbar ist, werden maximal einen Tag gespeichert. Damit könnten auch wütenden Ex-Freunde oder neidische Kollegen die Seite nutzen, um ihrem Ärger Luft zu machen.

In Deutschland ist Rottenneighbor.com aber noch kein verlässlicher Indikator, wo man wohnen sollte und wo besser nicht. In Großstädten findet man schon einige Einträge, aber die eindeutige Ausrichtung der Seite auf Amerika und Kanada und die Sprachbarriere verhindern eine größere Nutzung für jedermann. In Bonn beschränken sich die Einträge auf anscheinend sehr schlechte Ärzte, von dem einer sogar mit Namen genannt wird, angeblich gute Restaurants und einige wenige Wohnhäuser, die nicht jedem zu empfehlen sind. Ein Vermieter in der Römerstraße verweigert sich demnach seiner Pflichten und schafft es seit zwei Jahren nicht, im Haus eine Türklingel einzubauen. Ein anderer wird als „geldgeiler Abzocker“ bezeichnet, bei dem man die Kaution „nur per Gericht“ zurückbekommt. In solchen Fällen erfüllt Rottenneighbor.com seinen eigentlichen Zweck und kann vor einer bösen Überraschung warnen.

Trotz der an sich sehr guten Idee ist es aber fraglich, in wie weit sich eine solche Seite durchsetzen und auf lange Dauer halten kann. Dazu ist es viel zu einfach, ganz anonym die Homepage zu Werbezwecken und zu Diffamierung zu nutzen. Außerdem ist das Verhalten der Betreiber, jede Verantwortung über Einträge von sich zu weisen, auch im juristisch schwammigen Internet so wohl nicht haltbar. Sollte wirklich jemand mal klagen, ist es mit der Freiheit der Seite vorbei, und damit auch mit Warnungen vor miesen Nachbarn.

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