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Seit nunmehr einem halben Jahr habe ich einen Couchsurfing-Account. In dieser Zeit habe ich vier Couches gesurft und fünf Surfer gehostet. Eine Couch surfen, das bedeutet, bei einem anderen Mitglied zu übernachten, meist zwischen einem und drei Tagen, dieses andere Mitglied ist dann der sogenannte Host. Dabei gilt: Es ist verboten, für das Hosten Geld zu verlangen! Beim Couchsurfen geht es allerdings, und das schreiben sich die Macher des Forums auf ihre Fahnen, um mehr als nur darum, eine kostenlose Bleibe fern der Heimatstadt zu haben. Worum es alles geht, das entscheidet meist jeder individuell, wie das Forum aber aufgebaut ist und funktioniert, seht Ihr hier in einer kleinen Einführung. Das Profil Wie bei jedem sozialen Netzwerk gibt es auch hier ein persönliches Profil, der virtuelle Steckbrief also. Neben den allgemeinen Informationen, Name, Alter, Beschäftigung, gibt es die für das Couchsurfen relevanten Informationen, Wohnort, Herkunftsland, Sprachkenntnisse. Hinzu kommen persönliche Kategorien, die ja auch bei Facebook, studiVZ o.ä. angegeben werden können, ''Über mich'', ''Musik'', ''Filme'' oder ''Bücher'', aber eben auch mal wirklich aussagekräftige Fragen. So kann jeder seine persönlichen Einstellungen und Weisheiten bei ''Leben, Lehren, Teilen'', ''Solche Menschen gefallen mir'' oder ''Lebensphilosophie'' loswerden. Zudem steht als Unterüberschrift unter dem Namen die ''aktuelle Mission'', ob es nun Weltherrschaft, Popstar werden oder ''den vierten Harry Potter-Band lesen'' ist. Referenzen Unter dem gesamten Profil ist ein Blog zu sehen, ähnlich wie ein Gästebuch. Darin stehen alle Referenzen, die einem andere User bisher gegeben haben. Eine Referenz schreiben kann einem jeder angemeldete User und dabei kann er sie selbst in die Kategorie ''Gut'', ''Neutral'' oder ''Schlecht'' einordnen. Außerdem kann der User angeben, ob er mit der betreffenden Person gereist ist, ob er ihre Couch gesurft hat oder ob er sie gehostet hat. Falls man also Pedro aus Spanien das Kleingeld vom Tisch geklaut oder in die Paella gespuckt hat, kann man mit einer schlechten Referenz rechnen. Ebenso kann man aber mit einer guten Referenzen erhalten, wenn man sich brav und ordentlich benommen hat. In einer Spalte über den eigentlichen Referenzen wird die Anzahl zusammengefasst. So erhält ein User, wenn er auf einem Profil landet, sofort einen Überblick über den Eindruck, den die Person bei ihren Treffen hinterlassen hat. Man kann also sehen, wie viele gute, schlechte oder neutrale Referenzen ein User bekommen hat und ob er sie von Surfern oder von Hosts bekommen hat. Hey, ich bin real! Eine andere Sicherheitsmaßnahme, die Couchsurfing.com (CS) getroffen hat, um ernüchternde bis gefährliche Begegnungen im ''echten'' Leben zu vermeiden ist das sogenannte Verifizieren. Man bezahlt dafür etwa 20 Euro, speichert intern Namen und Adresse und Mitarbeiter des Forums prüfen nach, ob man tatsächlich real existent ist. Das verhindert Fake-Accounts und Spam-Mails und die Mitglieder schaffen Vertrauen untereinander, wie auch Zutrauen von außerhalb in das System von CS. Sending a request – Darf ich bitte deine Couch surfen? Habe ich als User Pläne für einen Kurztrip in eine bestimmt Stadt, muss ich mich auf die Suche nach potenziellen Hosts begeben. Dazu kann ich meine Suche einschränken, wo möchte ich hin, wie soll mein Host sein, welche Sprachen sollte er sprechen können, mit wie vielen Leuten reisen wir, müssen wir zusammen mit dem Host in einem Zimmer schlafen etc. Wenn ich einen passenden Kandidaten gefunden habe, sende ich ihm eine Couchanfrage. In der muss ich dann angeben, wann ich kommen und gehen möchte und dazu eine persönliche Nachricht schreiben. Die ist in zwei Teile geteilt. Den ersten Teil kann man ohne weiteres kopieren und auch anderen potenziellen Kandidaten schicken. Darin enthalten ist ein freundliches Hallo und eine kurze, sympathische Vorstellung der eigenen Person, wer bin ich, wie alt bin ich, was ich in meiner Heimat mache und warum ich in Stadt xy möchte. Der zweite Teil ist etwas kniffliger. Die Überschrift dazu lautet nämlich ''Warum ich dich gewählt habe'' und ist meist ausschlaggebend, ob die Anfrage angenommen oder abgelehnt wird. Ich muss dem anderen User sozusagen schmeichelhaft, aber authentisch unterbreiten, warum er genau der Richtige ist, um mich zu hosten, warum ich ihn sympathisch finde, wie hübsch seine Fotos sind und vor allem, was uns beide verbinden könnte. Dazu muss ich mich natürlich vorher ein wenig mit seinem Profil befasst haben und darf auch nicht jeden Erstbesten anschreiben. So mache ich das mit ein paar Leuten. CS selbst empfiehlt, Anfragen an etwa fünf Personen zu schreiben, ich würde mehr empfehlen. Bewohner von Großstädten, wie Paris oder London bekommen täglich etwa zehn Anfragen, da muss man sich also schon etwas mehr Mühe geben. Ein wichtiger Tipp: Wenn man einmal eine Anfrage für eine Stadt versendet hat, kopiert CS den gesamten Text wieder in die nächsten Nachrichtenfenster hinein. Das bedeutet, habe ich eben Ralf eine Anfrage geschrieben und möchte danach Hilde eine Anfrage schreiben, steht dort immer noch ''Hallo Ralf!''. Das ist ein häufiger, aber wirklich dummer Fehler, denn kein potenzieller Host möchte gern schon in der ersten Zeile für jemanden anders gehalten werden. Wenn man ganz faul ist, kann man auch eine öffentliche Anfrage stellen. Das bedeutet, dass diese allgemein formulierte Anfrage auf den Startbildschirmen aller Bewohner des betreffenden Ortes erscheint und diese einem dann Einladungen zu sich schicken können. Vorsicht: Mädchen sollten niemals öffentliche Anfragen schicken! Als weibliches Mitglied gehört man ohnehin schon zur Minderheit und auch wenn es in den Regeln ausdrücklich verboten ist, so schreiben doch viele Männer mit anders gearteten Interessen junge Mädchen an! Anfrage angenommen – was nun? Nach ein paar Tagen müssten schon ein paar Antworten auf meinem Screen erschienen sein. Dabei sind vermutlich ein paar ''Abgelehnt'', aber auch ein zwei ''Vielleicht'' oder ''Angenommen''. Dann kann ich meinem ''Lieblingskandidaten'' freudig zurückschreiben. Meist hat er/sie bereits weitere Fragen formuliert, wann wirst du genau eintreffen, soll ich dich irgendwo abholen, bist du Vegetarier? Habe ich diese Fragen beantwortet, geht meistens alles recht schnell. Man verabredet sich, tauscht Handynummern aus und wird sich klar darüber, ob man etwas gemeinsam machen möchte oder ich vielleicht doch allein die Stadt erkundet. Wenn man dann alles geklärt hat, kann der Reise nichts mehr im Weg stehen. Tipp: Jeder anständige Gast bringt seinem Host etwas mit. Mein Markenzeichen, und das ist natürlich unfassbar individuell, ein Sixpack Kölsch. Darüber freut sich eigentlich jeder, außer ein komischer italienischer Kauz, der keinen Alkohol trinkt. Getting a request and being a good host Wenn man selbst gern als Host zur Verfügung steht und Gäste bei sich aufnehmen möchte, kann man das in seinem Status festhalten. Dieser wird auf dem eigenen Profil angezeigt und entscheidet, ob man im Suchlauf eines Reisenden angezeigt wird. Eine Anfrage sollte ich dabei als rechtschaffender User immer beantworten, wenn auch nur mit einem ''Abgelehnt'' und einer kurzen Entschuldigung. Man weiß nie, wie viel Hoffnung die Menschen in einen als Host gesetzt haben und außerdem wird der Prozentsatz der beantworteten Fragen ebenso auf dem Profil angezeigt. Wer also nur 20 Prozent seiner Anfragen beantwortet, braucht sich nicht zu wundern, bei anderen Usern als unzuverlässig zu gelten. Kann ich den Surfer jedoch an den gewünschten Tagen annehmen, brauche ich ihm bloß eine kurze Wegbeschreibung schicken, meine Handynummer und alle weiteren Fragen, die ich an ihn habe. Als Vorbereitung reicht es, die Bude wenigstens ein bisschen ordentlich zu machen und vor allem im Bad keine Schimmelansammlungen aufzuweisen. In der Vergangenheit hat sich jedoch gezeigt, dass die Surfer meist mehr als zufrieden waren mit den Häuslichkeiten und ich mir vorher mehr Mühe gemacht hatte als es eigentlich nötig war. Rucksack-Menschen und Abenteurer haben nicht allzu hohe Erwartungen. Nett wäre es jedoch, eine Flasche Wein und vor allem etwas zu essen im Haus zu haben. Alles andere ist individuell. Ob ich also mit meinem Couchsurfer in die Clubs feiern oder ins Museum gehe oder ihn einfach nur allein losziehen lasse, hängt von ihm, von mir und von der Dynamik zwischen uns ab. Geben, Nehmen und Mitnehmen Beim Couchsurfen, wie im Anfang erwähnt, geht es aber nicht nur um all diese Sachen. Während man auf seiner Reise Menschen trifft, die einen in ihrer Welt aufnehmen oder man selbst eben einem Reisenden kurzzeitig ein Zuhause gibt, macht man Bekanntschaften, die außerhalb des normalen sozialen Umfeldes liegen. Couchsurfing geht meistens nicht über ein paar Tage hinaus. Das bedeutet, dass man eine wesentlich kürzere Zeit hat, um den anderen kennenzulernen als man es hätte, wenn man jemanden in der Uni oder auf einer Party in der Umgebung kennen lernt. Im besten Fall jedoch teilt man in diesen paar Tagen eben solche Momente, die man mit lokalen Bekanntschaften in einem weitaus größeren Zeitraum erlebt. Zudem sind es oftmals ganz andere Begegnungen. Manchmal treffen komplett verschiedene Kulturen aufeinander, oft ganz verschiedene Lebensstile. Man gibt dem anderen ein Stück seiner Kultur und erhält ein Stück einer anderen. Ob es nun ganz einfach durch ein landestypisches Essen ist, ob man etwas Musik vorspielt oder ob man diskutiert, wie das Sozialsystem in der Heimat ist, man lernt etwas über und von einer fremden Kultur. Man sagt so schön, das sei ein performatives Ereignis. Das bedeutet nichts anderes, als dass es einzigartig ist und dass niemand sonst exakt das mitnehmen kann von einer Reise, was ich von dieser einen Reise mitgenommen habe. Wenn einem ein Couchsurfer die Stadt zeigt, zeigt er ganz andere Orte als es ein Touristenführer tut. Für einen Reisenden ist es meist schwer zu verstehen, wie eine andere Stadt und ihre Menschen funktionieren und es ist fraglich, ob es das ist, was die normalen Touristen möchten. Wer aber mehr als nur Attraktionen sehen und Souvenirs kaufen möchte, kann die Stadt oder das Land mit seinem Host von innen heraus betrachten. ''Dafür bin ich viel zu jung" - ''Dafür bin ich viel zu alt'' In dem Forum gehöre ich mit 20 Jahren auf jeden Fall zu den jüngsten Mitgliedern und ich habe auch noch kein jüngeres Mitglied gefunden. Aber der Mitglieder-Pool wächst und die Altersspanne nimmt enorm zu. Man glaubt, man finde dabei vor allem Stereotype. Der ursprüngliche Tramper ist heute Couchsurfer, also ein Naturbursche Mitte/Ende 20. Angemeldet sind natürlich auch viele Abenteurer, Künstler, Freigeister. Aber auch viele Familien, junge Paare, die ihren Kindern den Umgang mit fremden Menschen und Kulturen beibringen möchten, ältere Paare, deren Kinder sie auf die Idee gebracht haben und die nun sehr ungewöhnliche Fotos ins Familienalbum kleben. Außergewöhnlich ist ein älteres Ehepaar aus Schweden, das in einem typischen Häuschen am See lebt. Ich bin bisher noch nicht dazu gekommen, ihre Couch zu surfen, dafür aber sehr viele andere. Sie haben auf ihrem Profil zahlreiche Fotos, die sie zeigen, wie sie mit ihren Gästen wandern, fischen gehen und kochen. Insgesamt haben sie 86 positive Referenzen. Im Profil steht außerdem: Manchmal frage ich mich, was mich daran reizt, nette Reisende für 24-48 Stunden hektische Stunden zu treffen und sie dann nie wieder zu sehen und zu vermissen. Ich wünschte mir oft, sie könnten ein bisschen länger bleiben. Couchsurfing im Wandel der Zeit Die Mitgliederzahl steigt rasant, das Referenzen- und Anfragesystem wird ständig verbessert und Couchsurfing wird immer präsenter. Viele Mitglieder beschweren sich über den kommerziellen Aufschwung und für viele soll es wohl weiterhin ein ''Insider-Tipp'' bleiben. Aber je mehr Menschen sich anmelden, desto mehr Möglichkeiten bietet die Plattform. Couchsurfen in China, Nordkorea, Südafrika? Gerade ist ein neuer Trend im Kommen, nämlich die Couchsurfing-App. Momentan erst fürs iPhone erhältlich, soll auch bald eine Android-Version erscheinen. Das macht das Ganze noch praktischer, man ist flexibler. Für mich steht fest, Couchsurfing ist, ob inzwischen etwas kommerziell oder nicht, unterstützenswert. Nicht nur, weil die Organisation eine bahnbrechende Idee unter die Leute bringt, sondern weil man sich selbst durch sie entwickelt und an ihr wächst. Wer sich jetzt nicht anmeldet, ist selbst schuld. Hier geht es zu Couchsurfing.com
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