Die stetig stärker werdende Vernetzung der realen Welt mit dem Internet hinterlässt Spuren – z.B. in der Sprache. Eine große Menge an neuen Wörtern strömte in den letzten Jahren in unseren Wortschatz. Begriffe wie „online“, „Twittern“ und „Cloud-Computing“ hätte vor 15 Jahren nur für Kopfschütteln und fragende Gesichter gesorgt. Heute findet man sie in jedem Wörterbuch wieder.

Ein Terminus, der sich in letzter Zeit größerer Beliebtheit erfreut, ist „Shitstorm“. Seine Bedeutung sowie seine Verwendung sorgen in Nicht-Medialen-Kreisen für Verwirrung. Eine Tatsache, die auch deshalb besteht, weil die Übersetzung des Wortes nicht zur Lösung des Problems führt.

“Keine Reaktion“ bis Social-Media-GAU

Das Wort „Shitstorm“ kommt aus dem Englischen und bedeutet auf Deutsch wörtlich „Scheißesturm“. Die eigentliche Nutzung des Begriffs hat jedoch weder etwas mit Ausscheidungen noch mit der Wetterlage gemein. Die flapsige Übersetzung mit „chaotische, ungute Situation“ (Wikipedia) noch die teils zutreffende, teils limitierte Alternative „Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedien des Internets“ (Duden) tragen wirklich zum Verständnis bei.

Anhand eines Beispiels wird klar, was mit „Shitstorm“ gemeint ist: Im Juli diesen Jahres berichtet das Reportagenformat „ZDFzoom“ über die Arbeitsbedingungen des Onlineversandhandels „Zalando“. Noch während der Sendung meldeten sich empörte User und Kunden auf Facebook und Twitter. Sie riefen zum Boykott auf und schämten sich für ihren Einkauf. Die Kritik entlud sich innerhalb kürzester Zeit. Erst am nächsten Tag reagierte man bei Zalando mit einer Stellungnahme.

Ähnliche Situationen ereigneten sich in den letzten Tagen rund um die Person Michael Wendler („Mega-Shitstorm“) und einer Vielzahl anderer Menschen/Institutionen. Teilweise macht es den Anschein, dass fast jede Kritik im Netz zu einem „Shitstorm“ deklariert wird. Da erstaunt es nicht, dass im Rahmen einer Social-Media-Marketing Konferenz eine Beaufortskala des „Shitstorms“ entwickelt wurde. 0 steht für „keine Reaktion“, 6 für den Social-Media-GAU.

Shitstorm füllt eine Lücke

Die stark ansteigende Benutzung des Wortes verhalf dem „Shitstorm“ zur Auszeichnung „Anglizismus des Jahres 2011“. Laut Jury „füllt Shitstorm eine Lücke im deutschen Wortschatz, die sich durch Veränderungen in der öffentlichen Diskussionskultur aufgetan hat“ In Deutschland ist die Verwendung des Begriffs vornehmlich auf ausfallende Kritik im Internet beschränkt. Hier unterscheidet er sich von seinem Gebrauch im amerikanischen Englisch. Dort wird „Shitstorm“ bei verschiedenen – auch nicht-medialen – Situationen verwendet.

Googelt man den Begriff, wird ersichtlich wie stark der „Shitstorm“ die Medienwelt in den letzten Monaten beeinflusst hat. Insgesamt 14,2 Millionen Treffer finden sich zum Suchbegriff. Im Vergleich zum Zweit- und Drittplatzierten („Stresstest“ und „circeln“) wird die explosionsartige Verbreitung des Begriffs erst recht deutlich: Beide kommen zusammengerechnet gerade einmal auf insgesamt 6,5 Millionen Treffer – nicht einmal die Hälfte. Dass es sich dabei um ein Phänomen aus Deutschland handelt, wird offensichtlich, wenn man „google.com“ befragt. Dieses weist gerade mal mickrige 2,3 Millionen Hits auf.

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