campus-web Bewertung: 4/5
   
Das Brettspiel zum Buch – heutzutage überhaupt nichts Ungewöhnliches mehr. Sieht aber trotzdem noch irgendwie komisch aus. Vor allem, wenn man mit dem entsprechenden Roman nichts am Hut hat. “Die Tore der Welt” spricht bestimmt erstmal nur die Fans vom historischen Bestseller-Roman Marke Ken Follett an – und dann ist es auch noch die Fortsetzung vom Roman/Spiel „Die Säulen der Erde“. Findet man da als Uneingeweihter überhaupt den Einstieg?

Die Antwort lautet ja. Vor allem, weil die Welt der mittelalterlichen Baumeister inzwischen sowieso ständig durch Gesellschaftsspiele interpretiert wird (Catan, Carcassonne, neuerdings Dominion...). Folletts Roman liefert eigentlich nur die Kulisse – das englische Städtchen Kingsbridge – sowie einen groben Rahmen für die Einteilung des Spiels durch Ereigniskarten. Von diesen wird für jede Partie nur die Hälfte verwendet, die „Geschichte“ läuft für den Spieler immer wieder ein wenig anders ab.

Seinen epischen Moment hat das Spiel allerdings noch vor dem eigentlichen Spielbeginn; Anleitung und Spielmaterial wirken anfangs erstmal sehr umfangreich. Dieser Eindruck vertieft sich beim Betrachten des Spielfelds. Die Ansicht von Kingsbridge kann nämlich vielseitig genutzt werden: neue Gebäude können als „Bauvorhaben“ das Antlitz der Stadt verändern; Ressourcen liegen in Stapeln von Holzsteinen oder Pappplättchen an ihrem jeweiligen Herkunftsort; in einer Ecke können Häuser gebaut werden, in der anderen bricht irgendwann die Pest aus; auf dem Rathaus werden Karten abgelegt, eine spezielle Leiste verteilt weitere Boni als „Gunst“ an den jeweiligen Spieler; Siegpunkte werden am Rand gezählt.

Einfacher Ablauf mit einigen Alternativen

Aus all diesen Zutaten wird jedoch schnell ein einfacher Spielablauf: Es gibt vier „Kapitel“, die dem historischen Verlauf der Erzählung entsprechen. In jedem dieser Kapitel werden sechs Ereigniskarten abgehandelt. Die Karten bestimmen neben ihrem eigentlichen Effekt auch das Einkommen aller Spieler (inklusive Gunst-Bonus). Die Spieler handeln aufgrund ihrer Aktionskarten; diese geben z.B. zusätzliche Rohstoffe, erlauben die Heilung von Pestkranken (Siegpunkte) oder die Beteiligung an den Baustellen (mehr Siegpunkte). Allerdings kann man in einem Kapitel immer nur die Hälfte seiner Karten nutzen; man muss sich also für eine Strategie entscheiden. Eher Hausbau oder eher Handel? Und macht die nächste Ereigniskarte da wieder einen Strich durch die Rechnung?

Das klingt vielleicht doch noch recht komplex, aber keine Sorge – das Prinzip von „Die Tore der Welt“ hat man schnell durchschaut. Mit einer festen Anzahl von 24 Ereignissen bzw. Runden ist das Spiel auch ziemlich überschaubar. Das Zufallselement im Verlauf der Kapitel und die vielen alternativen Möglichkeiten durch die eigenen Aktionskarten sorgen in diesem Rahmen für Abwechslung. Strategie-Cracks könnten sich unterfordert fühlen, für den „Gelegenheits-Spieler“ gibt’s aber auf jeden Fall recht viel auszuprobieren. Und wenn man die Welt des Ken Follett gar nicht kennt, ist das auch überhaupt nicht schlimm. Ein Spiel ist eben doch was anderes als ein Buch.

Fazit: Unterhaltsamer Ausflug ins Mittelalter, nicht nur für historische Leseratten. Lädt zu mehreren Partien ein.

Verlag: Kosmos
Autor: Michael Rieneck und Stefan Stadler
Alter: ab 12 Jahren
Anzahl der Spieler: 2 bis 4 Spieler
Spieldauer: 90 Minuten
Preis: ca. 30 Euro



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