campus-web Bewertung: 4,5/5
   
Ein bisschen biologisches Grundwissen ist gefragt. Also hier nun kurz das Nötigste reinpfeifen, dann wird gespielt: Als Epidemie, so verlautet Meyers Lexikon, bezeichnet man das Auftreten einer Erkrankung (in der Regel eine Infektionskrankheit) in einer bestimmten Region oder Gruppe in einer für diesen Ort und diesen Zeitraum unerwartet hohen Anzahl. Eine Pandemie ist eine Epidemie mit weltweitem Ausmaß. Der Ausbruch einer Pandemie ist ein Schreckensszenario, mit dem sich die Bevölkerung spätestens seit der Entdeckung des HI-Virus wieder auseinander setzt.

Das Brettspiel „Pandemie“ von der Pegasus Spiele GmbH greift ein solches Szenario auf. Die Spieler werden mit einer Welt konfrontiert, in der Infektionsherde wie Pilze aus dem Boden sprießen und Ausbrüche nur schwer einzudämmen sind. Das Besondere bei „Pandemie“ ist, dass die Spieler nicht gegeneinander antreten, sondern gemeinsam für das Überleben der Menschheit kämpfen.

So weit ist alles klar und das Spiel für zwei bis vier Weltenretter ab 12 Jahren kann beginnen. Zum Test stehen bereit: zwei erfahrene Spieler und ein Gelegenheitsspieler. Das Design ist ansprechend, etwas reißerisch, aber es verspricht Spaß und versprüht den spröden Charme eines kultigen B-Movie-Hits. Laut Anleitung soll man sich fortan als qualifizierter Angehöriger eines Seuchenbekämpfungsteams begreifen, das den Kampf gegen vier tödliche Seuchen aufnimmt. Dabei reisen die Spieler um die ganze Welt, um Infektionen zu bekämpfen und gleichzeitig Gegenmittel zu entwickeln - ganz wie in jedem guten Seuchenfilm.

Bevor man jedoch irgendetwas besiegen kann, kämpft man sich durch den Spielaufbau. Die Vorbereitung ist aufwändig, kompliziert und etwas unübersichtlich dargestellt. Hilfreich wäre eine praktische Anleitung eines Spielzuges bis zum Spielende. Für einen Gelegenheitsspieler entsteht hier eine Hürde, die nur zu leicht abschrecken kann. Der erfahrene Spieler widmet sich hingegen gewissenhaft dem Sortieren von Seuchenwürfeln sowie dem Verteilen und Abzählen von Spieler-, Rollen-, Infektions- und Übersichtskarten.

Die Grundlage des Spieles bildet das Spielbrett mit abgebildeter Weltkarte. Dort werden alle Utensilien platziert und dann kann endlich mit dem ersten Schwierigkeitsgrad, dem Einführungsspiel, begonnen werden. Die dritte und höchste Stufe wäre das plakativ bezeichnete Heldenspiel, doch auch Helden haben klein angefangen. Der Zufall will es in diesem ersten Testspiel, dass Nordamerika von Würfeln, also Seuchenherden, nur so wimmelt. „Ein total realistisches Szenario“, bemerkt der versierte Spieler scherzhaft. „Die Seuche schwappt von den USA in den Rest der Welt.“

Die Weltpolitik kann bei „Pandemie“ allerdings getrost außer Acht gelassen werden. Die Hauptrollen übernehmen Forscher, Wissenschaftler, Ärzte, Betriebsexperten und Dispatcher. Eine amüsante Eingebung: Es beginnt der Spieler, der zuletzt krank war. In den folgenden 45 bis 60 Minuten strampelt man sich ab, um Infektionen zu reduzieren, erneute Ausbrüche zu verhindern und dabei ganz entspannt ein Gegenmittel zu entwickeln.

Hier zeigt sich die Stärke des Spiels. Die Rahmenbedingungen einer Pandemie werden realistisch nachempfunden. Die Verbreitung ist unkontrolliert, unvorhersehbar und die eigenen Fähigkeiten, rechtzeitig an Ort und Stelle zu gelangen, sind begrenzt. Gerade wenn man meint, die Situation im Griff zu haben, zieht man eine der gefürchteten Epidemiekarten und halb Asien wird von Seuchenwürfeln erdrückt. Ein Plus ist zudem die zwingende Kooperation zwischen den einzelnen Spielern. Ohne Strategie und Kommunikation versinkt die Welt im Chaos. Entweder alle gewinnen oder alle verlieren – die drei Musketiere lassen grüßen.

Nach wie vor stellt die komplexe Spielstruktur zwar eine Behinderung dar, doch die Spielmacher haben mitgedacht: auf dem Spielbrett prangt kurz und bündig ein Spielablauf und auf den einzelnen Karten sind die Aktionen grundlegend erklärt. Im Fieber des Spiels nimmt das gelegentliche Blättern in der Anleitung auch stetig ab. „Mumbai hat einen Ausbruch“, heißt es dagegen sorgenvoll. Oder: „Mein Zug ist fertig, ich habe infiziert.“ Und wenn die Ausbreitung kaum noch aufzuhalten ist, werden alle ethischen Grundsätze über Bord geworfen: „Wir finden einfach ein Gegenmittel, soll doch die Welt so lange vor die Hunde gehen.“ Ein mögliche Strategie, vielleicht etwas zweifelhaft, aber von Erfolg gekrönt.

Im ersten Durchgang ist aufgrund der vielfältigen Spielzüge das Einführungsspiel entschieden zu empfehlen. Im Standard- und im Heldenspiel steigt in gleichem Maß mit der Menge der Epidemiekarten die Häufigkeit von Infektionen und effektive Spielzüge sind gefragt. Egal in welcher Variante, das mehrmalige Spielen lohnt sich. Neue Möglichkeiten öffnen sich bei jeder neuen Zusammenstellung von Rollen, der Kartenreihenfolge und natürlich durch die Schachzüge der Spieler selbst.

Fazit nach drei Runden „Pandemie“: der Einstieg ist schwer, aber dann entfalten sich ungeahnte Dimensionen. Es ist spannend und man fragt sich permanent: alte Scheiße, was passiert als nächstes?

Deutscher Herausgeber von „Pandemie“ ist die Pegasus Spiele GmbH. Für den Preis von 34,95 Euro kann das Spiel nach einem Entwurf von Matt Leacock erworben werden.

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