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Vor ungefähr 30 Jahren stiefelte ein 9-jähriger in eine kleine Ortsbücherei in einem Dorf bei Mainz und verlangte dort umgehend mit der "Chefin" sprechen zu können. Die leicht irritierte, aber auch offensichtlich überrumpelte Bibliotheksdame reagierte professionell und fragte zurück, um was es denn gehen würde.

"Ich habe jetzt alle Bücher davon durch und brauche neue!" war die Antwort, während er einen Stapel Bücher mit blauem Umschlag über den kratzigen Tresen schob. "Die hier habe ich jetzt schon zweimal gelesen und da hinten im Regal stehen immer noch keine neuen, obwohl ich jetzt schon zwei Wochen gewartet habe.". Er zeigte hinter der Frau auf das kleine Regal mit den Science-Fiction-Büchern, das etwas abseits in der "Schmuddelecke" der Bibliothek stand.

Dieser Junge war ich und die Bücher, die ich damals so entrüstet verlangt habe waren mein erster Kontakt mit dem Genre des Zukunftsromans. Eine Erfahrung, die mich so geprägt hat, dass ich mich noch Heute daran erinnere - was auf das meiste andere von damals nicht zutrifft.

Ein Beispiel für gutes Science-Fiction

Noch vor meinen ersten Kontakten mit Star Trek oder Star Wars bin ich an der Seite von Mark Brandis durch das Weltall geflogen, habe geheimnisvolle Planeten und Raumstationen erforscht und erfahren, was wirklich gute Science-Fiction ausmacht: unserer Welt einen Spiegel vorzuhalten und Fragen zu stellen. Mit "Mark Brandis" hat Nikolai von Michalewski eine außergewöhnliche Saga aus über 30 Büchern geschaffen, die vieles anders macht - oder gemacht hat - als die "Mainstream-Science Fiction". Denn im Unterschied zu vielen anderen damaligen (und heutigen) Serien in diesem Genre gelang es Michalewski, eine realistische Kultur der Zukunft zu beschreiben - eine Kultur, die nicht ausschließlich von angloamerikanischen Einflüssen geprägt ist: so ist Mark Brandis Berliner, weswegen sein Name auch nicht Englisch "Brändis", sondern Deutsch "Brandis" ausgesprochen wird. In den Geschichten trifft man auf Personen wie den Journalisten Martin Seebeck oder den ignoranten Militär Jonas Degenhardt und die Handlung spielt öfters auch hierzulande, wenn die Mannschaft der "Delta" nicht gerade auf einer Mission im All unterwegs ist.

Reale Zukunfstprobleme

Im Vergleich zur fast zur gleichen Zeit entstandenen ersten Star Trek-Serie greift Michalewski ebenfalls moralische und gesellschaftliche Fragen auf und macht sie oft zum zentralen Dilemma, in dem sich die Protagonisten wiederfinden. Im Unterschied zur US-Serie um Captain Kirk stellt Michalewski seinen Helden aber vor sehr viel tiefer gehende Probleme: von Umweltverschmutzung, Rechtsradikalismus, Extremismus und Fremdenhass ist auch die Zukunft nicht gefeit und der Autor schreckt auch nicht davor zurück, Mark Brandis einmal vor Zorn über Ignoranz und fehlende Weitsicht richtig ausrasten zu lassen. Genau diese wirklichen Probleme, verbunden mit dem fantastischen "was wäre wenn..."-Aspekt und Helden, die auch Fehler haben und machen dürfen zeigt die Faszination, die von der Serie selbst nach über 30 Jahren noch ausgeht. Auch diese Faszination hat bewirkt, dass es heute noch nicht wenige Fans einer Science-Fiction-Serie gibt, die unter normalen Umständen schnell vergessen worden wäre - wäre Mark Brandis nicht einfach anders als andere Science-Fiction.

Fortsetzung einer alten Serie

Und so erscheint seit ein paar Jahren auch neues Material. Zwar keine Romane, denn Nikolai von Michalewski ist bereits vor über 10 Jahren gestorben, sondern gekonnt in Szene gesetzte Hörspiele mit erstklassigen Sprechern, produziert von Folgenreich. Mit "Sirius Patrouille 1 und 2" erscheinen bereits die 19. und 20. Folge. Auch wenn diese Geschichte um den Testflug eines neues Kreuzers zwei der weniger mitreißenden Teile der Serie darstellen, kann man die Serie insgesamt bedenkenlos empfehlen - auch für Hörer (oder Leser) die nicht üblicherweise zur Science-Fiction greifen. Hoffen wir also auf noch viele Probleme und Konflikte für "unseren" Helden Mark Brandis.


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